Was hat mich nur geritten, unbedingt dieses Buch lesen zu wollen? Neun Jahre ist es her, dass ich den ersten Teil dieser Trilogie gelesen habe. Damals war ich hin und weg von der „Romanze am Tegernsee“ und davon überzeugt, auch die weiteren Teile lesen zu wollen. Vielleicht hätte ich den Wunsch lieber nicht realisieren sollen? Dann wäre mir das esoterische Himmelreich der Karmaforschung und Inkarnation erspart geblieben, ebenso wie meine Verlorenheit.
Das Buch ist in einer altmodischen Sprache geschrieben, was ja nicht schlecht sein muss. Zur Verdeutlichung soll dieses Zitat aus einer Bildbeschreibung auf Seite 45 dienen:
Auf Marmorklippen lagert im Schaum der Wogen eine heilige Familie selbviert. Der Säugling liegt an der Mutterbrust und der Vater stützt sich auf einen der Tiefe enttauchten Seehund, dem sich auch das zweite Kind, ein reizender Knabe, begeistert zuwendet. Aller Augen aber leuchten vor sprühender Lebenslust.
Der Roman beinhaltet viele solcher romantischen Beschreibungen. Es wird von Musik erzählt, von Gemälden und von Goethes und Rilkes Gedanken. Das Schöngeistige steht neben den Träumen der Protagonisten im Vordergrund. Liebevolle Naturbeschreibungen ergänzen das Leseerlebnis, das sich aber vor allem mit anthroposophischem Gedankengut beschäftigt. Familienmitglieder und Freunde unterhalten sich über ihre früheren Erdenleben und begeben sich sogar gemeinsam auf eine Reise nach Griechenland, um ihrem früheren Sein näherzukommen. Ihre „Seelenwanderung“ findet in dem Jahr statt, als Prinzessin Diana zu Tode kam – also 1997.
Die Worte von Rudolf Eppelsheimer, dem 1927 geborenen Autor, kommen mir vor wie die Träume eines alternden Mannes. An manchen Stellen kann ich ihnen nicht folgen, in mir entstehen keine erläuternden Bilder. Auf der anderen Seite war es mir nicht möglich, das Buch einfach zuzuschlagen und auf die Seite zu legen. Meine Neugier und der verzweifelte Versuch, tiefer einzusteigen in seine Gedankenwelt hielt mich fest. Kenne ich doch selbst diese kurzen Eingebungen, die mich rätseln lassen, ob ich diesem oder jenem Menschen schon einmal in einem früheren Leben begegnet sein könnte. Doch bisher hat sich das erhoffte Guckloch in eine andere Zeit nie richtig geöffnet. Und da ich noch nie auf der Akropolis war, schon gar nicht bei Mondenschein, las ich den Satz auf Seite 73 ohne die passenden Emotionen:
Das magische Licht am historischen Ort half den Freunden, jedem auf seine Weise, in frühere Dasein zurückzufinden.
Was hat mir dieses Buch nun gegeben? Ich bin neugierig geworden auf die von Rudolf Steiner Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Anthroposophie, die „Weisheit vom Menschen“. Darin geht es um das Verständnis von Natur, Geist und menschlicher Entwicklung. Der Literaturwissenschaftler Rudolf Eppelsheimer, der 2006 in München starb (ein Jahr nach Veröffentlichung des beschriebenen Romans) hat sich wohl sehr intensiv damit beschäftigt. 1958 promovierte er an der Universität München über Die tragische Grundstruktur in Goethes Dichtung, die auch in der Steinerschen Lehre eine große Rolle spielt.