Rezension zu "Vampire: Die Maskerade Jubiläumsausgabe (V20)" von Justin Achilli
Für alle, die meine bisherige Büchersammlung schon ungewöhnlich finden - hier kommt noch ein wichtiges Element meines Lebens dazu, auch wenn es aus Zeit- und Spielermangel nicht mehr gepflegt wird :).
Dieses Buch fiel mir noch in meiner alten Heimat in der Hand, und zwar zu einer Zeit, wo bei mir alles auf der Kippe stand. Nur Musik habe ich mit Feuereifer gemacht und in diesem Zuge viele neue, vor allem junge Menschen kennengelernt. Einige davon spielten "Vampire" als Mitglieder der Camarilla oder Unabhängige; Live-Sabbatcharaktere waren nicht gestattet, wenn man vom Spielleiter absieht.
Für mich war diese Welt neu, in die ich mich fasziniert hineinstürzte. Die Melancholie des Vampirdaseins und der diametrale Gegensatz von Macht und Tod, diese Konzepte kannte ich vorher nicht. Schon bald übernahm ich wechselseitig mal die Rolle eines Spielers und des Spielleiters und fand schnell heraus, dass ich im Gegensatz zu den meisten anderen meine Spielrunden nicht auf Kampf- und Würfelbasis aufbaute, sondern vollen Fokus auf das Erzählerische legte. Manches Mal wurde in einer Stunde nicht einmal gewürfelt, die Abenteuer ließen sich allesamt durch Gewitztheit und Kombinationsgabe lösen.
Als Hauptcharakter habe ich den guten alten Alex, einen Ventrue, wie er im Buche steht, der durch massive Entwicklung von Technologie und listiges Diablerieren beim Sabbat den Aufstieg bis zur sechsten Generation geschafft hat. Nun ja, selbst wenn er heute noch irgendwo mitspielen dürfte - so freundlich er meist auch ist, er beherrscht Fernteleportation bis auf die äußeren Planeten und kann nach vielen Jahrhunderten sogar seine Nahrung zu sich hinteleportieren, was manchem Spielleiter gar nicht gefallen dürfte. Dennoch war meine Spielleiterin, eine Tsimisce der sechsten Generation, sehr gewitzt darin, dem Aufstieg des Charakters Einhalt zu gebieten und in eine wirklich hässliche Lage zu manövrieren. Keine Macht ohne Handicap ;-).
Man merkt schon, dass ich mich für dieses Spiel begeistere. Vor allem ist es leicht zu erlernen und leicht zu erweitern. Die Freude daran steht und fällt allein mit dem Mitspieler-Umfeld, denn niemand spielt gern mit Streithähnen o.ä. - Kurzum, ich finde dieses Werk auf angenehme Weise gruselig-fantastisch, gothic und melancholisch; es verknüpft Weltschmerz mit Findigkeit und fördert Fantasie und Erzählvermögen. Trotz undurchsichtiger Auflagenpolitik von "Feder & Schwert" und manchmal merkwürdigen Änderungen: Klare 5 Punkte für das Spielsystem und somit für das Standardwerk. Die hätte, glaube ich, auch Alex vergeben ... ruhe er sanft in seiner gefütterten Edelholzkiste, und mögen all seine Ghoule noch da sein, falls er jemals vor Gehenna wieder erwacht ;-)