Cover des Buches Bora (ISBN: 9783627002152)
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Rezension zu Bora von Ruth Cerha

Bora und Jugo

von Buecherschmaus vor 8 Jahren

Rezension

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Buecherschmausvor 8 Jahren
Es ist ein merkwürdiger Sommer auf der kleinen Insel in der kroatischen Adria. Statt der endlosen sonnengeschättigten, träge machenden Tage herrscht abwechselnd die Bora, der kalte, raue, vom Land kommende Fallwind und der Jugo, der heiß, feucht und staub- und sandgesättigt von Süden weht. Beide Winde wechseln sich in kurzer Folge ab und wirbeln Meer, Land und Inselbewohner gehörig durcheinander.
Touristen sind eher selten auf der noch eher unerschlossenen Insel, keine Hotels, wenig Einkaufsmöglichkeiten und ein beschaulicher Tagesablauf. Das ist es, was Menschen wie die Wiener Schriftstellerin Mara oder den Bildhauer Harry schon seit Jahren jeden Sommer hierher zieht. Mit den Inselbewohnern bilden sie bereits eine eingeschworene Inselgemeinschaft, die lediglich im August durch die vielen „Rückkehrer“, die zum Emigrants Day zurück zu ihren Wurzeln, ihrem Ursprung kehren, ansonsten über die Welt verteilt leben, aufgemischt wird.
Über viele Jahrzehnte, besonders auch zu Zeiten der kommunistischen Regierung, waren viele Bewohner mehr oder weniger gezwungen, ihr Glück im Ausland zu suchen. Zu wenig Möglichkeiten boten sich hier auf dem kargen, karstigen Eiland, zu wenig Freiheit, zu wenig Zukunft.
Dass die Meisten dieser Auswanderer aber auch in der neuen Heimat nicht wirklich glücklich, zumindest nie ganz heimisch geworden sind, ist bekannt. Bis in die nächsten Generationen zieht sich das Gefühl, nirgends ganz zuhause zu sein, nirgends ganz dazuzugehören, zwischen den Kulturen zu stehen.
Auch Andrej geht es so und seiner Mutter. Auch sie verbringen den Sommer auf der unbenannten kleinen Insel, leben ansonsten in den USA.
Andrej trifft auf Mara, boy meets girl, es kommt wie es kommen muss. Beide sind um die vierzig, haben etliche Beziehungen, Erfahrungen und Verletzungen hinter sich, beide sind nicht wirklich beziehungswillig und sehnen sich doch nach Nähe, Geborgenheit.
Ruth Cerha schildert eine nicht ganz einfache Liebesgeschichte, und ihr gelingt das überraschend und beglückend unsentimental und unkitschig. Dass es ihr ebenso gelingt, die Atmosphäre des Inselsommers, die karge Natur, die Faszination des Meeres, die Launen der Winde einzufangen und wunderbar zu beschreiben, macht „Bora oder Eine Geschichte des Windes“ zu einem schönen, verzaubernden Sommerroman. Aber eben nicht nur.
Als Schriftstellerin in einer momentanen Schreibkrise findet Mara über die Geschichten der Emigranten und der Einheimischen Zugang zur Geschichte der Insel, zu der Heimatlosigkeit der Weggegangenen, der Resignation der Zurückgebliebenen. Und wird daraus, zurückgekehrt nach Wien, einen Roman schreiben. Wünschen wir ihr, dass er ebenso glücken wird wie Ruth Cerha der vorliegende.
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