Irgendwo, in einem afrikanischen Land in der Gegenwart:
Der 6-jährige Toumani wird von seinen Eltern verkauft – um bei einem trunksüchtigen Psychopathen als Kindersklave zu arbeiten. Dieser verprügelt den Jungen regelmäßig, an einem Tag wirft er Toumani halbtot in einen Abwasserkanal. Dort liegt er einige Tage, bis ihn eine Gruppe Strassenkinder findet: so lernt er Iman kennen.
Iman ist der verstossene Sohn einer Afrikanerin, sein Vater ist ein verheirateter Weißer, der längst wieder in Europa lebt. Iman wohnt übergangsweise bei seiner Großmutter. Er hat sich einer Straßengang angeschlossen, die seine Ersatzfamilie ist. Gewalt und Konflikte mit der Polizei lassen nicht auf sich warten. Iman hat nur noch einen Traum: er will nach Europa, zu seinem weißen Vater, von dem er nicht einmal den Namen weiß.
Jahre später sind Toumani und Iman immer noch befreundet. Toumani hat in Folge der schweren Mißhandlungen als Kind ein Bein verloren, konnte nie eine Ausbildung machen und arbeitet in einer Wäscherei. Eines Tages trifft er dort zufällig seine Kindheitsliebe Alissa kennen, die sich auch für ihn interessiert. Doch als sie den attraktiveren Iman kennenlernt, gerät das labile Beziehungsgeflecht ins Wanken… und die Schatten der Vergangenheit, die erlittene Gewalt und die Demütigungen schlagen zurück.
Ryad Assani-Razaki wurde im westafrikanischen Benin geboren, einer ehemaligen französischen Kolonie. Er stammt aus einer gebildeten und wohlsituierten Familie, widmet sich in seinen Romanen aber dem Schicksal der armen Bevölkerung Afrikas. Nach seinem Informatikstudium schreibt und arbeitet er heute als Informatiker in Kanada.
Assani-Razakis Erzählsprache ist einfach, klar, schonungslos sachlich - und trifft gerade dadurch unmittelbar ins Herz.
Für mich ist „Iman“ eine sehr intensive, oftmals beklemmende Leseerfahrung gewesen. Die Geschichte des charismatischen Iman wird aus der Perspektive seiner Freunde und Verwandten geschildert. Er schenkt ihnen seine Freundschaft und Unterstützung, verletzt sie aber auch durch seine einsame Entscheidung, das Land zu verlassen, trotz höchster Lebensgefahr.
Die lebendigen Schilderungen vom Überleben der Ärmsten im Slum und auf der Straße zeichnen diesen Roman aus, ebenso die Beschreibung heftiger Gefühlsausbrüche: die Personen durchleiden Gewalt und Mißhandlung - und mißhandeln selbst; sie werden verstossen und verstossen selbst ihre Liebsten, sie sehnen sich nach Liebe und Glück – und geben dafür ihr Leben hin.
Fazit: ein heftiger, intensiver Roman, der noch lange nachwirkt. 5 von 5 Sternen!
Ryad Assani-Razaki
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Iman
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Ryad Assani-Razaki wurde in dem westafrikanischen Benin geboren, einer ehemaligen Kolonie Frankreichs. Anders als seine Hauptfiguren kommt er aus einer gebildeten und wohlsituierten Familie, und nach seinem Informatikstudium in den USA lebt, schreibt und arbeitet er heute als Informatiker in Kanada. „Iman“ ist nach einem Band mit Erzählungen sein erster Roman.
Handlungsort ist ein nicht näher benanntes afrikanisches Land - man darf annehmen, dass es Benin ist - und der Handlungszeitrum erstreckt sich über fast vier Jahrzehnte am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Lebens- und Leidensgeschichten von Toumani, Alissa und dem titelgebenden Iman stehen stellvertretend für die Zustände, die auch heute noch auf dem Schwarzen Kontinent herrschen.
Als sechsjähriger Junge wird Toumani von seiner Mutter an eine Menschenhändlerin verkauft, die einen schwunghaften Handel mit Kindern betreibt. Sein weiteres Schicksal interessiert niemanden, und bei seinem nächsten Besitzer ist harte Arbeit sein täglich Brot. Misshandlungen sowie unvorstellbare Grausamkeiten sind an der Tagesordnung. Als dieser ihn fast zu Tode geprügelt hat, entsorgt er den Jungen wie ein Stück Müll in einem Kanalschacht. Dort findet ihn Iman und pflegt ihn gesund.
Iman ist ein ungewolltes Kind, das aus der Liaison seiner afrikanischen Mutter mit einem weißen Franzosen stammt. Wegen seiner hellen Hautfarbe wird er von der Familie verstoßen und landet wie so viel ungewollte Kinder auf der Straße. Aber Iman hat Pläne, denn er ist der festen Überzeugung, dass er sein Heimatland in Richtung Europa verlassen muss, um diesem elenden Leben zu entkommen.
Zwischen den beiden Freunden Tourmani und Iman steht Alissa, die Tourmani seit ihrer gemeinsamen Zeit bei der Sklavenhändlerin kennt und deren bisheriges Leben sich nicht wesentlich von seinem unterscheidet. Sie wird am Ende des Romans noch eine entscheidende Rolle spielen.
In elf Kapiteln erzählt der Autor nicht nur die Erlebnisse seiner Protagonisten, sondern bringt durch die Schilderung der Lebensgeschichte von Imans Mutter und deren Mutter in Rückblenden auch noch die historische Komponente der Kolonisation in den Roman ein.
Iman reflektiert sein Leben, allerdings nicht bis zur letzten Konsequenz. Weg, nur weg - er möchte diesem elenden Leben in Afrika entfliehen, aber er hat keinen durchdachten Plan, wie er seinen Neuanfang in einem fremden Land erfolgreich gestalten will. Hat er überhaupt eine Chance?
Ryad Assani-Razakis Roman handelt von Freundschaft, von Träumen und Illusionen und deren Verlust. Er führt uns die grausame Realität eines Landes vor Augen, in dem die Mittellosen keine Chancen haben – noch nicht einmal die, mit heiler Haut von einem Schlepper über das Meer nach Südeuropa gebracht zu werden, um dort dem Elend, das sie aus ihrer Heimat kennen, zu entkommen.
„Iman“ ist ein aufwühlendes, ein bewegendes Buch, das den Leser mitten ins Herz trifft. Lesen!
Ryad Assani-Razaki ist mit "Iman" ein Roman gelungen, der unverblümt das Leben, wie es in Afrika so oft gelebt wird, erzählt. Mit tat die eine oder andere Stelle im Buch schon sehr weh. Ich hatte die meiste Zeit buchstäblich Sand in den Augen und fühlte mich oft unwohl bei dem Gedanken, auf einem Kontinent zu leben, der nur durch ein schrumpfendes Meer mit diesem Leben dort verbunden ist und sich doch insgesamt versucht, emotional und real von diesem Leben abzukoppeln.
Ryad Assani-Razaki wurde selbst in solch einem Land, wie er es in "Iman" beschreibt, geboren: 1981 in Benin, einem Staat im Westen des afrikanischen Kontinents. Doch gleichwohl unterscheidet er sich von den Charakteren, die er zu seinen Hauptfiguren in "Iman" auserkoren hat. Ryad Assani-Razaki wuchs in gutem Hause auf, sein Vater war Informatiker und seine Mutter verliebt in Literatur. So lernte Assani-Razaki schnell lesen und schreiben und fing schon in jungen Jahren an, eigene Geschichten zu Papier zu bringen. Er studierte, ganz der Vater, in den USA Informatik und siedelte 2004 nach Kanada über und arbeitet dort seitdem als Informatiker für IT-Firmen. "Iman" ist nach einem Erzählband (welcher bisher leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde) sein erster Roman, in welchem der Autor ein Leben schildert, wie es so viele noch immer in Afrika leben (müssen) - und das ist seine große Leistung.
"Man sagt, der Mensch habe sein Schicksal in der Hand, aber das ist eine Lüge. Meist ist das Schicksal bloß die Spitze eines Speers, den jemand mehrere Generationen zuvor geworfen hat."
In "Iman" geht es um einen sechsjährigen Jungen vom Lande in einem namenlosen afrikanischen Land, der eines Tages von seinem Vater für 23€ an eine Frau verkauft wird, die eine Art Menschenhändlerin darstellt. Sein Name ist Toumani. Er hat keine Ahnung, ob seine Mutter von dem Verkauf etwas wusste, aber sie musste etwas gewusst haben, denn sie hatte am Tag zuvor Kleidungsstücke für ihn zusammengepackt. Diese werden von der Frau, die Toumani mit in die Stadt nimmt, noch auf der Fahrt dorthin weggeschmissen, um auch die letzten Objekte, die ihn an seine Familie erinnerten, zu entsorgen, heißt es. Im Haus der Menschenhändlerin lernt Toumani Alissa kennen, mit der er dasselbe Schicksal teilt, auch sie wurde für wenig Geld verkauft, um in der Stadt für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Doch Toumani bleibt nicht lange bei der Frau, sondern kommt zu einem gewissen Herrn Bia. Anfangs noch irritiert von den mitleidigen Blicken Alissas und der anderen, lernt Toumani schnell kennen, was Grausamkeit bedeutet. Für tot befunden, schmeißt sein Herr ihn in irgendeinen Gulli. Iman ist es, der ihn dort findet und er ist es auch, der Toumani zeigt, dass es sich zu leben lohnt. Doch in Wirklichkeit trägt Iman eine schwere Last mit sich herum. Als Sohn einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, vom Vater verlassen, von der Mutter verstoßen ist Iman weder hier noch dort, sondern gefangen in seinen Gedanken: seinem Wunsch, ja seinem Verlangen, aus dieser Welt zu fliehen - und sei es auf Leben und Tod. Bis Alissa in das Leben der beiden eintritt...
"Iman stellte mir viele Fragen: Wo kam ich her? Seit wann war ich in der Stadt? Auch wenn ich die Antworten nicht wußte, führten mir seine Fragen vor Augen, dass ich von irgendwoher stammte und dass ich ein Mensch war. Im Grunde machte mich erst Iman zum Menschen." Bei "Iman" handelt es sich um eine Geschichte, wie sie - so muss man wohl annehmen - so oder so ähnlich tatsächlich hätte passiert sein können, so passiert und passieren wird - und das hunderte, wenn nicht tausende Male. Im Kern geht es hier um Freundschaft, um mehr als das, wie es auch Toumani nicht in Worte zu fassen vermag. Iman, viele Jahre älter als Toumani, hilft diesem, der unter Herrn Bia sein Menschsein verloren hat, der irgendwann bei den Schlägen nicht mehr weinte, gar nichts mehr sagte, sondern es nur noch als gegeben hinnahm, wieder ein Mensch zu werden. Dies erweist sich als schwierig, denn Toumani verliert bei der Rückholung ins Leben ein Bein und gilt seitdem als Krüppel - in dieser Umgebung quasi ein postwendendes Todesurteil für das restliche Leben. Doch bei all der Herzlichkeit und der tiefen Verbundenheit der beiden, merkt Toumani, dass Iman selbst den Glauben an diese Welt verloren hat. Standhaftigkeit entpuppt sich als Gleichgültigkeit. Als sich die erste kleine Andeutung der Möglichkeit zu Flucht - und sei sie noch so klein - anbahnt, zeigt sich, dass Iman dieses Leben nur erträgt, weil er gedanklich schon lange irgendwo anders Zuflucht gesucht hat. So ist Iman das Beispiel eines Menschen, wie sie gerade jetzt so häufig unter tragischen Umständen in unsere Zeitungen und Nachrichten gelangen und weshalb unter anderem in Hamburg Menschen auf die Straße gehen. Anhand der Person Imans, die in dem Buch nicht ein Mal selbst zu Wort kommt, sondern über die nur von anderen geurteilt wird, eröffnet sich dem westlichen Leser dieser Nachrichten ein Bild dieser Menschen und ihrer Gründe. Dass sich Europa dabei immer mehr abzuschotten scheint, sollte einem zu denken geben.
"Das Problem mit der Freiheit ist, dass man sie nur in kleinen Dosen genießen kann. Hat man zu viel davon, wird sie zum Gefängnis."
Es geht aber auch um Liebe und wie sie eine Freundschaft zerstören kann. Denn plötzlich trifft Toumani seine Leidensgenossin aus vergangenen Zeiten wieder: Alissa, die ihm damals zum Abschied einen ihrer Plastikohrringe mit den Worten "Verliere sie nicht" mitgegeben hatte und welche er noch immer bei sich trägt. Es macht einen als Leser selbst glücklich, die Freude Toumanis durch diese Wende im tristen Alltag der afrikanischen Slums zu erfahren, doch ist diese Glückseligkeit nicht von langer Dauer, denn es kommt der Zeitpunkt, an dem Iman sie ebenfalls kennenlernt. Ich möchte nicht zu viel verraten, doch an Tragik ist der Verlauf des zweiten Teils der Geschichte wohl kaum zu übertreffen und der Ausgang der Geschichte ist in seinem Hergang wohl nur konsequent, jedoch zerreißt es einem fast das Herz. "Sieh hin! Dann siehst du das Elend. Oder vielleicht siehst du es auch nicht, weil es in uns drin steckt. Wir können das Elend nicht besiegen. Es liegt uns im Blut, es lässt unsere Herzen schlagen. Wir spüren es nicht einmal mehr, weil es unter unserer Haut sitzt. Unsere schwarze Haut ist dieses Elend. Und warum? Weil wir es nicht anders wollen, Toumani!" Ryad Assani-Razaki ist mit "Iman" ein Roman gelungen, der unverblümt das Leben, wie es in Afrika so oft gelebt wird, erzählt. Mit tat die eine oder andere Stelle im Buch schon sehr weh. Ich hatte die meiste Zeit buchstäblich Sand in den Augen und fühlte mich oft unwohl bei dem Gedanken, auf einem Kontinent zu leben, der nur durch ein schrumpfendes Meer mit diesem Leben dort verbunden ist und sich doch insgesamt versucht, emotional und real von diesem Leben abzukoppeln.
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