Rezension zu "Cnut (Penguin Monarchs): The North Sea King (English Edition)" von Ryan Lavelle
Seit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch Oliver Cromwell ist ein Band gewidmet. Mittlerweile sind mehr als drei Viertel der 45 geplanten Bände erschienen. Bald wird die Reihe vollständig sein. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.
Die angelsächsischen und dänischen Könige, die vor der normannischen Eroberung (1066) in England herrschten, sind heute weitgehend unbekannt. Ihre Namen sind allenfalls Fachleuten geläufig. Das gilt auch für Knut den Großen (geboren um 995, gestorben 1035), der fast 20 Jahre lang über England und Dänemark herrschte. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts geriet England immer öfter ins Visier der Wikinger. Der Dänenkönig Sven Gabelbart nutzte eine Krise im angelsächsischen Königshaus und riß 1013 die Herrschaft über England an sich. Als er nur ein Jahr später starb, trat sein jugendlicher Sohn Knut die Nachfolge an. Mit beachtlichem politischem und militärischem Geschick sicherte sich Knut die Herrschaft über England und Dänemark, das Stammland seiner Familie. Später brachte er auch Teile Schwedens und Norwegens unter seine Kontrolle. Doch dem von Knut geschaffenen Nordsee-Imperium war keine lange Dauer beschieden. Das Reich zerfiel schon wenige Jahre nach dem Tod seines Gründers. Das angestammte angelsächsische Königshaus kehrte noch einmal für kurze Zeit auf den englischen Thron zurück. Bald nach der normannischen Eroberung geriet Knut in Vergessenheit. Aus heutiger Sicht wirkt die dänische Herrschaft über England wie eine folgen- und bedeutungslose Episode.
Ryan Lavelle bemüht sich redlich, ein aussagekräftiges Porträt des Nordsee-Königs Knut zu zeichnen. Man sollte eher von einer Skizze sprechen, denn ein Porträt ist kaum möglich. Die Quellenlage ist ungünstig. Als Persönlichkeit wird Knut nicht greifbar. Viele Abschnitte seines Lebens liegen völlig im Dunkeln. An Lavelles Text fällt die Häufung von Wörtern wie "vielleicht", "wahrscheinlich", "möglicherweise" auf. In einem Buch über einen König des 11. Jahrhunderts ist nichts anderes zu erwarten. Lavelle würdigt Knut als politisches Naturtalent und erfolgreichen Heerführer. Knut war ein mittelalterlicher Reisekönig par excellence. Mehrfach überquerte er die Nordsee, und im Jahr 1027 reiste er sogar nach Rom, um an der Krönung Kaiser Konrads II. teilzunehmen. Lavelle schildert, welche Mittel Knut anwandte, um sein ausgedehntes Reich zusammenzuhalten: Allianzen mit angelsächsischen Adelsfamilien und ausländischen Monarchen gehörten ebenso zu seinem Instrumentarium der Macht wie wohldosierte Gewaltanwendung. Besonderes Augenmerk richtet Lavelle auf die Religiosität des Königs. Knut war ein frommer Christ; er hatte sich von der heidnischen Kultur seiner skandinavischen Vorfahren gelöst.
Verdient Knut der Große unsere Beachtung? Auch nach der Lektüre von Ryan Lavelles Buch lässt sich diese Frage schwer beantworten. Eines ist sicher: Ein Schlüsselmoment oder eine wichtige Phase in der Geschichte des englischen Königtums war Knuts Herrschaft nicht.
(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im August 2018 bei Amazon gepostet)