* Spoilerfreie Rezension! *
~ „Die Frauen“ ist für mich kein Thriller (zu wenig Spannung!), sondern ein eher mittelmäßiger Spannungsroman, der nur langsam ins Rollen kommt. Man hätte aus dieser Geschichte auf jeden Fall viel mehr machen können! Wer so etwas mag, für den könnte das Buch durchaus etwas sein – der Rest von euch sollte sich lieber anderen (und besseren) Domestic Thrillern zuwenden… ~
Inhalt
Samantha kann es kaum glauben, als sich plötzlich der von allen Studierenden bewunderte Professor Bridges ausgerechnet für SIE interessiert. In kürzester Zeit zieht sie zu ihm in sein schönes Haus auf einem Hügel in Richmond, wird schwanger, bekommt eine Tochter. Es fühlt sich an wie ein modernes Märchen – bis sie anfängt, am College zu unterrichten und plötzlich bedrohliche Gedichte erhält…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Inhaltswarnung: Gewalt, (s_xualisierte) Gewalt gegen Frauen, Beziehung mit großem Altersunterschied, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Geburt, Mutterschaft (Baby), Tod, Untreue
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Miststück, Schl+mpe (auch für Männer)
Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:
- ruhige Spannungsromane
- „Domestic Thriller“ (dt. Definition: das eigene Zuhause als Ort der Gefahr)
- Leben als Mutter und Hausfrau
- Leben der wohlhabenden und gebildeten Oberschicht
- Setting: Universität/College, England, großes Haus
- Fokus auf Beziehungen, weibliche Solidarität und Frauenfreundschaften
- s_xualisierte, psychische und körperliche Gewalt gegen Frauen als zentrale Themen
- Beziehung mit großem Altersunterschied und Machtgefälle
- Narzissmus
- wenig Blut/Gewalt
Lieblingszitate
„Sie fragt sich, ob er sich so bewegt, wenn er sich von ihr unbeobachtet fühlt, ob er sich so in Wirklichkeit bewegt.“ E-Book, Position 1472
„Mit dem besseren Fuß den nächsten Schritt machen. Das hat meine Oma immer gesagt.“ E-Book, Position 1679
„Letzten Endes zeigt man sich auf Facebook, Instagram und all dem anderen Schei+dreck schlicht in seiner Sonntagskleidung, oder etwa nicht?“ E-Book, Position 1679
„Ihr Körper sieht aus, als wäre er im Krieg gewesen. Als hätte er eine schwere Zeit durchgemacht und könnte jetzt vor allem Zärtlichkeit, weiches Licht und Verständnis gebrauchen.“ E-Book, Position 367
Meine Rezension
Nach etwas längerer Abstinenz hatte ich endlich wieder einmal Lust auf einen spannenden Thriller – und der Klappentext und der Titel von „Die Frauen“ haben mich sofort angesprochen. Doch war das Buch wirklich ein Glücksgriff?
Leider entpuppte sich „Die Frauen“ als nur mittelmäßiger Spannungsroman (kein Thriller!) – flüssig lesbar, insgesamt ganz okay, aber eben auch nicht mehr. Zuerst schauen wir uns aber an, was mir gefallen hat: Ich mochte die Grundidee, die stellenweise durchaus dichte und unheimliche Atmosphäre und das Setting (schönes großes Haus auf einem Hügel in Richmond, in der Nähe von London). Die geschickt eingewebten Informationen über verschiedene Künstler:innen (z. B. Caravaggio und Artemisia Gentileschi), Kunstwerke und das Schreiben fand ich zudem sehr interessant. Man hätte aus diesem Buch auf jeden Fall viel mehr machen können! Flüssig, schnell und angenehm lesen ließ es sich ebenfalls, was ich als großen Pluspunkt betrachte. Eine weitere Sache macht dieses Werk sehr gut: Man versteht absolut, warum Samantha sich in Peter Bridges verliebt – er wird am Anfang einfach als unwiderstehlich (auch für uns Leser:innen!) und richtige Green Flag präsentiert (taktvoll, geduldig, gebildet, ein Feminist).
Aus feministischer Sicht überzeugt das Buch auch in einigen Bereichen: Es gibt viele interessante, intelligente Frauenfiguren, die eine wichtige Rolle einnehmen, die Protagonistin macht eine glaubhafte Entwicklung vom stillen, formbaren Mäuschen zu einer starken Frau mit eigener Meinung durch, s_xualisierte Gewalt wird angesprochen und klar benannt (das fand ich sehr erfrischend!) und weibliche Solidarität und Frauenfreundschaften stehen im Mittelpunkt. Mir hat auch gefallen, dass das in Beziehungen mit großem Altersunterschied oft vorhandene Machtungleichgewicht angesprochen und gezeigt wird, warum das in vielen Fällen so problematisch ist. Bei mehr als 10 Jahren Altersunterschied trifft eben meist eine jüngere, in Beziehungsdingen noch unerfahrene Frau (die nicht abschätzen kann, was in einer gesunden Beziehung normal und was übergriffig/toxisch/manipulativ ist) auf einen Mann mit mehr Lebens- und Beziehungserfahrung, mehr Geld und mehr (beruflicher) Macht – was leider oft gezielt ausgenutzt wird.
Nicht gefallen hat mir (neben vereinzelten vage sexistischen/stereotypischen Formulierungen) hingegen, dass bei Jenny (= einzige offen feministisch eingestellte Person) ihre zu Recht kritisierten, problematischen, in Richtung Männerhass gehenden Aussagen UND ihre sehr wohl validen feministischen Argumente, Beobachtungen und Kritikpunkte über einen Kamm geschert werden und es so dargestellt wird, als wäre ALLES, was sie sagt, falsch (was nicht stimmt!) und als wären Feministinnen generell voller Hass, extrem eingestellt und im Kern eigentlich verbittert und bemitleidenswert (stimmt ebenfalls überhaupt nicht!). Diese Darstellung von Feminist:innen ist sehr eindimensional, klischeehaft und negativ, was sehr schade ist und der Grundmessage des Buches eigentlich widerspricht!
Geschwächelt hat „Die Frauen“ auch ganz klar beim Spannungsaspekt – von einem Thriller erwarte ich da einfach mehr! Mehr atemlose Spannung, mehr Tempo, mehr Gefahr. Für mich ist das vorliegende Buch daher eher ein Spannungroman, der nur SEHR langsam ins Rollen kommt. Es steht generell – selbst für einen „Domestic Thriller“ (dt. Definition: das eigene Zuhause als Ort der Gefahr) – erstaunlich wenig auf dem Spiel, brenzlige Situationen werden viel zu schnell aufgelöst und die „Bösen“ waren mir hier auch nicht böse und furchteinflößend genug. Schwer habe ich mich mit den Figuren auch getan, weil fast alle von ihnen (zumindest stellenweise) unsympathisch und nicht besonders liebenswürdig sind – sogar die Protagonistin, was es schwer macht, mit ihr mitzufühlen und mitzufiebern. Bei ihr hat mich zusätzlich gestört, dass sie so ein Fähnchen im Wind war – ständig hat sie ihre Meinung geändert, in einer Sekunde einer anderen Figur miss-, in der anderen dann plötzlich wieder vertraut, als wäre nichts gewesen. Ihr Verhalten und ihre Denkweise habe ich nicht immer nachvollziehen können.
Auch vom Ende habe ich mir irgendwie mehr erwartet – der große Knall, die schockierenden Wendungen und die überraschende Auflösung fehlten mir hier. Mir war der Schluss insgesamt auch zu positiv (mehr verrate ich nicht, um nicht zu spoilern). Leider enthält das Buch auch sehr viele Fehler (Beistriche, fehlende Buchstaben, dass/das) – hier hoffe ich, dass diese schnell korrigiert werden, da sie einen doch immer wieder aus dem Lesefluss reißen.
Mein Fazit
„Die Frauen“ ist für mich kein Thriller (zu wenig Spannung!), sondern ein eher mittelmäßiger Spannungsroman, der nur langsam ins Rollen kommt. Man hätte aus dieser Geschichte auf jeden Fall viel mehr machen können! Wer so etwas mag, für den könnte das Buch durchaus etwas sein – der Rest von euch sollte sich lieber anderen (und besseren) Domestic Thrillern zuwenden…
Bewertung (in Schulnoten)
Cover / Aufmachung: 1 ♥
Idee: 2
Inhalt, Themen, Botschaft: 2-3
Umsetzung: 3
Worldbuilding: 2
Einstieg: 3-4
Ende: 3
Schreibstil: 2
Protagonistin: 3
Figuren: 3
Spannung: 4
Pacing/Tempo: 4
Wendungen: 4
Atmosphäre: 3
Emotionale Involviertheit: 3
Feministischer Blickwinkel: 2-
Einzigartigkeit: 4
Insgesamt:
Note 3