Rezension zu "Die stumme Herzogin" von Dacia Maraini
Marianna, die Tochter des Herzogs Signoretto Ucrìa di Fontanasalsa, ist taubstumm. Sie war es nicht immer, aber sie weiß nicht mehr warum sie aufgehört hatte zu sprechen und zu hören. Der Arzt ist der Überzeugung, dass ein enormer Schock der Grund für die Taubstummheit sei und deshalb nur ein weiterer solcher Schock Marianna wieder zur Normalität zurückbringen kann. Und so trifft der Vater die Entscheidung, seine kleine Tochter zu einer Hinrichtung mitzunehmen. Doch auch diese extreme Erfahrung hilft nicht und Marianna spricht weiterhin nicht und hört auch nicht. Mit der Außenwelt kommuniziert sie, da sie schreiben und lesen kann. Ihr über alles geliebter Vater hat für sie eigens ein tragbares Schreibutensil, bestehend aus .... fertigen lassen.
Wie zur damaligen Zeit durchaus üblich, wird Marianna bereits mit 13 Jahren an ein männliches Mitglied der Familie verheiratet. Ihr Onkel mütterlicherseits wird ihr Mann und von ihm wird sie ... lebende und ... tote Kinder gebären. Erst nach dem Tod ihres Mannes, wird sie körperliche Liebe durch einen jüngeren Liebhaber erfahren und auch auf das furchtbare Ereignis stoßen, dass damals ihre Stimme und ihr Gehör sterben ließ.
Aufwendig, sprachlich durchaus fordernd, mit einigen leicht verständliche Textstellen in sizilianischer Sprache, erzählt Dacia Maraini das Leben der taubstummen Marianna Ucrìa und gibt Einblick in die inzestuösen Kreise der sizilianischen Aristokratie, in vergangene Gepflogenheiten sizilianischer Sitten und Gebräuche. Als Frau komme ich nicht herum mich zu freuen, in der heutigen Zeit zu leben. Marianna ist mehr als nur die taubstumme Herzogin, demütige Tochter und Frau ihres Onkels. Sie verkörpert den Beginn einer neuen Frauenrolle in der Gesellschaft, streift langsam die Bevormundung der männlichen Familienmitglieder ab und beginnt sich ihren eigenen Weg zu suchen.
Wer das Buch in Italienisch liest, wird umgeben von Sprachblüten und Feinheiten, die nicht alltäglich sind. Die deutsche Übersetzung ist überaus gelungen.
Dieser Roman zählt zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.