„Was ziehst du an, wenn der Minister kommt?“
„Ein Kostüm muss schon sein, oder?“, schlägt eine Kollegin vor.
„Wir sitzen doch weiter hinten, der sieht uns gar nicht“, widerspricht die Erste.
Beide schauen mich erwartungsvoll an, doch meine Gedanken sind längst auf Abwegen unterwegs.
Die Frage könnte auch lauten: Was ziehe ich aus, damit der Minister mit mir kommt? So etwas passiert mir öfter. Nicht, dass ich mich für einen Minister entblättere, sondern dass mir immer die kriminellen oder sogar mörderischen Gelegenheiten ins Auge springen. So kenne ich eine Kirche im Weserbergland, in der ein silberner Kronleuchter ungesichert unter einer Holzdecke hängt …
Doch wie heißt es althergebracht? Gelegenheit macht Liebe, wahlweise auch Diebe. So kommt es, dass zwar die Tat und ihre Aufklärung vordergründig betrachtet im Fokus eines Kriminalromans stehen, der eigentliche Kern hingegen sind die Figuren. Was bewegt sie? Was treibt sie an?
Das ist genau der Aspekt, der mich auch beim Plotten und Schreiben am stärksten beschäftigt. Erst wenn ich mit meinen Figuren vertraut bin. Wenn ich weiß, wie sie reagieren, wenn sie in die Ecke getrieben werden, oder was sie tun, sobald sie sich langweilen, beginne ich zu schreiben.
Der nächste bedeutsame Faktor meiner Arbeit ist das Thema des Krimis. Ob es um einen Amoklauf, Kernenergie oder illegale Arbeitskräfte geht, immer handelt es sich um Motive, die mir (und vielen anderen) am Herzen liegen, die eine Auseinandersetzung lohnen, über die an vielen Stellen bereits diskutiert wird. Denn das zeichnet für mich den Regionalkrimi aus. Er greift Probleme auf, die in der Region virulent sind, die mit ihr verknüpft sind.
Für mich macht es einen Großteil des Charmes dieser Krimis aus, dass sie organisch aus der Landschaft und ihren Menschen erwachsen, dass der Schauplatz nicht beliebig austauschbar ist, sondern beinahe zum Akteur wird. Auf diese Art entwickelt sich in meinem Kopf, vor meinem geistigen Auge, ein Filmset, in das ich hineintreten kann, um mich umzusehen. Ich bewege meine Figuren, lasse sie interagieren, sich streiten, morden, lieben. Hab ich die Hauptszenen klar, lege ich die Perspektiven fest. Wer erzählt aus seiner Sicht welche Teile meines neuen Romans? Dabei taucht regelmäßig das Problem auf, dass gewisse Geschehnisse nicht erzählt werden können, weil niemand von den Figuren, die erzählen darf, anwesend ist. Meistens lässt sich das Problem lösen, mit einem Rückblick, einem Telefonat o.ä., ohne auf den allwissenden Erzähler zurückgreifen zu müssen.
Anschließend geht es an die Details. Ich erstelle Karteikarten für die einzelnen Kapitel oder Szenen. Dabei weise ich jeder Perspektive eine Farbe zu. Das erleichtert es mir ungemein, beim Schreiben in den Stil der jeweiligen Figur zu wechseln.
Zum tatsächlichen Schreiben ziehe ich mich mit meinem Laptop an ein stilles Fleckchen zurück und tippe vor mich hin. Manchmal sind plötzlich zwei oder drei Stunden vergangen, und ich werde zum Essen gerufen. Gelegentlich fällt es mir schwer, in die Realität zu wechseln. Nach einer Pause weiterschreiben, kann ich jederzeit.
Erst, wenn alles fertig ist, beginne ich mit dem Feinschliff …, bevor das Manuskript seine Reise durch den Verlag antritt. Parallel dazu entsteht der Klappentext. Außerdem entwirft der Grafiker des Verlags Titelbilder, die wir gemeinsam weiterentwickeln.
Im richtigen Leben bin ich Schulleiterin einer Hauptschule in Alfeld/Leine. Es gibt Schülerinnen und Schüler, die meine Passion kennen und Vergnügen daran haben. (Es existieren auch welche, denen das wurscht ist.) Meine bisher erschienen Krimis richten sich weder an Kinder noch an Jugendliche, ja, sie sind für Kinder eindeutig ungeeignet. Da ein paar Kids trotzdem wild darauf sind zu lesen, was ich so schreibe, gibt es auch Jugendkrimis von mir.
Ich weiß nicht genau, welcher Moment der Aufregendere ist. Wenn ich das Manuskript abgebe oder wenn das Paket mit den Belegexemplaren ankommt? Ein guter Grund zum Feiern sind beide.
Im Regionalkrimibereich arbeite ich gern mit Gruppen zusammen. In Workshops erarbeiten wir das Grundwissen zum Schreiben von Kurzkrimis, und daraus entstehen dann wunderbare Anthologie-Projekte, wie zum Beispiel "Blutspur durch Elze" oder "Peine - stahlhart & todsicher".
Meine Workshop-Erfahrungen habe ich jetzt in einem ersten "Kürzest-Krimi-Lehrbuch" aufgeschrieben.
Da ich auch sehr gern Fantasy lese, habe ich eine Anthologie mit Drachen herausgegeben und ein Drachenbuch für Kinder geschrieben.
Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern spannendes Lesevergnügen und freue mich auf Begegnungen bei Lesungen.