Sabine Heymann

Alle Bücher von Sabine Heymann

Keinen Eintrag gefunden.

Neue Rezensionen zu Sabine Heymann

Cover des Buches Die Geheimnisse Italiens (ISBN: 9783406658983)
M

Rezension zu "Die Geheimnisse Italiens" von Corrado Augias

M.Lehmann-Pape
Spüren der „Seele“ eines Volkes

Spüren der „Seele“ eines Volkes

Vorweg gesagt, dies ist kein Roman, sondern eine Sammlung von elf Essays, in denen Augias in eleganter, verständlicher und wunderbar daher fließender Sprache dem Leser mittels ausgewählter Literatur, Einblick in die Geschichte mancher Städte und angehaftet an konkreten Persönlichkeiten dem Leser einen tiefen Einblick in die Mentalität Italiens gibt.

„Eine Reise durch Raum und Zeit“, in der Augias immer wieder „Archetypen“ des Landes und der „Lebensform“ vor Augen führt, die sich auch in der Literatur Bahn gebrochen haben.

Nicht umsonst legt Augias dem Leser realativ zu Anfang zwei zentrale Romane Italiens in ihrer Verwobenheit in „das wahre Leben“ vor Augen. Ein „Blick von Innen“, wie er emotional verständlicher nicht sein könnte, um die „Seelen“ vor Augen zu führen.

De Amicis „Herz“ und D´Annunzios „Lust“.

Das eine ein Volksroman des „bürgerlichen“ Italiens mit einer Vielzahl von Personen, welche die verschiedenen Facetten dieser Welt im Land von allen Seiten widerspiegelt. Der „Geist“ der guten Absichten, das politisch Korrekte, der bürgerliche Fleiß. Manchmal ein wenig „blutleer“ und langweilig, was für so manch andere Bewohner des Landes als „No Go“ gilt.

Das andere der Roman der lebensverschlingenden Seite Italiens. Der hedonistischen „Schicht“, der in aller Offenheit diese Lust an der Liebe, am Leben, dieses wankende und schwankende an Trieben und Emotionen bestens auf den Punkt bringt.

Das Land der „Varietekünstler“, der Schamlosen, die über ihre Verhältnisse beständig leben, flüchtige Affären, geraubter Sex, schnelles Lachen, lockere Zunge, „sie wollen Regeln, wir wollen Freiheit“.
Auch eine faszinierende Seite des Lebens (wie sonst wäre die lange Amtszeit Berlusconis zu erklären). Eine Seite, die natürlich öffentlichkeitswirksam im Raum steht, welche die „bunten Seiten“ zu Hauf füllt, dennoch aber nicht die „Mehrheit“ darstellt.

Archetypen zweier Seiten des Landes, das einerseits von Gott „sonnig“ geküsst und kulturell weit herausgehoben vor Augen steht, dass mehr Genies, Künstler, „Seelenmenschen“ wie Franziskus hervorgebracht hat als die meisten anderen Nationen, und das andererseits in sich nie wirklich geeint sich gefunden hat. „Zur Revolution nicht fähig ist“, sondern nur zu kleineren Aufständen, weil der Mut vielleicht fehlt, die Bereitschaft, sich zu opfern oder überhaupt sich Schmerzen zuzufügen. Als „feige“ geltend, und doch zu heroischen Taten auch militärisch in der Lage gewesen. Land der Gegensätze und Widersprüche, ohne Frage

„Alle Vorzüge und Fehler des Landes liegen offen zutage und im Übrigen tun auch die Italiener selbst nichts, um sie zu vertuschen. Das gilt vor allem für die Fehler“.

Eine Bandbreite zwischen Michelangelo, Franziskus und Berlusconi, zwischen „den Tag dahin streichen lassen“ und „Welt-Kunst“, hinter der vor allem Disziplin steckt. Zwischen schnell aufstecken (der Fall Venedigs) und konsequent durchhalten (Galileo). Zwischen Leonardo da Vinci und der Mafia, samt wiederum der mutigen und tapferen Richter, Staatsanwälte und Polizisten, die dagegen unter Lebensgefahr angehen.

Ein Land zwischen industrialisiertem, bürgerlichem Norden (mit der „Hauptstadt“ Mailand) und „Dolce Vita“ (mit der „Hauptstadt“ Rom) und lange Zeit mit vom Orient geprägten Mentalitäten in Sizilien.

Eine Mischung „hunderter Kulturen und Völker“, die es unmöglich macht, von „dem Italiener“ und „dem Italien“ letztgültig sprechen zu können.

Eine rationale Einordnung entzieht sich dem Betrachter und so wählt Augias zwar den rationalen Zugang, vollzieht diesen aber auf der bestmöglichen Ebene für den Leser: Indem er Assoziationen, Emotionen und Wiedererkennungswerte in hoher Zahl wachruft.

Eines wird ganz deutlich im Lauf der Lektüre: Dieses Vorurteil „von außen“, Italien wäre „die Krone der Schöpfung“, der Italiener aber misslungen, „kriminell und schmutzig, korrupt und faul“ kann natürlich nicht sein.
Denn: „die Italiener“ haben Italien geformt in all seinen Widersprüchen und dramatischen historischen Momenten und wiederum hat die Geographie den Menschen mit geformt.

Ein gegenseitiges Bedingen und ein allseitiges „sich reiben“, aber auch befruchten, welches Augias wunderbar je auf den Punkt bringt.

Wer sich in Italien vertiefen möchte, sich hier und da in dieser kaum fassbaren, prallen Vielfalt an Kultur, Geschichte und Mentalität bereit ist, zu verlieren, der ist mit diesem hervorragend geschrieben und sachlich fundierten Buch bestens bedient.

Cover des Buches Zorngebete (ISBN: 9783803132482)
paralipomenas avatar

Rezension zu "Zorngebete" von Saphia Azzeddine

paralipomena
Überraschend, sensibel, gut!

Jbara ist 16 Jahre alt und wächst in einem kleinen maghrebinischen Dorf "am Arsch der Welt" unter ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr Leben wird bestimmt von ihren Schafen, ihrer Vorliebe für Granatapfeljoghurt, für den sie den Hirten Miloud mit Sex bezahlt, und ihren Zwiegesprächen mit Allah. Eines Tages wird ihr Alltag jedoch jäh unterbrochen, als von dem Bus, der zwei Mal wöchentlich Touristen durch ihr Dorf in die nächstgrößere Stadt transportiert, ein Koffer herunterfällt -- ein Koffer voll mit westlichen Kleidungsstücken und Bargeld. Als die ungewollt schwangere Jbara nun von ihrer Familie verstoßen wird, macht sie sich mit ihrem Koffer auf in die Stadt, um dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie arbeitet als Haushälterin, muss Vergewaltigungen ertragen und verdingt sich schließlich als Prostituierte: "Ich bin jetzt eine Geschäftsfrau, und mein Körper ist mein Büro".

Was mich beim Lesen fasziniert hat, ist die sprachliche Gestaltung des Textes, die einen sofort in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt. Es handelt sich hier um einen Bildungs- und Emanzipationsroman mit einem ganz besonderen Tonfall: Vulgär, derb, zynisch, schonungslos, teilweise mit subtiler Komik versetzt. Jbara berichtet von allem, was ihr widerfährt, mit schonungsloser Offenheit: "Ich werde keine Poesie hineinlegen, wo keine ist", schreibt die Protagonistin. "Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich arm bin. Das Elend stinkt nach Arsch." Die derbe Ausdrucksweise wird gezielt eingesetzt und bestimmt keinesfalls den ganzen Roman, sodass auch sehr eingängige, sensible Passagen ihren Platz finden. Auf nur einer Seite wird geschildert, wie Jbara in einer dreckigen, dunklen Straße ihr Kind zur Welt bringt und es einfach dort liegen lässt; die Schilderung trifft den Leser mit einer Wucht, die noch viele Seiten lang nachwirkt.

Schonungslos sind auch Jbaras Zwiegespräche mit Allah, welche die eigentliche Handlung immer wieder unterbrechen und eine tabufreie Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau im Islam darstellen, die in dieser Form bisher vermutlich einmalig ist. Beeindruckend ist, wie Jbara sich zwar einerseits für die radikale Selbstbestimmung der Frau einsetzt, gleichzeitig aber auch einen lebensnahen, entspannten und zwanglosen Umgang mit Religion thematisiert. Sie zeigt, dass selbständiges Denken und Handeln nicht im Widerspruch zum Glauben stehen. Kurzum ein ehrlicher, provizierender und zugleich sensibler Roman, der die Rolle der Frau im Islam auf eine völlig neue Weise beleuchtet. Sehr lesenswert!

Cover des Buches Zorngebete (ISBN: 9783803132482)
Juanas avatar

Rezension zu "Zorngebete" von Saphia Azzeddine

Juana
Raus aus dem Ziegenlederzelt

„Ich nehme es Allah ein bisschen übel, dass er mich in diesem Rattenloch verfaulen lässt. Rechts sind Berge, links sind Berge. Und in der Mitte sind wir, unser Ziegenlederzelt und unsere Schafherde.“ Die 16-jährige Jbara sagt von sich, sie könne nicht anders als schimpfen, denn das sei in ihrer armen, ignoranten Familie, in der alles haram ist, der normale Ton. So ist die Sprache im Bildungsroman „Zorngebete“ der Marokkanerin Saphia Azzeddine entsprechend ungezwungen, derb und unsentimental. Jbara ist eine Kämpferin und nicht bereit, auf alles zu verzichten, vor allem nicht, seit sie zum ersten Mal Granatapfeljoghurt gekostet hat, den sie für ein bisschen Sex bekommen hat. Als sie schwanger wird, beginnt ihr zweites Leben in der Stadt als Scheherazade.

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks