Heute mal eine Rezension über ein fast fertig gelesenes Buch. Warum fast fertig Gelesenes? Ich glaube, weil ich am Ende von meinen eigenen Gefühlen überrannt wurde und mich irgendetwas beim Lesen immer wütender hat werden lassen.
Zuerst einmal, Frau Mehne ist eine tolle, sehr mutige Frau, die eine Krebserkrankung überstanden hat und für sich aufgrund der Nachwirkungen beschlossen hat ihr Leben irgendwann einmal durch Sterbefasten zu beenden. Die Auseinandersetzung mit der Selbstbestimmtheit in ihrer Erkrankung, ihrem Leben aber auch der Auseinandersetzung ihres eigenen Sterbens hat mich sehr beeindruckt.
Dieses Buch erschien 2019, also ein Jahr vor der neuen Gesetzesgebung zum selbstbestimmten Sterben im Februar 2020.
Frau Mehne hat ein Buch geschrieben, dass fachlich sehr viel und ein sehr fundiertes Wissen verbreitet. Sie hat sich viel angelesen und mit Experten auseinandergesetzt. Und für sich entschieden ihr Leben durch Sterbefasten beenden zu wollen.
Und ich glaube genau an dieser Stelle, kam dann der Punkt, der mich immer mehr gestört hat. Es ist angelerntes Wissen, aber es ist keine Erfahrung. Als sie das Buch schrieb, war sie mindestens 3 Jahre vor diesem Weg des Sterbefasten weg. (Wenn ich richtig recherchiert habe und sie heute noch aktiv ihren Internetaccount betreibt.) Ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, sie springt zwischen Lehrende und Betroffene, von der sie beim Schreiben aber noch weit weg war, auf ihrem Weg und das hat das für mich unauthentisch gemacht.
Sie beschreibt bis ins kleinste Detail, wie ihr Sterben beim Sterbefasten mal sein wird oder sein kann und mir war das zu konstruiert. Nach über 5 Jahren Begleitung Sterbender und auch Begleitung von Menschen, die sich für den Nahrungsverzicht und Flüssigkeitsverzicht entschlossen haben, bin ich der Meinung, sterben ist ein Prozess, keine Konstruktion. Es ist wichtig, dass wir uns vorher Gedanken machen. Es ist wichtig, dass wir Dinge regeln, aber ich glaube dann ist es wichtig, sich auf den Prozess einzulassen. Frei zu sein zu fühlen, Entscheidungen dann zu treffen wann sie sich anbahnen. Ich glaube niemand kann sein Sterben komplett vorkonstruieren. Mir ging das bis ins kleinste Detail beschriebene und anerlesene Planen wie ihr Sterben irgendwann einmal ablaufen wird, zu weit. Für mich war Frau Mehne noch zu weit in der Rolle der Lehrerin mit einem großen Fachwissen und einer großen Portion Selbstexperiment (Sie probiert zum Beispiel das Windeltragen, um darauf vorbereitet zu sein, die Eiswürfel und Präparate zur Mundpflege), aber ich glaube es macht einen Unterschied, ob man sich lange Zeit bevor man in diesem Stadium ist in eine Rolle reinversetzt oder durch den Prozess am Lebensende dann in diesem Stadium ist. Sie schreibt auch Anweisungen, dass man ihr kein Trinken gibt, sollte sie sich während des Fastens umentscheiden. Ich habe Menschen mitbekommen, die sich umentscheiden haben und auch das war dann richtig. In diesem Moment für diese Menschen.
Ich habe das Buch an dem Punkt erstmal weggelegt, an dem sie sich überlegt, ob sie im Sterbeprozess Rasselatmung oder Schnappatmung haben wird und das meditativ mal ausprobiert.
Ich glaube, wir können viel für unser Lebensende organisieren und wir können vorab wichtige Dinge entscheiden, aber dann sollten wir aufhören zu konstruieren und uns auf den Prozess einlassen. Sonst ist das, wie wenn man oben an einer Leiter steht und anderen lehren will, wie es ist, wenn man den Fuß nach der letzten Sprosse auf den Boden setzt.
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