Sabine Nagel ist mit dem vorliegenden Buch eine gelungene Fortsetzung gelungen, die einerseits direkt anknüpft an dem Vorgängerbuch "Weil du es bist", andererseits auch als alleinstehendes Buch gut funktionieren kann. Interessierten Lesenden würde ich dennoch zunächst das Lesen des Vorgängerbuchs empfehlen.
Fredi und Sascha gehen gereifter und reflektierter in ihre zweite Chance, die sich ihnen direkt zu Beginn des Buches bietet. Sie wollen den Schmerz gemeinsam aushalten, ihn nicht ausblenden oder voreinander verbergen. Und Sascha ist bereit, Fredi sein altes Zuhause zu zeigen. Dazu gehören nicht nur seine Eltern, sondern auch der Besuch eines Dorfes, deren Bewohnenden Sascha noch als athletischen, lebensfrohen und enthusiastischen Fußgänger erlebt haben. Viele sind überfordert und auch alte Bekannte, Expartnerinnen und Freund*innen verursachen in Sascha Triggerpunkte. Ist Fredi wirklich bereit, den Schmerz mit Sascha auszuhalten?
Ich habe das Vorgängerbuch geliebt und ich liebe es immer noch sehr, was ich an der Fortsetzung aber wirklich sehr schätze, ist die Tatsache, wie sehr Fredi gereift ist. Sie war im ersten Teil teilweise sehr naiv, fordernd und hat ausgeblendet, wie viel Sascha verloren hat. Das hat mir teilweise richtig weh getan - für Sascha. Damit will ich nicht aussagen, dass Fredi schlecht geschrieben ist, sondern, sie war tatsächlich noch sehr jung, als sie Sascha kennengelernt hat - vielleicht zu jung, wie ihre Mutter behauptet? Nun ist sie etwas älter und die Lesenden wissen sofort: Diese junge Frau liebt ihren Sascha und sie ist an seiner Seite gereift, hat aber auch die Zeit ohne ihn für ihre Persönlichkeitsentwicklung genutzt. Ihr Reifungsprozess wirkt sehr natürlich und nie übereilt.
Auch Sascha ist reifer geworden. Er war es bereits im ersten Teil, zum Einen, weil er älter als Fredi ist, zum Anderen weil er natürlich notgedrungen durch den Schicksalsschlag, den er erlitten hat, bereits viel Arbeit in sich selbst stecken musste. Doch auch er befand sich noch im Angewöhnungsprozess, saß noch nicht lange im Rollstuhl. Das hat er versucht zu verbergen. Jetzt weiß er: Er sollte Fredi die Chance geben, daran teilzuhaben. Denn erst dann kann auch sie die Herausforderung begreifen und angehen! In der Mitte des Buches ist sein Schmerz so groß, dass es mich als Lesende herausgefordert hat, da es sehr aufwühlend war. Erneut keine Kritik an der Figurenzeichnung, sondern ein sich natürlich anfühlender und nachvollziehender Defizit im Charakter.
Was der Autorin definitiv besser gelungen ist, sind die Nebenfiguren. Saschas alte Freunde, seine Exfreundin, aber auch Fredis Clique und die Familien der beiden fügen sich sehr gut in das Figurenensemble und halten die Geschichte lebendig. Ich fand es einfach unglaublich bewundernswert, wie fair die Autorin mit den Figuren umgeht. Nicht alle reagieren richtig oder korrekt, viele machen Fehler, sind sogar diskriminierend und hadern mit ihrem eigenen Verlust, aber sie sind voller Tiefe gezeichnet und wirken wunderbar lebendig. Das hat mir sehr sehr gut gefallen. Fredi und Saschas Geschichte ist keine Second Chance Geschichte, die in einem Vakuum stattfindet, sondern Fredi und Sascha sind Teil ihrer Umgebung, ihres Alltags, ihrer Lebensumstände. Sehr gut gemacht!
Was mich etwas gestört hat, waren die Länge zu Beginn der Geschichte. Man merkt der Autorin ein wenig an, dass sie den Figuren ein wenig Ruhe gönnen möchte, bevor die Konflikte einsetzen, vergisst dabei aber möglicherweise, dass ein paar Alltagsszenen die gesamte Handlung in die Länge ziehen.
Was Lesende wissen sollten: Das ist hier ein Entwicklungsroman. Wir erleben ganz viel von der persönlichen Entwicklung der Haupt- und teilweise auch Nebenfiguren, aber keinen spannungsgeladenen Plotbogen. Mir persönlich hat das sehr gut gefallen. Teil sein zu dürfen, wie die beiden Menschen unabhängig, aber vor allem miteinander und aneinander wachsen, hat mir sehr gut gefallen.
Ich würde mich unglaublich freuen, noch mehr von Sascha und Fredi lesen zu dürfen. Die beiden in ihrer weiterer Entwicklung begleiten zu dürfen. Gerne auch die Nebenfiguren noch etwas besser kennenlernen zu dürfen. Deren Sicht auf die Handlung kennenzulernen, ihre Entwicklung mitzuerleben. Das ist definitiv nicht das letzte Buch von Sabine Nagel, welches ich gelesen habe, und es ist ganz ganz sicher auch nicht das letzte Mal, dass ich "Weil du es bist" und "Weil wir zusammen leuchten" gelesen habe. Ich kann das Buch wirklich jedem empfehlen und würde mich freuen, wenn ich den einen oder die andere neugierig gemacht habe. ABER. Kurzer Einwand: Lest zunächst "Weil du es bist". Ja, "Weil wir zusammen leuchten" ist noch etwas besser gelungen und ja, das kann unabhängig gelesen werden, aber der Beginn der Geschichte von Sascha und Fredi ist einfach genauso empfehlenswert.
Ich vergebe 4,5 Sterne, die nur ganz knapp an dem fünften vorbeischrammen. Vielen Dank an Sabine Nagel!