Dieser Roman umfasst gleich mehrere Jahrzehnte bewegter iranischer Geschichte. Er erzählt von den Aktivisten, die sich Anfang der 80er Jahre gegen das Regime auflehnten und dafür im Gefängnis ein Martyrium ertragen mussten, dass nicht selten mit ihrem Tod endete. Gleichzeitig handelt er von deren Kindern, die ihre Eltern oft erst nach mehreren Jahren oder gar nicht kennenlernen. Sie müssen einen Weg finden, die Vergangenheit zu bewältigen, während sie in der Gegenwart selbst täglich mit Gewalt konfrontiert sind.
Ich finde es immer spannend, Romane zu lesen, in denen brisante politische Themen literarisch verarbeitet werden. Und da die Unruhen im Iran bis zum heutigen Tag andauern, man in den Nachrichten aber eher wenig darüber erfährt, hat mich dieses Thema sofort gereizt. Allerdings wurde mir beim Lesen schnell klar, dass die Autorin doch ein bisschen Wissen über die jüngere iranische Geschichte voraussetzt. Ohne diese Vorkenntnisse fiel es mir teilweise schwer, die erwähnten politischen Ereignisse nachzuvollziehen. Hier wäre es gut gewesen, noch ein paar handfeste Informationen zu liefern anstatt nur vager Andeutungen.
Trotzdem hat der Roman einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Er liefert schockierende Einblicke in das tägliche Leben im Iran, sowohl damals als auch heute. Es ist aufrüttelnd, wie schlecht Menschen dort in der Vergangenheit behandelt wurden und immernoch werden. Und die Unterdrückung von politischem Widerstand ist leider ein Thema, das zu jeder Zeit aktuell ist. Auch das Gefühl, in ständiger Angst zu leben, wird für den Leser greifbar. Besonders wenn man in einem so sicheren Land wie Deutschland lebt, dann vergisst man leicht, wie kostbar diese Sicherheit eigentlich ist.
Die Autorin beschäftigt sich sowohl mit heutigen jungen Iranern als auch mit deren Elterngeneration. Das bereichert einerseits den Roman, weil dadurch Parallelen zwischen der Situation damals und heute aufgezeigt werden. Andererseits verzichtet Delijani dafür darauf, eine wirklich durchgehende Geschichte zu erzählen. Die Kapitel sind nur Momentaufnahmen aus dem Leben unterschiedlichster Figuren. Der Roman wäre aber wahrscheinlich eindringlicher und berührender, wenn er ausführlich über wenige Personen berichten würde. So wird man jedoch einfach mit zu vielen Figuren und Schicksalen konfrontiert. Weil jedes Kapitel andere Protagonisten hat, hat man gar keine Gelegenheit, sich wirklich mit einer Figur zu identifizieren. Außerdem fand ich es schwierig, bei den Verwandschaftsbeziehungen den Überblick zu behalten.
Ein weiteres Manko ist, dass der Schreibstil selbst für einen Debütroman nicht besonders gut ist. Man merkt, dass die Autorin krampfhaft versucht, poetisch zu sein. Letztendlich wirkt es aber oft zu dick aufgetragen, kitschig und melodramatisch.
Ein Roman mit einer starken Botschaft, leider schlecht umgesetzt.
Sahar Delijani
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Kinder des Jacarandabaums
Kinder des Jacarandabaums
Children of the Jacaranda Tree
Neue Rezensionen zu Sahar Delijani
Bewegendes Buch über Geburt in Gefangenschaft im Iran und Freiheit im Exil.....
"Kinder des Jacarandabaums" erzählt die Geschichte einer Lebenswirklichkeit, die von Angst, Verlust, Schmerz und Trauer geprägt ist, aber auch Liebe, Vertrauen und Mut birgt – und vor allem eines: Hoffnung.
Der Roman beginnt mit den Ereignissen um Nedas Geburt im Gefängnis von Teheran. Ihre Mutter Azar, die als politische Gegnerin des Regimes verhaftet wurde, bringt ihre Tochter unter menschenunwürdigen Bedingungen zur Welt. Azar klammert sich an den Strohhalm ihr Kind behalten zu dürfen, doch sie hofft vergebens. Am Ende verliert die junge Frau gegen die Übermacht des Regimes, die kleine Neda wird ihr genommen und wächst bei den Großeltern auf. Behütet unter den Blüten des Jacarandabaums führt das Mädchen eine unbeschwerte Kindheit, bis ihre Mutter zurück kommt und Neda mit der Realität des Lebens im Iran konfrontiert wird.
Die Autorin Sahar Delijani weiß wovon sie schreibt, denn in den Erlebnissen der kleinen Neda spiegelt sich ihre eigene Geschichte wieder. 1983 im Gefängnis von Teheran geboren, lebte sie 13 Jahre in den Wirren der Revolution, bevor die Familie 1996 in die USA emigrierte. Später bat Sahar Delijani ihre Eltern von ihren Erfahrungen im Gefängnis zu erzählen und verarbeitete Erlebtes auch in ihrem Roman.
Die Ereignisse um Nedas Geburt bilden den Auftakt zu einer großartigen Geschichte, die drei Jahrzehnte umspannt. In "Kinder des Jacarandabaums" tauchen weitere Charaktere auf, die innere und äußere Kämpfe ausfechten und auf ihre Art mit der Vergangenheit und der Zukunft umgehen müssen. Mit ihrer poetischen und bildhaften Sprache schafft es Sahar Delijani den Iran und die dort lebenden Menschen in der Vorstellung des Lesers zum Leben zu erwecken und ihn an ihrer Welt teil haben zu lassen.
Im italienischen Turin gipfelt schließlich die Handlung des Romans. Dort treffen in den Figuren Neda und ihrem Freund Reza die beiden Gegenpole der Revolution aufeinander und scheinen sich langsam anzunähern, vielleicht gar mit der Vergangenheit auszusöhnen. Sahar Delijani lebt seit 2006 selbst in Turin, reist aber, wie sie selbst sagt, immer wieder gerne in ihre Heimat, die „so viel Energie und Hoffnung“ ausstrahlt.
Meine Empfehlung: Unbedingt lesen!
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