Salvatore Scibona

 3,3 Sterne bei 4 Bewertungen
Autor*in von Der Freiwillige und Das Ende.

Lebenslauf

Salvatore Scibona, 1975 in Cleveland geboren, ist einer der wichtigsten amerikanischen Autoren der jüngeren Generation. Scibona wuchs im großen Kreise seiner italienischstämmigen Familie auf. Vor allem seine Großeltern, von denen er viele Geschichten erzählt bekam, beeinflussten sein späteres Schreiben. Bereits mit seinem ersten Roman, »Das Ende« wurde er für den National Book Award nominiert. »Der Freiwillige« ist sein zweites Buch. Salvatore Scibona lebt in New York City. Im Frühjahr 2021 wurde er mit dem Preis der American Academy of Arts and Letters ausgezeichnet

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Salvatore Scibona

Cover des Buches Der Freiwillige (ISBN: 9783827013835)

Der Freiwillige

 (3)
Erschienen am 03.05.2021
Cover des Buches Das Ende (ISBN: 9783716026403)

Das Ende

 (1)
Erschienen am 16.01.2012

Neue Rezensionen zu Salvatore Scibona

Cover des Buches Der Freiwillige (ISBN: 9783827013835)
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Rezension zu "Der Freiwillige" von Salvatore Scibona

Väter, Söhne, Kriege
evaczykvor 3 Jahren

In seinem Mehrgenerationenroman "Der Freiwillige" schafft es Salvatore Scibona gleich mehrfach, seine Leser mit immer neuen Wendungen zu überraschen und dem Text eine neue Richtung zu geben. Das beginnt schon mit der Hauptfigur. "Der Freiwillige" startet in der Gegenwart, auf dem Hamburger Flughafen: Ein kleiner Junge, bitterlich weinend, wird auf einer Flugzeugtoilette gefunden. Das Kind spricht kein Deutsch, weigert sich, seinen Namen zu nennen und nachdem niemand den Suchaufrufen gefolgt ist, scheint die Schlussfolgerung naheliegend, dass es hier ausgesetzt wurde. Also ein Buch über das Schicksal dieses Kindes?

Nicht wirklich - als Leser weiß man zu diesem Zeitpunkt schon mehr als die Figuren des Buches. Der kleine Junge heißt Janis, Sohn einer estnischen Kellnerin und des amerikanischen Soldaten Elroy, der an allen möglichen Fronten in Krieg gegen den Terrorkämpft. Das Kind sieht er nur unregelmäßig, die Beziehung ist längst auseinandergebrochen. Doch nun will die Mutter des jungen ein neues Leben in Spanien beginnen und Elroy soll den Jungen nehmen. Also doch eher ein Buch über einen Soldaten mit einer Vorgeschichte von Drogen und Gewalt?

Erst wenn Elroy, alleine, im Haus seines Vormunds Tilly in New Mexico ankommt und ein weiterer Rückblick dessen Kindheits-Spitznamen "Vollie" für Volunteer erläutert, wird klar: Hier ist die zentrale Figur eines Textes, in dem es um Vater-Sohn-Beziehungen, um echte und falsche Identitäten und um Weichenstellungen geht. Denn Tilly, einziger Sohn alter Eltern, hat mehr als ein Leben gelebt, nachdem er als minderjähriger Teenager mit  gefälschter Unterschrift seines Vaters zu den Marines ging und prompt in den Vietnamkrieg geschickt wurde.

Die Schrecken des Krieges bleiben abstrakt, sowohl das, was der Volunteer erlebt als auch das, was   die Amerikaner in dem südostasiatischen Land einrichten. Als der junge Soldat, der damals noch einen anderen Namen trägt, in Kambodscha an einem verdeckten, inoffiziellen Einsatz teilnimmt, wird er gefangengenommen, schafft es mehr als ein Jahr lang in den Tunnelverstecken zu überleben, während seine beiden Mitgefangenen sterben. Diese Überlebensqualitäten wecken das Interesse einer Organisation, die vage bleibt, aber nachrichtendienstlich unterwegs ist. Als sie den jungen Unteroffizier anwerben, ist für ihn die verlockendste Aussicht die einer neuen Identität, eben als Tilly.

Letztlich verrät der Autor nicht, warum Tilly sich so konsequent von seiner alten Identität trennen will,  warum er um jeden Preis die Anonymität sucht, Spuren zu vermeiden versucht. Der knorrige Mann ist auf jeden Fall eine Figur, die in Erinnerung bleibt, eindrücklicher und prägnanter gezeichnet als Elroy, dessen Ziehvater er wird, als er die Kommune eines alten Kriegskameraden sucht. Auch Elroys Gewaltproblem bleibt letztlich unaufgeklärt, hat er doch seine Kindheit in einer von freier Liebe und Gewaltlosigkeit geprägten Welt verbracht.

Der Kreis zwischen den Generationen scheint sich zu schließen, als ein Priester des Waisenhauses, in dem der kleine Janis heranwächst, einen Brief an Tilly schreibt, nach langer Recherche und Abgleich von Passagierlisten. Doch dann kommt wieder alles ganz anders....

Mit "der Freiwillige" hat Scibona einen manchmal verstörenden, immer wieder überraschenden Roman mit einem ruhigen Erzählfluss geschrieben. Man muss sich angesichts der immer neuen Wendungen schon intensiv auf diesen Text einlassen, sollte das Buch nicht mal eben nebenher zwischen Haltestellen im Bus lesen. Sprachlich beeindruckt er immer wieder mit Details der kleinen Dinge, die eine geradezu magische Atmosphäre schaffen, den Geschmack des Wassers oder den Geruch eines Holzfeuers greifbar machen. Ein Buch voller Überraschungen.


Cover des Buches Der Freiwillige (ISBN: 9783827013835)
Lia48s avatar

Rezension zu "Der Freiwillige" von Salvatore Scibona

Fängt stark an, verliert aber dann an Spannung und Struktur
Lia48vor 3 Jahren

„Jede Vorstellung davon, was es heißt, sich eigene Gedanken zu machen, haben sie dir mit Prügel und Gebrüll und Demütigungen ausgetrieben.“

INHALT:
Hamburg, 2010: Ein etwa 5-jähriger Junge steht allein und weinend am Gate eines Flughafens. Die Jacke ist zu klein und mit Isolierband geflickt.
Die Flughafenmitarbeiter verstehen seine Sprache nicht und suchen vergeblich nach seiner Begleitperson…

Vollie Frade ist ursprünglich bei seinen Eltern auf einer großen Farm in der Prärie Iowas aufgewachsen. Doch seine Vergangenheit wurde auf dem Papier ausgelöscht. Bei seinen Einsätzen beim United States Marine Corps, welche ihn u. a. in den Vietnamkrieg führten, hat er viele Menschen sterben sehen. Nach seiner Gefangenschaft war nichts mehr wie vorher. Denn nun war er Dwight Elliot Tilly und hatte einen neuen Auftrag...

MEINUNG:
Der Anfang des Buches war eine Wucht! Mit dramatischen Kinderschicksalen sichert man sich meine Aufmerksamkeit fast immer. Zumindest wenn diese authentisch wirken, was hier der Fall war.
In mir kam großes Mitleid mit dem etwa 5-jährigen Janis auf, der von seinem Vater, den er kaum kennt, in einem fremden Land mit fremder Sprache am Flughafen ausgesetzt wird. Seine Mutter hatte ihm erzählt, sie würde in den Urlaub fahren und hatte sich stattdessen aus dem Staub gemacht.
Ich war wütend auf die Eltern, besonders auf Elroy - wie kann man als Vater so verantwortungslos handeln?!? Selbst den Koffer seines Sohnes mit dessen letzten persönlichen Gegenständen, wirft er einfach weg, als hätte er kein Herz…
Leider nimmt die Handlung um Janis in dem 560-seitigen Buch einen verhältnismäßig geringen Platz ein.

Über Elroy erfährt man schon recht bald, dass er mit Haftstrafen und Drogen in Berührung kam und in die Armee eingetreten ist.

Im Vordergrund des Buches steht jedoch das Leben von Elroys Vormund Vollie Frade, dessen Geschichte viel Platz einnimmt. Zugegeben, von Schießereien im Krieg lese ich sonst selten detaillierter, aber ich bekam mal einen anderen Einblick. Sein Einsatz im Krieg und seine Gefangenschaft empfand ich als spannend geschildert, sodass ich diese Ereignisse interessiert verfolgt habe.
Es wurde mir nochmals eindrucksvoll bewusst gemacht, wie die Marines emotional abgehärtet und nur darauf ausgebildet wurden, Befehle zu befolgen und zu funktionieren, ohne selbst nachzudenken. Das fand ich beeindruckend aber auch traurig und eine eigentlich eine schreckliche Vorstellung.

Bei den Erzählungen rund um die Kriegseinsätze war der Ton etwas rauer, was für mich gut zum Inhalt gepasst hat.
Später wurde mir die Erzählweise dann aber oft zu vulgär, wobei ich da auch etwas sensibel bin.

Leider nimmt Janis in dem 560-seitigen Buch einen verhältnismäßig geringen Platz ein. Über seine Situation hätte ich gerne noch mehr gelesen, weil ich diese Seiten so bewegend fand. Und auch Vollie Frades Zeit in Krieg und Gefangenschaft waren wirklich spannend geschildert.
Doch danach hätte sich der Autor für mein Befinden gerne kürzer fassen dürfen, es kamen leider so viele Längen und kaum noch Spannung beim Lesen auf.
Zudem verlief für mich die Handlung später etwas zu chaotisch. Ich hätte ich mir ab ca. der Hälfte des Buches mehr Struktur beim Inhalt und bei den Erzählperspektiven gewünscht.

FAZIT: Ein starker, emotionaler Anfang mit einem am Flughafen ausgesetzten Jungen, ein spannender Einblick in Kriegseinsätze und Gefangenschaft, aber danach folgten leider viele Längen. Außerdem war mir die Erzählweise später etwas zu vulgär und ich hätte mir mehr Struktur gewünscht. Daher 3/5 Sterne!

Cover des Buches Das Ende (ISBN: 9783716026403)
Marapayas avatar

Rezension zu "Das Ende" von Salvatore Scibona

Little Italy
Marapayavor 9 Jahren

Diesmal kann ich mir nicht recht erklären, was los war. Normalerweise lese ich ein Buch pro Woche, manchmal schaffe ich sogar zwei. Ich lese sie in meinem Tempo, will meine Auserwählten nicht überfliegen oder sie durchhetzen. Manchmal diktiert mir ein Buch auch das Lesetempo, meistens eher Richtung Galopp als gemütlicher Trab. Aber bei Salvatore Scibona habe ich den Rekord der Langsamkeit aufgestellt und dabei das Gefühl, als wäre das pure Absicht des Buches.

Scibonas Figuren leben in Ohio. Elephant Park heißt das Viertel ihrer namenlosen Stadt. Die Gegenwart ist 1953, teilweise geht die Erzählung aber bis auf 1913 zurück. Es ist keine einfach gestrickte Handlung mit einem Anfang und einem Ende. Vielmehr sind es eine Handvoll Charaktere, die in diesem Viertel zusammenleben, sich ihrer Einwanderervergangenheit erinnern und sich in der Gegenwart von 1953 an einigen Punkten wissentlich und unwissentlich berühren. Rocco, der Bäcker des Viertels, Vater von drei Söhnen, 12-Stundentage, 7-Tage-Wochen und nie Geld in der Tasche. Die Frau sucht sich in der Ferne Arbeit, die Söhne gehen mit. Er bleibt allein zurück und backt Brot und Brötchen für das Gestern von Morgen. Elephant Park wird nicht reicher, sondern ärmer. Die Kunden haben nur Geld für das günstigere altbackene Brot von gestern. Als Rocco die Kunde vom Tod seines Sohnes als Kriegsopfer in Fernost erfährt, bleibt der Laden zum ersten Mal in seinem Bäckerleben geschlossen. Die Geschichte des Bäckers ist nur ein Nebenstrang, aber sie steht sinnbildlich für viele Bewohner des Elephant Parks. Es sind Einwanderer, vor allem aus Italien. Sie sprechen italienisch, jeder in dem Dialekt seines Heimatortes. Selbst nach Jahrzehnten ist Englisch ihnen fremd. Auf der Suche nach dem besseren Leben sind sie nach Amerika gekommen und in Ohio gelandet. Harte Arbeit, wenig Geld, wenig Bildung. Die erste Generation kann teilweise nicht einmal lesen. Es ist eine durch und durch fremde Welt für mich. Bildfetzen aus alten amerikanischen Filmen der 50er Jahre blitzen beim Lesen in mir auf und bilden merkwürdige Koppelungen zwischen dem mondänen New York dieser Zeit und den Western der 50er, die aber alle 70 Jahre früher spielen. Der Pate kommt mir erst jetzt beim Schreiben in den Sinn, aber ja, es ist wie eine verzerrte Spiegelung von Marlon Brando und Al Pacino im Dreireiher und letzterer mit Schirmmütze auf dem Kopf. Die Mafia spielt allerdings bei Scibona keine Rolle. Er ist mir thematisch viel näher bei Harper Lee, sicherlich der aktuellen Diskussion um die Neuentdeckung ihres zweiten Buches und den Fall des Atticus Fink geschuldet. Zwischen den Zeilen von „Das Ende“ wird permanent der Rassenhass thematisiert. Farbige erscheinen zwar immer nur am Rande der Menschen von Elephant Park, aber Scibona schreibt eine undefinierbare Abscheu vor ihnen in die Köpfe seiner Figuren. Gleichzeitig erzählt er von einem Viertel, dass von Einwanderern bevölkert wurde. In der Frage der Schwarzen halten plötzlich die europäischen Einwanderer alle zusammen. Die jährliche Prozession zu Maria Himmelfahrt, der alle im Viertel entgegenfiebern, wird jäh abgebrochen, weil einige Farbige am Rande des Zuges selbstvergessen tanzen. Es ist vor allem aber auch die Thematisierung von einsamen Menschen, die zusammen leben. Scibona blickt in ihre Köpfe, lässt mich Leser teilhaben an den verqueren Gedanken und Ideen, dem Gefühl außen und innen würde nicht zusammenpassen. Alle Stränge führen schließlich am Festtag Maria Himmelfahrt zusammen. Der weite Bogen vom Bäcker Rocco über Mrs Marini und Lina, Enzo, Ciccio und den Juwelier war nötig, um die Momentaufnahme des 15. August 1953 vollkommen zu machen. Ein Tag der Entscheidungen und das Ende der Geschichte.

„Das Ende“ ist ein anstrengendes Buch. Es sind nur eine Handvoll Figuren, aber über jede wird in sich so komplex und doch rätselhaft erzählt, dass ich nur in kleinen Happen lesen konnte und mich auch nach Beendigung der Lektüre nicht entscheiden kann, welcher Tenor dem Buch zugrunde liegt. Hochaktuell ist es in jedem Fall, dazu brauche ich nur die Tageszeitung aufschlagen. Sind es also immer wieder die gleichen Themen, die uns bewegen, uns Angst machen, unseren Hass heraufbeschwören?



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