Sam Pivnik

 4,8 Sterne bei 107 Bewertungen
Autorenbild von Sam Pivnik (©WBG Verlag)

Lebenslauf

Sam Pivnik wird am 1. September 1926 in Będzin geboren. Als die Wehrmacht in der Stadt einmarschiert, ist Sam gerade einmal 13 Jahre alt und heißt noch Szlamek. Er und seine Familie werden in das Konzentrationslager in Auschwitz gebracht. Seine Eltern, seine jüngere Schwester und seine drei Brüder werden sofort nach der Ankunft ermordet. Seine ältere Schwester stirbt wenige Tage später in den Gaskammern. Einzig Sam überlebt. Er überlebt die Konzentrationslager Auschwitz und Fürstengrube, er überlebt den Holocaust und den Schiffsbruch des Flüchtlingsschiffes Cap Arcona. Er lebt fortan in London, zuletzt in einem jüdischen Seniorenheim. Am 30. August 2017, nur zwei Tage vor seinem 91. Geburtstag, stirbt Sam Pivnik. Ihm war immer klar, dass er seine Geschichte eines Tages erzählen muss, am besten offiziell in schriftlicher Form. Denn wie Edmund Burke einmal sagte: „Diejenigen, die ihre Geschichte nicht kennen, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Deswegen hofft Sam Pivnik, dass seine Geschichte auch nach seinem Tod weiterleben wird.

Alle Bücher von Sam Pivnik

Cover des Buches Der letzte Überlebende (ISBN: 9783534273317)

Der letzte Überlebende

 (106)
Erschienen am 24.02.2021
Cover des Buches Survivor (ISBN: 9781444758399)

Survivor

 (1)
Erschienen am 06.06.2013

Neue Rezensionen zu Sam Pivnik

Cover des Buches Der letzte Überlebende (ISBN: 9783534273317)
TanteGhosts avatar

Rezension zu "Der letzte Überlebende" von Sam Pivnik

Lesenswerter als manch anderer Bericht
TanteGhostvor 2 Jahren

Ein Tatsachenbericht ohne Rachegelüste oder Anklage. Eindrücklich beschriebene Geschichte.


Inhalt: Sam Pivnik lebt als Sohn einer jüdischen Familie in Bendzin. An seinem 13. Geburtstag marschiert die Wehrmacht in Polen und somit auch in dem Städchen ein.

Sam, der als Szlamek geboren wurde, erzählt seine Erlebnisse unter den Besatzern. Wie die Familie erst vertrieben, dann deportiert und getrennt wurde. Wie er selber Selektionen um Haaresbreite überstanden hatte, wie er das Überleben gelernt hat und noch einige Dinge mehr.

Ein schreckliches Familienschicksal von vielen, was mich tief ergriffen gemacht hat.


Fazit: Schon das Cover lässt absolut nicht im Dunkeln, um w as es in dieser wahren Geschichte geht. Ein Kind in Häftlingskleidung läuft auf Schienen ganz eindeutig auf ein KZ zu. Schon dieses Bild lässt mir die Atmosphäre diverser Gedenkstätten wieder in schauderhafte Erinnerung kommen. – Wenn Sam das wirklich als Kind überlebt hat, dann muss er ein unheimlich starker Mensch sein.


Die Danksagung ist hier am Anfang des Buches. Normalerweise lese ich die nicht, aber in diesem Fall habe ich es getan. Und schon hier liefen mir Schauer über den Rücken. Ging doch daraus hervor, dass er trotz allem eine Familie gründen konnte. – Für mich in diesem Fall ein unheimlich starkes Symbolbild.

Zum Einstieg geht es gleich in die Volle. Auschwitz ist das betreffende Lager und der Protagonist arbeitet an der Rampe. Er ist krank, will aber nicht ins Krankenlager. Mengele treibt da sein Unwesen. Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen. – Von diesem Krankenlager aus erzählt er dann quasi seine Geschichte.

Sam Pivnik ist heute nicht mehr am Leben. Aber er wurde sehr alt. Und wenn man dann bedenkt, dass seine Kindheit sozusagen an seinem 13. Geburtstag beendet war, ist das für mich genau genommen schon eine gewaltige Leistung.

Sam erzählt in einem angenehmen Tempo von seinen Erlebnissen, von und durch die Nazis. Wie die Familie ihrer Rechte und Freiheiten beraubt wurde. Wie sie die Großmutter durch eine erste Selektion verloren, wie sie nach Auschwitz kamen und Sam von seiner Familie getrennt wurde. Es folgen die Erkenntnisse im Lager und hier habe ich seine Leidens- und Lernfähigkeit bewundert.

Die Ereignisse im gelobten Palästina waren für mich persönlich nicht so interessant, aber sie gehörten zu seinem Leben. Am Ende ist er hier von einem Krieg direkt in den nächsten gestolpert. – Was sich ein Mensch doch selber alles antut.

Am Ende habe ich aufgeatmet. Trotz des tragischen Schicksals hat er sein Leben noch halbwegs gemeistert. Die Geister der Vergangenheit werden ihn nie so wirklich verlassen haben, aber er hat sich durchgebissen.


Das Buch kam in einem sehr angenehmen Verlagsstandart daher, an dem ich nichts ändern musste. Ich konnte direkt mit dem Lesen loslegen, ohne noch großartig etwas verstellen zu müssen.

Zum angenehmen Lesen kommt auch der ehrliche Erzählstil von Sam daher. Er erzählt die Dinge eben so, wie sie gewesen sind. Er schmückt nicht aus, er macht nichts schrecklicher, als es wirklich gewesen ist und er kommt größtenteils ohne Vorwürfe aus. Die Wut auf einzelne Personen ist sehr gut nachvollziehbar und absolut verständlich, aber er kommt jetzt nicht so rüber, als würde er alle Deutschen abgrundtief hassen, weil eben das passiert ist, was passiert ist.

Die ganze Zeit hatte ich ein sehr reales Kopfkino. Und da waren es keine Szenen aus diversen Filmen, die zu diesem Thema gedreht worden sind. Sondern wirklich die Bilder, die ich mir laut dem Lesestoff so konstruiert habe. Es war wohl auch deswegen, dass ich die ganze Zeit durch eine wirklich morbide Faszination an das Buch gefesselt war und kaum davon lassen konnte. Ich habe immer wieder schlucken müssen, ich hatte Schauer ohne Ende, die mir über den Rücken geronnen sind, aber ich konnte einfach nicht aufhören mit Lesen.

Jap, ich habe bei diesem Buch Dauerlesen gemacht und war dann auch dem entsprechend schnell durch. Ich habe mit Sam, seiner Familie und den anderen, sofern sie erwähnt wurden, vollkommen mitgelitten und eine Art Fremdscham für die damalige Brutalität empfunden.  Ich kann bis heute nicht begreifen, was damals zu dieser Gewalt geführt hat. Nur eine andere Religion ist für mich kein Grund, die Leute ausrotten und brutal ermorden zu wollen. – Man kann sagen, dass dieses Buch einen wirklich tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Und der Eindruck wird mit Sicherheit auch eine Weile bleiben. Da bin ich mir sicher!


Da man diese dunkle Zeit niemals vergessen sollte, kann ich dieses Buch wirklich wärmstens empfehlen. Der Autor ist gleichzeitig genau die Person, die das alles durchlebt hat. Er berichtet eben genau das, was er erlebt hat. Ohne Ausschmückung oder die ewige Litanei der Anklage. – Genau das macht dieses Buch lesenswert und sehr eindrücklich.

Cover des Buches Der letzte Überlebende (ISBN: 9783534273317)
Ariuss avatar

Rezension zu "Der letzte Überlebende" von Sam Pivnik

Ein Mahnmal gegen das Vergessen.
Ariusvor 3 Jahren

"Die Leute fragen mich oft, warum ich so lange gewartet habe meine Geschichte zu erzählen. Das ist eine einfache Frage, aber die Antwort ist es nicht." (Sam Pivnik)

Wer sich für ein Buch über den Holocaust entscheidet, dem ist von vornherein klar, dass es keine leichte Lektüre wird. Auch wenn es ein trauriges und deprimierendes Thema ist, so sollte es unbedingt so oft wie möglich aufgearbeitet werden. Berichtet von Zeitzeugen, wie Sam Pivnik. Mag es solche Bücher zuhauf geben, ist es dennoch wichtig, solche Erfahrungen immer und immer wieder zu erzählen, damit niemand vergisst, was damals geschehen ist und wie grausam die Menschen sein können. 

Die Zeit wird durch die Generationen immer mehr in Vergessenheit geraten und das darf einfach nicht passieren. Gerade in der heutigen Zeit ist das Thema sehr aktuell.

Sam Pivniks Tatsachenbericht „Der letzte Überlebende“ ist kein Buch, welches man einfach so liest. Es ist ein packendes und wichtiges Zeitzeugnis aus der Zeit des Holocausts, welches mit seiner Schonungslosigkeit besticht und für jeden eine wichtige Erfahrung ist! In diesem Buch wird einem vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass so etwas niemals wieder geschieht.

Nicht reißerisch wird das Gräuel beschrieben. Ruhig und sachlich berichtet Sam Pivnik, der diese Hölle überlebt hat. Der Stil ist einfach und ungekünstelt gehalten. Eindringlich wird es dennoch und letztlich wird Sam Pivniks Bericht durch viele Fakten ergänzt. Sam erzählt seine Geschichte in ziemlich nüchterner Weise, ohne große Emotionen. Es gibt keine Effekthascherei in diesem Buch, gewiss ist es detailliert und Sam spart nirgendwo an seinen Schilderungen – warum auch? So war es, so hat er es erlebt! In Auschwitz, an der Rampe, im Kohlebergwerk, auf den Todesmärschen, auf dem schwimmenden KZ-Lager – der Cap Arcona.

Sam könnte verbittert oder hasserfüllt sein, stattdessen schildert er die Ereignisse möglichst objektiv, wobei seine Gefühle und das Entsetzen trotzdem spürbar bleiben. Der Tatsachenbericht ist eher nüchtern, fast kühl, was ich passend fand. Das was Sam als Jugendlicher erlebt hat, war so schrecklich, dass allein die Schilderung der Tatsachen ausreicht, um den Leser betroffen zu machen. Eine pathetische Wortwahl oder ein Drücken auf die Tränendrüse wäre hier zu viel gewesen.

Den Hauptteil des Buches bildet die Zeit, als Sam im Alter zwischen dreizehn und zweiundzwanzig war. Vom Einmarsch der Nazis in Polen bis zu seiner Befreiung durch die Briten. Grausam waren die Bedingungen um das tägliche Überleben in dieser Zeit für Juden. Am eindrücklichsten war für mich die Beschreibung der Zeit und Erlebnisse in Auschwitz. 

In der Ich-Perspektive lässt Sam den Leser seine traurige Geschichte – eine wahre Geschichte, wie sie nie hätte passieren dürfen und was noch wichtiger ist, nie wieder passieren darf – hautnah miterleben. Detailliert und schonungslos, doch immer sachlich. Ergänzt wird der Bericht durch zahlreiche Bilder und Karten.

Es lässt sich eigentlich kaum vorstellen, dass ein einziger Mensch dieses Grauen und diese Willkür überlebt hat. Aber Sam hat es geschafft und ist dem Tod unzählige Male knapp entwischt. Hätte sich ein Filmregisseur oder Buchautor seine Geschichte ausgedacht, wäre er mit dieser wohl durch sämtliche Instanzen gefallen, da sich kaum eine unglaubwürdigere Szenerie ausmalen lässt. Denn Sam überlebte nicht nur Auschwitz, sondern Anfang 1945, als die Alliierten vor den Toren von Auschwitz standen, auch noch den aberwitzigen Todesmarsch der KZ-Häftlinge, der Pivnik bis vor die Tore Hamburgs führte.

Die Geschichte beginnt mit Sams Erzählungen darüber, wie er schwer erkrankt mit „Judenfieber“ (Typhus) auf der Krankenstation in Auschwitz-Birkenau liegt und nur knapp dem Tode entkommt, da ihn der berüchtigte Dr. Mengele trotz seiner schweren Krankheit nicht in die Gaskammer bringen lässt.

Dann macht die Geschichte einen Sprung zurück. Sam berichtet über seine Kindheit und das Aufwachsen in Bedzin. Es war ein friedliches Leben und ein glückliches. Eine unbeschwerte Kindheit. Bis zu dem Tag an dem die Deutschen kamen. Dem folgte das Leben im „Ghetto“ Kamionka, und die Deportation nach Auschwitz-Birkenau. Emotionslos berichtet er wie er dort seine Familie verlor, über seine schrecklichen Erlebnisse, die Grausamkeiten der SS, dem allgegenwärtigen Tod, die Angst der Nächste zu sein und dem „Lageralltag“. Er hatte sehr schnell gelernt, wie er sich verhalten musste, um nicht aufzufallen und in das Visier der sadistischen SS-Männer zu geraten.

"Was war das hier für ein Ort, an dem Männer mit dem Knüppel bewusstlos geschlagen wurden, nur weil sie eine höfliche Frage gestellt hatten? An dem Verrückte im Schlafanzug einem heimlich zuflüsterten, man solle ein falsches Alter angeben?" (S. 85)

Kernstück des Buches sind die Lager-Beschreibungen in Auschwitz-Birkenau, die das Grauen und die Unmenschlichkeit in allen Details wiedergeben. Die komplexen Mechanismen über verschiedene Abläufe im Leben und der quälerische Alltag werden anhand von Sam Pivniks Eindrücken gut herausgearbeitet. Mit seinem ausgeprägten Überlebenswillen schafft er das, was unmöglich scheint: Er findet einen Weg, dieses Lager lebend zu verlassen. Doch auch danach muss er weiter um sein Überleben kämpfen. Es ist unglaublich, wie oft Sam dem Todesengel entkommen ist.

Sam kann Auschwitz verlassen und kommt in ein anderes Lager, Fürstenberg. Dort wird er als Arbeiter im Bergwerk eingesetzt. Grauenvolle Erlebnisse warten auch da auf ihn. So wird er Beispielsweise gezwungen, sich an einer Hinrichtung zu beteiligen.

Dem folgt der Todesmarsch, der ihn schlussendlich auf die Cap Arcona führt. Fatalerweise wurde die Cap Arcona, das am 3. Mai 1945 mit rund fünftausend KZ-Häftlingen im Hafen von Neustadt lag, durch die britische Luftwaffe bombardiert, wobei das Schiff in Flammen aufging. Nur ein paar Hundert Passagiere überlebten. Einer von ihnen war Sam Pivnik, der mit einem ganz besonderen Überlebensgen ausgestattet zu sein schien. 

Sam berichtet auch über sein Leben nach dem Krieg, über das Schicksal anderer Häftlinge und über die Verfolgung der Naziverbrecher. Oder vielmehr – Nichtverfolgung. Erschütternd war auch sein Bericht über die „Rückkehr“ in die alte Heimat und den Ort seiner Kindheit, Jahrzehnte später. 

Mich haben besonders die letzten Kapitel nach der Befreiung berührt. Wie die Gefühle der Opfer unter den Teppich gekehrt wurden, wie mit den Verbrechern des Regimes umgegangen wurde und wie selbst Häftlinge SS- Leute beschützten.

In diesem Buch erfährt man viel über die grausamen Erlebnisse die Sam Pivnik erlebt und ertragen hat. Man erfährt die Wahrheit darüber, wie schrecklich der Holocaust wirklich war und was den Menschen dort angetan wurde. Wie entwürdigend und menschenverachtet das Regime mit ganz normalen Menschen wie du und ich, umgegangen ist.

Die unvorstellbaren Grausamkeiten, die Sam erleben musste, lassen einen stellenweise das Blut in den Adern gefrieren. Immer wieder stellt sich die Frage, wie viel ein Mensch aushalten und damit einigermaßen unbeschadet weiterleben kann.

Insgesamt liefert dieses Buch schockierende Einblicke in die NS-Zeit. Alles kommt sehr glaubwürdig herüber und kann den Leser kaum kalt lassen. Gleichzeitig lässt sich das Buch kaum weglegen, weil man hofft, dass das Grauen für Sam doch endlich ein Ende haben muss.

Die Geschichte von Sam Pivnik ist ein gelungenes Zeitdokument. Es ist die Dokumentation eines Schicksals, das Sam mit Millionen anderer geteilt hat, mit dem Unterschied, dass er es als einer der wenigen überlebt hat und heute davon erzählen kann.

Ich denke alle sollten diese Bücher lesen. Immer wieder. Damit wird das Bewusstsein dafür geschärft. Vielleicht kann es verhindern, dass wir jemals wieder in so einen Abgrund blicken müssen. Niemals sollte dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte vergessen werden. Und es lässt sich nur hoffen, dass sich solche Gräueltaten niemals mehr wiederholen werden. Leider wird dies wohl ein Wunschdenken bleiben. Schlussendlich bleibt nur die schreckliche Erkenntnis, dass das grausamste Tier, dass jemals einen Fuß auf unsere schöne Erde gesetzt hat, wohl immer der Mensch bleiben wird.

Wir können uns den Schrecken der Nazizeit gar nicht entziehen und müssen Sam Pivniks Leid leibhaftig mitzufühlen. Es ist einfach nur erschreckend zu lesen, obwohl die Geschichte bekannt ist. Trotzdem war ich einfach fassungslos und konnte das Gelesene einfach nicht fassen. Der Holocaust wäre nie möglich gewesen, wenn nicht so viele Menschen mitgemacht hätten. All diejenigen, die weggeschaut haben und nichts davon gewusst haben wollten, sind genauso schuldig, wie die Täter.

Nie wieder – das Denken viele – und dennoch ist der Schoß, aus dem all dieses Grauen einst kroch, heute genauso fruchtbar wie damals. Erneut machen wir uns schuldig. 

Natürlich hat die heutige Generation rein gar nichts mit den damaligen Machthabern zu tun und braucht sich für die damaligen Untaten keine Schuld einzuräumen. Aber sie sollte wachsam sein, antisemitische Tendenzen beziehungsweise Ausgrenzungen jeder Art rigoros entgegenwirken und begreifen, dass es so etwas wie minderwertiges Leben nicht gibt. Es liegt in unserer Hand, zu verhindern, dass sich die Geschichte erneut wiederholt.

Stellenweise musste ich echt schlucken, da dieses Buch wirklich nichts beschönigt oder umschreibt. Es wird einfach dargestellt, wie es war. Eigentlich für Unbeteiligte unvorstellbar.

"Der letzte Überlebende" ist eines der Bücher, welches dringend geschrieben werden musste, um die Unmenschlichkeit des Nazi-Regimes für die Nachwelt festzuhalten, zumal es sich bei Sam Pivnik um einen der allerletzten Überlebenden, um einen der letzten noch lebenden Zeitzeugen handelt. 

Allmählich wird einem als Leser dabei klar, warum Pivnik so lange gebraucht hat, um seine Erinnerungen zu Papier bringen zu können. Es erscheint beinahe unvorstellbar, das jemand ein Leben nach Auschwitz überhaupt weiterleben konnte, im Wissen darüber, dass - bis auf den älteren Bruder Nathan, den Sam kurz nach Kriegsende wieder in seine Arme schließen konnte - allen Familienmitglieder beim Gang über die Rampe in Auschwitz der Weg nach links in Richtung der tödlichen Gaskammern gewiesen wurde. 

„Nach rechts bedeutete Leben. Nach links bedeutete Tod im Gas. Keine Erklärungen, keine Begründungen. Nur eine lässige Bewegung eines Fingers in einem makellos sauberen Handschuh.” (S. 12)

Dieses Buch ist grausam. Sams Schilderungen zu den Selektionen, den täglichen Zählappellen, den katastrophalen Zuständen, dem Hunger und dem allgegenwärtigen Tod, sind nicht leicht zu ertragen. Aber wir lesen es ’nur‘, wir können mitleiden und schockiert sein und doch kommt es nicht im Entferntesten, an das heran, was diese Menschen ertragen mussten.

Für den schockierten Leser ist das vorliegende Buch eine harte Kost, da es einem die abscheulichen Schandtaten von Hitlers willigen Vollstreckern plastisch vor Augen führt.

 „In der unnatürlichen, verrückten Welt des Völkermordes hatten die Schurken das Sagen. Die Irren leiteten die Anstalt.“ (S. 99)

Wir gingen alle durch dieselbe Hölle, und man hätte denken können, dass uns das verband, uns eine Art Wagenburgmentalität, ein Gefühl von 'wir und die' gab, aber so war das nicht. Die Angst spaltete uns, jeder kämpfte für sich allein." (S. 115)

Selbst die Zeit nach der Befreiung ist geprägt von Sams Erfahrungen seiner Jugend. Sam Pivnik berichtet, wie er seine gesamte Teenagerzeit verloren hat. Der Krieg war beendet und er war familienlos, heimatlos ohne jegliche Perspektive, schwer traumatisiert bis an sein Lebensende. Obgleich der Albtraum ein Ende hatte, blieben die Narben, das Trauma, der Verlust. Die Orte von früher hatten ihre Seele verloren, und Sam hatte keine Vorstellung, was er überhaupt tun, wohin er sich wenden sollte. Ohne Heimat, ohne Ziel war es für Sam schwer, überhaupt wieder Fuß zu fassen.

Der Wunsch eines heimatlosen wieder eine Heimat zu finden, im gelobten Land oder sonst irgendwo auf der Welt kommt deutlich herüber. Ein ehemals kleiner Junge der alles verloren hat. Die Heimat verloren, ohne seine geliebte Familie – alle tot. Sams Kampf ging weiter in dem Befreiungskampf für einen jüdischen Staat, wobei dieser Teil nur einen ganz kleinen Platz im Buch einnimmt und eher Sams Werdegang nach dem Zweiten Weltkrieg schildert. Wo kam er her und wo ging er hin – der ehemalige KZ-Häftling mit der Nummer 135913?

Ohne den Holocaust hätte es den israelischen Staat nie gegeben. Der Schrecken dieser Zeit hat zahlreiche Menschen entwurzelt und dem zionistischen Weg tausende Vertriebene zugeführt, bereit, für einen eigenen Staat, eine neue Heimat, alles zu wagen.

„Innerhalb von sieben Tagen war die Welt, die wir kannten, verstanden und liebten, verschwunden. Ich sah die Verwirrung in den Augen meines Vaters.”

Die Erzählung darüber, wie Sam Pivniks Leben nach dem Krieg weiterging, und wie es sich anfühlte in dem von Alliierten besetzten Land zu leben, macht das Buch noch kompletter. Viele Bücher dieser Zeit enden nach der Befreiung. Sam Pivnik berichtet weiter, wie die britischen Alliierten die neuen Strukturen aufbauten, wie die Menschen in Norddeutschland mit dem Thema Krieg umgingen und vor allem was mit den Tätern nach dem Krieg geschah. Auch hier setzt erneut Sprachlosigkeit beim Lesen ein.

Ich kann seine Wut über die Vertuschungen, die milden Urteile für die Kriegsverbrecher sowie das Unverständnis gegenüber Holocaust-Leugnern nur zu gut nachvollziehen.

Im Nachkriegseuropa wollten weder die Verlierer noch die Gewinner etwas von diesen Erfahrungen wissen. Vieles wurde unter den Teppich gekehrt oder geleugnet, ein großes Interesse an der Aufklärung der Gräueltaten gab es nicht. Holocaustopfer mussten einfach weiterleben, wo und wie auch immer. Doch obwohl Sam Pivnik hier eher einen deprimierenden Abgesang präsentiert, verblüfft er zwischendurch mit dem Versuch eines Verständnisses.

„... dass viele SS-Leute tranken, vor allem an den Nachmittagen und Abenden. Kein Wunder. Nach allem, was ich erlebt habe, empfinde ich kein Mitleid mit ihnen, aber heute ist mir klar, dass sie in demselben Albtraum gefangen waren wie ich." (S. 153)

Ich finde es sehr schwer das Buch zu bewerten, da es nicht genügend Dokumente zum Holocaust geben kann und jede Geschichte erzählenswert ist. Wie soll solch ein Erfahrungsbericht bewertet werden, wie lässt sich solch eine Erfahrung einer Fünf-Sterne Bewertung unterziehen?

Cover des Buches Der letzte Überlebende (ISBN: 9783806234787)
L

Rezension zu "Der letzte Überlebende" von Sam Pivnik

Ein wichtiges Zeitdokument
Lesemaus23vor 6 Jahren

Es fällt mir in diesem Fall sehr schwer, eine Rezension zu schreiben. Das Buch lässt mich fassungs- und sprachlos zurück. Jedes Wort, das ich dazu schreibe, kann nur banal und angesichts des Themas viel zu harmlos klingen. Die von Sam Pivnik, einem in Polen aufgewachsenen Juden, geschilderten Ereignisse haben mir so manches Mal die Tränen in die Augen getrieben. Was für Monster waren die deutschen Nazis und ihre Helfershelfer! Heutige Generationen, für die die zwei Weltkriege schon in weiter Entfernung liegen, können sich das Ausmaß des Grauens der Nazi-Herrschaft für die Juden wohl nur ansatzweise vorstellen. So viele Millionen Menschen, die wegen einer völlig irrsinnigen Ideologie umgebracht wurden. Dass es tatsächlich Holocaustleugner gibt, ist einfach unglaublich. 

Die tragische Lebensgeschichte von Sam Pivnik, die auch positive Erinnerungen vor der Besetzung Polens durch die Deutschen nicht ausspart, aber vor allem über die Zeit im KZ Auschwitz-Birkenau, das Lager Fürstengrube, die Todesmärsche und den Untergang der Cap Arcona in der Lübecker Bucht informiert, wurde von einem Ghostwriter, dem Historiker Mei Trow, verfasst. Anhand von Tonbandaufnahmen von Sam Pivnik und sorgfältig recherchierten weiterführenden Details über die verschiedenen Konzentrationslager etc., entstand ein gut zu lesender, erschütternder Einblick in die damaligen Zustände. Einzelne Schicksale werden ebenso gestreift, wie auch allgemeine Daten genannt. Viele Dinge waren mir neu, wie z.B. die Masse an Tötungsarten, die sich die Nazis für die Juden und politischen Gefangenen einfallen ließen. Oder dass inhaftierte Verbrecher eingesetzt wurden, um zum Teil die Drecksarbeit zu übernehmen.

Einen Augenzeugenbericht zu verfolgen, ist etwas ganz anderes als ein Sachbuch zu lesen. Ich halte das Buch für einen sehr wichtigen Beitrag zum Thema Holocaust. Er ergänzt andere Lebensberichte um bedeutende Details. Den Untergang der Cap Arcona hat Mr. Pivnik ebenfalls persönlich erlebt und trägt seine eigene Einschätzung zu den Geschehnissen vor, die ich sehr interessant fand. Gern hätte ich gewusst, warum Sam Pivnik nicht in Israel geblieben ist, aber er hat das Recht, seine Gründe für sich zu behalten. Genau wie er verstehe ich bis heute nicht, warum so viele direkt an den Verbrechen Beteiligte laufen gelassen wurden. Die Gründe dafür sind vielfältig und keineswegs ehrenhaft. Unter anderem gab es Leute, die das Morden und Quälen unschuldiger Menschen mit reiner Befehlsgewalt entschuldigten. Viele leugneten auch einfach ihre Taten, die ihnen oft nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Zu viele Zeugen waren tot und Beweise rechtzeitig vernichtet worden.

Besonders erschreckend fand ich die Gleichgültigkeit der Täter gegenüber den hilflosen, total verängstigten Kindern, die sie grausam umbrachten. Zuhause kümmerten sich diese Bestien dann liebevoll um die eigenen Kinder. Da fehlen einem die Worte. Auch die freudige Bereitwilligkeit, mit der einige SS-Leute und Kapos ihre menschenverachtenden Befehle ausführten, lässt einen normal gearteten Menschen schaudern. Ich wünsche mir für die heutige Zeit, dass gerade junge Menschen sich kritisch mit Massenideologien auseinandersetzen, sich vielfältig und umfangreich informieren, eigene Erfahrungen mit Menschen anderer Glaubensrichtungen und Nationalitäten sammeln und einen gesunden Menschenverstand ausbilden. Ich bin dankbar, dass das Buch „Der letzte Überlebende“ auch ins Deutsche übersetzt wurde und finde es absolut empfehlenswert. Ein großes Dankeschön an Mr. Pivnik!

Gespräche aus der Community

Hallo liebe Bücherfreunde,

Sam Pivnik ist einer der letzten Auschwitz-Überlebenden. Die schrecklichen Dinge, die er bereits als Jugendlicher erleben musste, kann sich heute niemand mehr auch nur ansatzweise vorstellen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis Sam endlich über das Erlebte sprechen konnte. Doch genau das hat er in seinem Buch »Der letzte Überlebende« getan, welches nun endlich auch in Deutschland erscheint.

In seiner Autobiographie erzählt Sam von seiner Kindheit in Polen, dem Einmarsch der Deutschen, der Deportation nach Auschwitz, dem unvorstellbaren Lageralltag. Sein unglaublicher Überlebenswille half ihm, all das zu überstehen. Er erlebte die Befreiung des Vernichtungslagers, wanderte nach Israel aus und begann schlussendlich ein neues Leben in London.

Dieses wichtige Buch ist ein weiteres Beispiel dafür, dass jedes Einzelschicksal von Holocaust-Überlebenden einzigartig ist und jede verbleibende Stimme unbedingt gehört werden sollte.  

Wenn Ihr gerne an der Leserunde zu dem Buch teilnehmen wollt, dann bewerbt Euch bis zum 19. März und erzählt uns, was Ihr Sam gerne sagen oder fragen würdet, wenn Ihr die Chance dazu hättet. Verratet uns doch auch, auf welchen Plattformen Ihr eure Rezension veröffentlichen wollt. Zu gewinnen gibt es eines von 10 nagelneuen Leseexemplaren – wir sind gespannt auf Eure Antworten! Erste Eindrücke zum Buch könnt Ihr bereits auf dem Blog unter www.schreib-sam.de sammeln.  

Wir freuen uns auf eine spannende Leserunde! Natürlich sind auch alle LeserInnen mit eigenem Exemplar herzlich eingeladen!

Liebe Grüße,

euer Team vom Theiss Verlag

273 BeiträgeVerlosung beendet
Letzter Beitrag von  Ein LovelyBooks-Nutzervor 8 Jahren
Vielen Dank, dass ich das Buch lesen durfte:-)

Zusätzliche Informationen

Sam Pivnik wurde am 01. September 1926 in Będzin (Polen) geboren.

Sam Pivnik im Netz:

Community-Statistik

in 172 Bibliotheken

auf 34 Merkzettel

von 2 Leser*innen aktuell gelesen

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