Samira Sedira

 4,7 Sterne bei 10 Bewertungen

Lebenslauf

Samira Sedira, geboren 1964 in Algerien, ist Schauspielerin und Schriftstellerin. Ihr erster Roman wurde 2014 mit Sandrine Bonnaire in der Hauptrolle für das Theater adaptiert. In Frankreich wurden ihre Werke mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Vorort von Paris.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Samira Sedira

Cover des Buches Wenn unsere Welt zerspringt (ISBN: 9783492071017)

Wenn unsere Welt zerspringt

(10)
Erschienen am 31.03.2022

Neue Rezensionen zu Samira Sedira

Cover des Buches Wenn unsere Welt zerspringt (ISBN: 9783492071017)
mariameerhabas avatar

Rezension zu "Wenn unsere Welt zerspringt" von Samira Sedira

mariameerhaba
Die erste Du-Stil-Geschichte, die funktioniert

Ich habe das Buch besorgt in dem Glauben, es würde ein rassistisches Thema behandeln. Tut es nicht. In einer Szene regt sich der Protagonist auf und spricht das N-Wort aus, aber das ist ein Ausbruch, der aus Bitterkeit, Wut und Verzweiflung hervorkommt mit der Absicht, sich selbst über ihn zu stellen. Was ihm nicht gelingt. Und bei der Figur merkt man sofort, dass er kein Rassist ist.

Die Autorin hat sich für den schrecklichen Du-Stil entschieden, was sie aber nicht gleich zeigt (ich hätte wahrscheinlich das Buch sofort abgebrochen), sondern sich mehrere Seiten nimmt, bis ich von der Geschichte gefesselt wurde. Normalerweise lese ich Bücher mit dem Du-Stil nicht, weil sie nicht funktionieren, aber hier funktioniert er überraschend.

Ich glaube, das liegt daran, dass die Autorin den Leser nicht anspricht, sondern wirklich dafür sorgt, dass man im DU den Mann sieht, diesen Mörder, der eine ganze Familie ausgelöscht hat und das nur wegen 8000 Euro.

8000 Euro ist nicht gerade wenig, aber auch nicht genug. Sogar dem Mörder, der vor Gericht steht, wird das klar, aber es war eine Affekthandlung, die aus einer aufgestauten Wut entstanden ist und auch durch die Art, wie die Betrüger ihn nach dem Betrug behandelten, sorgte dafür, dass er aus sich herausbrach und einen Mord beging, den er selbst nicht mehr nachvollziehen konnte.

Das war gut, das war fesselnd. Ich konnte das Buch nicht mehr zur Seite legen und musste es unbedingt fertiglesen. Und es enttäuscht nicht. Die Mutter, die die Geschichte erzählt, wird so gut portraitiert, dass ich sie vor Augen hatte, ihren Schmerz fühlte, ihre Verzweiflung, ihre eigene Wut. Die Autorin schafft es, den Figuren alles zu geben, was sie brauchen und das mit einer Leidenschaft, die mir bis unter die Haut gefahren ist.

Natürlich verstehe ich den Aspekt mit dem Rassismus nicht. Wieso musste der Betrüger Schwarz sein, während alle anderen Figuren Weiß sind. Die Hautfarbe hat hier gar keine Rolle gespielt, nicht einen winzigen Moment lang und doch ist sie da, wird von der Autorin auf das Auge des Lesers gedrückt, was ich nicht nachvollziehen kann. Auch wenn die Geschichte auf wahre Begebenheiten beruht, hätte sie das mit der Hautfarbe aus der Geschichte halten sollen.

Cover des Buches Wenn unsere Welt zerspringt (ISBN: 9783492071017)

Rezension zu "Wenn unsere Welt zerspringt" von Samira Sedira

Ein LovelyBooks-Nutzer
Ein grausamer Mord, sprachlich grandios umgesetzt

Worum gehts?

In dem französischen Bergdorf Carmac lebt Anna mit ihrem Mann Constant und ihren beiden Töchtern. Eines Tages zieht die fünfköpfige Familie Langlois gegenüber ein und die Familien freunden sich an. Sylvia und Bakary haben drei Kinder, ein teures Haus und drei Autos. Damit ziehen sie im Dorf auch Neider an. Anna und Constant aber sind fasziniert von ihren neuen Nachbarn und verbringen viel Zeit miteinander. Bis eines Tages die gesamte Familie Langlois ermordet wird. Der Täter ist Constant. Anna ist verzweifelt, fassungslos und versucht zu begreifen, was passiert ist und ob sie hätte die Tragödie verhindern können.


Meine Meinung


Triggerwarnung: Der Inhalt kann (re)traumatisierend sein. 


Nicht umsonst habe ich oberhalb eine Triggerwarnung gesetzt, denn, die Handlung kann verstörend sein. Samira Sedira erzählt die Geschichte einer Nachbarschaft, einer sich anbahnenden Freundschaft, die in einer Katastrophe mündet. Spannend für mich war, dass die Autorin in diesem Fall die Frau des Täters, Anna, in den Mittelpunkt rückt und auf subtile Weise verdeutlicht, welche Last auch sie und ihre Töchter lebenslang tragen werden. Die Erzählung beginnt im Gerichtssaal und macht das ganze schreckliche Ausmaß deutlich. Der Angeklagte Constant, Ehemann von Anna, tut vor allem eines, er schweigt. Lediglich kurze und knappe Antworten lässt er zu, die Tat leugnet er nicht. Auf den nächsten Seiten springt Sedira in der Zeit. So werden die Geschehnisse vor der Tötung geschildert und versucht darzulegen, wie es zu dem grausamen Verbrechen kommen konnte. Es bleibt bei einem Versuch, denn niemand wird verstehen können, wie Constant so weit habe gehen können. Dennoch gelingt der Schriftstellerin auf sensible Weise ihren Leser:innen einen Zugang zum Täter zu gewähren, den fürchterlichen Verlust von fünf Menschenleben begreiflich zu machen und, vor allem das Kunststück, die Geschehnisse so zu beschreiben, dass jeder Figur Raum gegeben wird.


Ich habe die 176 Seiten in kurzer Zeit gelesen, was mir vor allem wegen der prosaischen Erzählweise möglich war. Denn inhaltlich ist die Handlung nichts für schwache Nerven, die Länge des Buches aber ist genau richtig. Die Silhouetten auf dem Cover und auf der Rückseite des Romans haben mich, mit dem Wissen, worum es geht, sehr berührt. Ein Mann tötet fünf Menschen. Zwei Erwachsene und ihre drei Kinder. Die Vorstellung ist schwer erträglich. Dass hier die Frau des Täters im Vordergrund steht und ihre Emotionen und ein Einblick ins Leben danach erläutert werden, zeigt für mich auch, das Samira Sedira mit »Wenn unsere Welt zerspringt« viel Mut bewiesen hat, sich dieser Perspektive anzunehmen. Automatisch sind es die Opfer, über deren Ableben wir trauern und die Verbliebenen, mit denen wir leiden. Die Familie des Täters kommt uns nicht primär in den Sinn. Hier erfahren wir von Annas Wut, ihrer Ohnmacht und ihrer Demütigung.


Der Schreibstil ist fesselnd und kraftvoll, er versprüht viel Einfühlungsvermögen. Sedira erreichte bei mir eine gute Vorstellung für ihr ausgewähltes Setting, ein französisches Bergdorf und seine Einwohner. Die offenbaren teils rassistische Ansichten, was sich beispielsweise in ihrem Unverständnis und ihrer Missgunst darüber ausdrückt, dass ein schwarzer Mann über einen höheren Lebensstandard verfügt als sein weißer Nachbar. Die Autorin spielt außerdem mit umgekehrten Klischees – so ist das Opfer in der Geschichte ein Dieb, während der Täter zuvor sein Opfer war. Mit viel Wucht und Emotionen beschreibt Sedira eine unfassbare Tat, die niemand für möglich gehalten hätte. Besonders wegen der Perspektive aus Sicht der Ehefrau des Mörders und seiner mächtigen Sprache, ist dieser Roman eine große Empfehlung, aber nichts für schwache Nerven.


Ein packender und beeindruckender Roman, der auf subtile Weise menschliche Schwächen offenbart, mit Klischees spielt und ungewöhnlicherweise der Frau des Täters Gehör verleiht. Sprachlich mit Bravour gemeistert.


Ich danke dem Piper-Verlag für das Rezensionsexemplar.

Cover des Buches Wenn unsere Welt zerspringt (ISBN: 9783492071017)
UlrikeZas avatar

Rezension zu "Wenn unsere Welt zerspringt" von Samira Sedira

UlrikeZa
Wenn dein Mann der Mörder ist

In einem idyllischen französischen Bergdorf wird eine fünfköpfige Familie auf brutale Weise ermordet. Das ganze Dorf ist fassungslos. Die Tat ist unbegreiflich. Ganz besonders für Anna, die Frau des Mörders. 

Die Erzählperspektive ist, was diesen Roman so interessant macht. Konsequent erzählt die Autorin Samira Sedira in „Wenn unsere Welt zerspringt“ die Geschichte aus Annas Sicht, sei es bei der Gerichtsverhandlung, der sie beiwohnt, sei es in Rückblenden auf ihr bisheriges gemeinsames Leben. War die Tat in irgendeiner Weise absehbar? Was hat ihren Mann dazu getrieben? Indem wir Annas Blickwinkel auf das Geschehen einnehmen, ist es auch für uns schwierig, im Täter eindeutig das Monster zu sehen, das hinter einer solchen Tat doch stecken muss.

Auf gerade einmal 176 erzählt Samira Sedira, die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte, so eindringlich von den Abgründen, die wir selbst in den Menschen, die uns nahe stehen, womöglich nicht erkennen, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. 

Eine absolut empfehlenswerte Lektüre.

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