Wir sind nicht für ein besseres Leben hierhergekommen. Das bessere Leben haben wir zurückgelassen. (S. 116)
In Teheran waren die Valitats noch wer. Jeder kannte ihren Namen, wusste um ihren Reichtum, bewunderte oder fürchtete sie für ihren Vorfahren, den großen Krieger. Doch mit der islamischen Revolution wurde all der Ruhm und Glanz weggefegt. Geblieben ist nur noch das Geld, das den Validats zwar half, ein angenehmes Leben im amerikanischen Exil aufzubauen, nicht jedoch, sich wirklich zu integrieren, geschweige denn die Tür zur feinen amerikanischen Gesellschaft zu öffnen. Und so führen sie ein Leben, das vielen Amerikanern sauer aufstößt, vor allem, wenn es ihnen so demonstrativ vorgelebt wird wie von Shirin: Lautstark und wortreich gibt sie sich dem Alkohol, gutem Essen, wilden Partys und der ein oder anderen Droge hin – bis sie dieser Lebensstil vor ein amerikanisches Gericht bringt. Die Anklage: Versuchte Prostitution. Die ganze Familie schlägt Alarm, allen voran Shirins Nichte Bita, die Tochter ihrer verstorbenen Schwester Sima. Doch auch die im Iran gebliebene Verwandtschaft ist besorgt – so sehr, dass sich Matriarchin Elizabeth tatsächlich mit ihrer Enkelin Niaz (Shirins Tochter) ins Flugzeug nach Amerika begibt. Doch es ist nicht nur die Sorge um Shirin, die Elizabeth nach Amerika treibt, sondern auch die Tatsache, dass ihre Jugendliebe Ali Luft seit kurzem verwitwet ist. Auf amerikanischem Boden wird schließlich so manches Geheimnis gelüftet, das in Teheran seinen Anfang nahm.
Nach Lesen des Klappentextes hatte ich mich auf eine Geschichte mit hochaktuellem Kern gefreut, die die Frauen des Irans in den Vordergrund stellt und anhand ihrer verschiedenen Lebenswege seit der iranischen Revolution 1979 die Frage nach Heimat und Identität verhandelt. Und tatsächlich schimmern all diese Themen – die politischen und kulturellen Umwälzungen im Iran, der Stolz auf die historische Nation Persien, die Diskrepanz zwischen östlichem und westlichem Lebensstil, das Aufwachsen in der Diaspora, die Trennung einer Familie – in Die Perserinnen immer wieder durch, gehen aber leider im Getöse der Hauptfigur Shirin erzähltechnisch unter.
Shirin ist – so wird es schon in der Zusammenfassung oben deutlich – eine herausfordernde Figur, an der zumindest ich gescheitert bin und die mir die Lust am Roman deutlich verleitet hat. Sie ist laut, vulgär, unbedacht, fordernd und stellt sich und ihr Schicksal immer wieder in dem Mittelpunkt. Dieses dreht sich zur Beginn des Romans (und auch zum Schluss) um eben die Anklage wegen versuchter Prostitution und bringt den Großteil der anderen Frauenfiguren (Elizabeth, Niaz und Binta) zum Handeln. Ihre eigenen Geschichten, die durchaus interessanter wären – vor allem Niaz‘ Leben als zurückgelassene Tochter im autoritären, frauenfeindlichen Regime bietet so viel Potential – werden dabei von der Autorin immer wieder zurückgestellt. Völlig ratlos bleibt man vor dem Erzählstrang um Sima zurück, die als Geist rückblickend ihr Leben erzählt und zwar so einige blinde Flecken der Familiengeschichte schließt, deren Perspektive sich aber nur schwer in das Gesamtkonstrukt einfügen lässt.
Selten habe ich erlebt, dass eine Figur so sehr einen Text dominiert. Da Shirin schrill und substanzlos daherkommt, man nicht wirklich versteht, wieso sie von der Autorin Sanam Mahloudji so angelegt wurde, kommt einem auch Die Perserinnen überzogen und inhaltsarm vor. Iran und Persertum verkommen zur bloßen Rahmenhandlung, die Familiengeschichte mit ihren Geheimnissen ist vorhersehbar und altbekannt. Auf knapp 440 Seiten verliert einen die Geschichte immer mehr, bis man sie schließlich erleichtert zur Seite legen kann. Was man jenseits von „Früher war alles besser“ und „Wir sind schließlich wer“ mitnehmen kann, ist mager. Ein Kennenlernen und Verständnis der iranischen Geschichte und Kultur wird lediglich im ersten Drittel des Romans ermöglicht, danach fokussiert sich die Geschichte auf die stereotype Darstellung neureicher Exiliraner. Für mich insgesamt eine Enttäuschung. 2 Sterne!