Cover des Buches Er nannte mich Fräulein Gaga (ISBN: 9783596196616)
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Rezension zu Er nannte mich Fräulein Gaga von Sandra Winkler

Operation Mackenfrei

von MissPaperletter vor 10 Jahren

Rezension

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MissPaperlettervor 10 Jahren
Wer kennt sie nicht - die kleinen Macken, die jeder, auch man selbst, hat und die einen doch angeblich ausmachen. Doch was, wenn diese Macken anderen plötzlich zu viel werden und sich herausstellt, dass sie gar nicht nett und liebenswürdig, sondern gar respektlos sind? Das hat sich Sandra Winkler in Er nannte mich Fräulein Gaga gefragt, als ihr Freund Martin ihr eröffnet, dass es so mit ihrer Beziehung nicht weitergehen kann. Während er vier Monate im Ausland verbringt, versucht Sandra also ihre Macken in den Griff zu kriegen: Kein zwanghaftes Fußmattenrücken mehr, endlich pünktlich sein, Unordnung auch mal zulassen und vor allen Dingen die Angst vorm Autofahren überwinden.

Unterhaltsam erzählt sie fortan von ihren Gesprächen mit Fachmännern und -Frauen und den verschiedensten Arten, einen Zwang in den Griff zu bekommen, wobei die Klopftherapie eindeutig auffälliger und in der Umwelt bloßstellender ist als der Impuls, eben mal Nachbars Fußmatte rechtwinklig zurecht zu rücken.

Auch der Fahrlehrer der Fahrschule für Angsthasen treibt einen beim Lesen nach kurzer Zeit in den Wahnsinn, weil er unglaublich unorganisiert ist und die Autorin mehrfach unverrichteter Dinge (manchmal muss sie auch nur kurz einparken) wieder abziehen muss, obwohl sie nun endlich bereit ist, tatsächlich loszufahren. Aber es funktioniert - nach einigen Fahrstunden traut sie sich wieder alleine im Auto mit einer Freundin in die Stadt. Nachdem ein Bekannter sie allerdings erkannt und bei Martin verpetzt hat, kommt es am Telefon zum Streit zwischen den beiden, denn typisch Mann macht der feine Herr sich natürlich nur Sorgen um sein Auto und die Überraschung "mackenfrei" für seine Rückkehr ist nun auch keine wirkliche Überraschung mehr. Das führt die Autorin jedoch auch zu der Erkenntnis, dass sie ihr Projekt nicht nur für ihren Freund, sondern vor allem auch für sich selbst durchzieht, denn niemand soll bei einer Verabredung mehr denken, er oder sie sei Sandra die Zeit nicht wert, weil sie mal wieder zu spät kommt.

Letztendlich freut sich Martin natürlich doch, als sie ihn tatsächlich eigenständig vom Flughafen abholt und gibt erstaunt zu, dass er schon fast irritiert ist, wie viel Sandra für ihn (und für sich selbst) getan hat, da er das ganze doch gar nicht so ernst gemeint habe und nun seinen Beschützer-Instinkt bestimmt nicht mehr voll und ganz ausleben kann. Außerdem hat er über seine eigenen Macken nachgedacht und die beiden kommen zu dem Schluss, dass sie durchaus Teil ihrer Persönlichkeit sind - aber nur solange sie einen selbst und andere Menschen nicht einschränken oder degradieren.

In der Mitte büßt das Buch zwar ein wenig an Tempo ein (was unter anderem vermutlich am nicht gerade geschwindigkeitsfreudigen Fahrlehrer liegt) und auch die Dialoge mit den drei "Ans" (ihre drei besten Freundinnen haben alle Namen, die auf "An" beginnen, was ein wenig verwirrend ist) haben sich manchmal ein bisschen gezogen. Wahrscheinlich hätte die Wiedergabe in indirekter Sprache das Ganze ein bisschen abgekürzt und wäre damit einfacher zu Lesen gewesen, aber ansonsten gibt es zum Schreibstil nicht viel zu sagen - die Beschreibungen ihrer Ordnungsanfälle und ähnlichem waren alle sehr amüsant geschildert.

Ein unterhaltsames Buch, das zugleich informativ ist und einem das Gefühl gibt, nicht alleine zu sein, wenn man die Geräusche anderer Leute in der Bahn nicht aushält oder Dinge unbedingt gerade rücken muss, aber auch, dass man Phobien und nervtötende Verhaltensweisen überwinden kann, wenn man nur will.
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