Cover des Buches Auf den Schwingen der Sterneneule (ISBN: 9783548286013)
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Rezension zu Auf den Schwingen der Sterneneule von Sanna Seven Deers

Spannende Geschichte in Kanada

von Maggi vor 10 Jahren

Rezension

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Maggivor 10 Jahren

Dieser Roman überzeugt mit einem sehr eingängigen Schreibstil, interessanten, lebensnahen Landschaftsbeschreibungen und einer interessanten Mischung aus verschiedensten Charakteren. Es ist mein erstes Buch von Sanna Seven Deers und ich habe mich sofort in ihrer Geschichte wohl gefühlt. Das Kopfkino setzte sofort ein, was ich immer sehr mag! Es war fast so, als wäre ich selbst auf Reisen gewesen in diesem Buch.

Das Buch beginnt mit einem Rückblick in die Zeit von vor dreizig Jahren, als die junge Sarah beruflich nach Kanada reisen muss.

Ihr Leben rüttelt sie gerade ziemlich durch: die Liebe ihres Lebens hat sie verloren und ist nun von einem Mann schwanger, mit dem sie es eigentlich locker halten wollte. Sie spielt mit dem Gedanken, das Kind nicht zu behalten.

In dieser emotional aufrüttelnden Situation gerät Sarah, auf dem Weg zu einem Geschäftstermin, in den schlimmsten Nebel, den sie je erlebt hat. Sie verirrt sich mit dem Auto und begegnet so der Indianerin Little Drum und ihrer Enkelin Elizabeth.

Die beiden umgibt eine tiefe Weisheit und sie wissen mehr von Sarah, als sie eigentlich wissen können. Diese Begegnung wird für sie zum Schlüsselmoment ihres ganzen Lebens und im Laufe des Romans wird immer deutlicher, dass nicht nur Sarahs Leben, sondern das fast all der Personen, deren Bekanntschaft der Leser im Laufe des Buches macht, durch diesen Moment beeinflusst werden.

Sarah ist so berührt von der Wahrhaftigkeit und Wichtigkeit der Begegnung, dass sie Elizabeth ihre Visitenkarte gibt und sie bittet, falls je sie oder ihre Familie Hilfe benötigen würde, dann solle sie sich melden.

Die Stimmung im Buch, diese unterschwellig immer mitlaufende Mystik wird in diesen ersten Szenen bereits deutlich. Ich empfand dies als sehr passend und stimmungsvoll. In den indianischen Kulturen ist es nicht wie bei uns üblich, dass spirituelle und religiöse Dinge derart stark vom Alltag separiert sind. Das für traditionell lebende Native Americans, bzw. Native Canadians selbstverständliche Mit- und Beieinander von Alltag und Spiritualität ist sehr gut umgesetzt.

Viele Jahre nach der lebensverändernden Situation hört Sarah, mittlerweile Mutter einer 30-jährigen Tochter und Großmutter eines 5-jährigen Enkels, wieder etwas von der indianischen Familie aus Kanada.

Die alte Little Drum ist gestorben und es war ihr letzter Wunsch, dass Sarah und ihre Tochter an ihrer Bestattungszeremonie teilnehmen sollten.

Nach einigem Hin und her beschließen Sarah und ihre Tochter Stella nach Kanada zu fliegen und sie nehmen deren Sohn Niklas mit.

Auch Elizabeth ist mittlerweile Großmutter und empfängt die deutschen Gäste gemeinsam mit ihrer Tochter Lynn und ihren drei Kindern.

Die Familie wohnt mitten in der Wildnis in einem Reservat in sehr schlichten Umständen, woran sich die Deutschen erst gewöhnen müssen. All das wird aber von einer entwaffnenden Herzlichkeit und Güte ausgeglichen, wodurch die Gäste und auch der Leser sich sofort wohl fühlen. Lediglich der Nachbar der Familie, Luke, macht einen düsteren und zurückhaltenden Eindruck. Trotzdem ist er faszinierend und interessant, von Anfang an. Das spürt man mit den Buchstaben vor Augen und auch die Figuren im Buch merken dies.

Die unterschiedlichen Lebenswelten von Sarahs Familie in Deutschland und Elizabeths und Lynns Familie in Kanada sind sehr realistisch beschrieben. Um so schöner, dass die beiden Familien sich sofort gut verstehen und auch Niklas sich, trotz fehlender Sprachkenntnis, so gut mit den Kindern versteht!

Sehr schnell merkt man aber auch, dass dieses Buch viel mehr ist, als eine Familiengeschichte, mehr als eine Geschichte von Freundschaft zwischen den Kulturen, sehr als eine wildromantische Geschichte in der Wildnis. Oh ja, es ist sehr viel mehr als. Im Verlauf der Geschichte wird es politisch, gesellschaftskritisch und unglaublich spannend. Die Verschleierung eines der größten Umweltverbrechens aller Zeiten und deren Vertuschung wird hier thematisiert: Der Ölsandabbau im Norden Kanadas.

Was über den Ölsandabbau berichtet wird ist empörend! Dass die Abbaufläche so groß wie Großbritannien ist, finde ich unglaublich! Wieso um Himmels willen wissen wir davon nichts??? Das kann doch nicht sein, dass wir in Europa nichts, absolut nichts davon in unseren Medien finden. Oder hat etwa schon mal jemand von euch, liebe Leser dieser Rezension, in der Tagesschau, in einer Zeitung oder sonst wo davon gehört? Ich nicht! Regenwaldabholzung am Amazonas: präsent! Palmöl-Monokulturen und dadurch Regenwaldzerstörung in Asien: präsent! Und vieles andere ist zumindest in einigen ausgewählten Zeitungen und Onlinemedien in deutscher Sprache präsent, wenn schon nicht in den massenkompatiblen Medien. Aber dass in Kanada die Natur in solchem Maße zerstört wird mit so einer Methode, das habe ich in diesem Buch tatsächlich zum ersten Mal gehört!

Mehr und mehr werden die Zusammenhänge klar und unsere Protagonisten geraten auf unangenehmste Weise zwischen die Fronten. Immer neue Katastrophen tun sich auf und alle Beteiligten verstricken sich immer tiefer in ein Netz aus politischen Verschwörungen, verdeckten finanziellen Interessen und Lobbyismus.

Man darf sich also nicht von dem romantischen Cover täuschen lassen. Dieses Buch ist alles andere als mystisch angehauchte Frauenliteratur.

Gerade das hat mich so für das Buch eingenommen, eben dies hat mich überzeugt. Das dieses Buch so spannend wird, hätte ich nicht unbedingt gedacht. Das Buch entwickelte unerwartet einen sehr starken Sog und ich musste mich ab einem gewissen Zeitpunkt dazu zwingen, auch noch etwas anders zu machen, außer zu lesen!

Ich hatte eine schöne Geschichte über Liebe, Freundschaft und das Zusammentreffen zweier Kulturen erwartet und all diese Erwartungen erfüllte das Buch sehr gut. Was ich nicht erwartet hatte, war ein Buch, welches man schon fast als Polit-Thriller bezeichnen kann.

Die Entwicklung der gesamten Handlung und der Protagonisten war sehr interessant und spannend zu verfolgen.

Lediglich ein kleines Sternchen muss ich abziehen, weil mir einige kleine Dinge zu schnell und reibungslos gingen, was die innere Entwicklung der Figuren angeht. Überzeugend fand ich die Naturdarstellungen, die Darstellung der politischen Verstrickungen, das es immer wieder neue Intrigen gab, neue Leute, die in der Sache mit drin hängen und zwar bis zum Schluss. Etwas weniger überzeugend fand ich, dass sich Sarah und Stella so nahtlos in die Gegebenheiten einfügen und quasi innerhalb von weniger Tagen selbst "indianisch" werden, sie denken und fühlen so und hinterfragen meines Erachtens nach zu wenig.

Man muss sich mal vor Augen halten, dass das ganze Buch nur wenige Tage umspannt.
Sarah und Stella fallen aus ihrem überbehüteten, finanziell sicheren und äußerst behüteten Leben ohne Übergang in ein Leben voller Probleme. Das das nicht für etwas mehr Konflikte sorgt, finde ich dann doch etwas weit hergeholt.

Wenn man bedenkt, dass es sich eine fiktive Geschichte handelt ist das jedoch locker zu verschmerzen und es war wirklich, wirklich unterhaltsam. Ich habe mich nicht eine Sekunde gelangweilt und das Buch hatte überhaupt keine Längen! Und das will bei einem Buch mit mehreren hundert Seiten schon was heißen!

Aber die innere Entwicklung der Charaktere ging mir dann doch etwas zu schnell und vor allem zu Reibungslos

insgesamt war es ein gutes Buch, welches mich über die ganze Zeit hinweg großartig unterhalten hat!
Es war spannend, emotional, mystisch und oft überraschend. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung! Dieses Buch macht Lust auf mehr Bücher dieser Autorin!

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