Cover des Buches Das Echo der Bäume (ISBN: 9783442756346)
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Rezension zu Das Echo der Bäume von Sara Nović

‚Die bringen sie um‘

von sabatayn76 vor 6 Jahren

Rezension

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sabatayn76vor 6 Jahren
>>‚Die bringen sie um‘, sagte der Mann.
‚Wen?‘, fragte mein Vater [...].
‚Jeden.‘<<
(Seite 68)

Kroatien im Jahre 1991: Die zehnjährige Ana verbringt zum ersten Mal den Sommer in Zagreb und nicht an der Küste, denn die Serben haben die Straßen zum Meer blockiert. Auch in Zagreb kommt es schließlich zu Kampfhandlungen, Luftangriffen, Lebensmittelknappheit - der Krieg hat die Hauptstadt erreicht.

Anas acht Monate alte Schwester Rahela ist schon länger krank, und nachdem die Eltern bereits Hilfe in Slowenien gesucht haben, machen sie sich nun zu viert auf den Weg nach Sarajevo, wo Rahela zurückgelassen wird, damit sie in den USA eine Chance auf Heilung und ein Leben ohne Krieg erhält.

Auf der Rückfahrt von Sarajevo nach Zagreb werden Ana und ihre Eltern von paramilitärischen Gruppen der Serben angehalten, aus dem Auto geholt und in einen nahegelegenen Wald gebracht. Dort werden Anas Eltern erschossen, doch Ana kann durch einen Trick ihres Vaters überleben.

Zehn Jahre später lebt und studiert Ana in New York. Als sie bei der UNO einen Vortrag über ihre Kriegserfahrungen in ihrer Kindheit hält, brechen alte Wunden wieder auf. Die von Albträumen geplagte Ana, die zehn Jahre lang ihre Herkunft verschwiegen hat, beschließt, dass sie erst Frieden finden kann, wenn sie zurück in ihre alte Heimat Kroatien reist.

‚Das Echo der Bäume‘ ist der Debütroman von Sara Nović und nimmt den Leser mit ins Kroatien der 1990er Jahre und des 21. Jahrhunderts. Nović zeigt darin, wie in einem Land, in dem jahrzehntelang ‚Brastvo i Jedinstvo‘ - Brüderlichkeit und Einheit - gepredigt wurden, wieder der Unterschied zwischen Ethnien betont und Hass gesät wurde, was schließlich in den Kriegen auf dem Balkan gipfelte.

‚Das Echo der Bäume‘ wird eindringlich erzählt und gibt den Verlauf der Ereignisse im Jahre 1991 zum Teil recht detailliert wieder, so dass man als Leser einen guten Einblick in die Geschichte Kroatiens und die Chronologie des Kroatienkrieges erhält.

Nović schreibt sehr anschaulich vom Leben in Zagreb und im Dorf, wo Ana nach dem Tod ihrer Eltern unterkommt. Sie hat in ihrem Roman den Geruch von verbranntem Holz, Kunststoff und Fleisch, die aufsteigenden Rauchsäulen, die Erschütterungen von den Bombardierungen, die Angst und Hilflosigkeit, die Veränderungen der Handlungsorte sehr lebendig eingefangen, doch bisweilen fand ich ihre Schilderungen etwas hölzern, distanziert und bemüht emotional, was gegebenenfalls daran liegt, dass die Autorin nicht von eigenen Erlebnissen schreibt, ihr deshalb möglicherweise eine authentische emotionale Färbung fehlt.

Gefallen haben mir die Ausführungen zur Suche nach sich selbst, nach verlorenen/vergessenen/verdrängten Teilen von Anas Leben, die sie nach und nach wieder zusammenfügt, sowie Novićs Beschreibungen von Anas Zerrissenheit zwischen den Kulturen.

Trotz meiner - kleineren - Kritikpunkte kann ich den Roman sehr empfehlen, vor allem denjenigen, die sich mehr mit der Geschichte Kroatiens und des Balkans beschäftigen wollen.
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