Starker Plot! Tolle Detektivin! Paretsky kann es einfach unglaublich gut. Die Themen der Zeit, spannend verwoben in einem echt rasanten Buch. Kritischer Blick auf korrupte und profitgeile Akteure in Chicago, ohne moralischen Zeigefinger, aber mit Herz. Und obwohl hier nichts Heile-Welt-mäßig beschönigt wird, macht die aufrechte Ermittlerin mit ihrem warmen Humor einfach Mut.
Sara Paretsky
Lebenslauf
Alle Bücher von Sara Paretsky
Schadenersatz
Blacklist
Deadlock
Brandstifter
Feuereifer
Engel im Schacht
Hardball
Neue Rezensionen zu Sara Paretsky
Rezension zu "Schiebung" von Sara Paretsky
Ich ließ die Nachrichten im Radio laufen, falls eine Meldung über Felix kam. Schon wieder Schießereien an der South Side und an der West Side – Applaus für eine Regierung, die es jedem schießwütigem Bürger ermöglicht, sich ein Waffenarsenal zuzulegen, mit dem er uns alle fünf- bis sechsmal umbringen kann. Nichts über Felix. Auszug Seite 180
„Schiebung“ ist der neunzehnte von inzwischen einundzwanzig veröffentlichen Romanen von Sara Paretsky mit der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Chicagoer Privatdetektivin Victoria Iphigenia Warshawski. Und der erste, den ich las. In Schiebung hat es die von ihren Freunden Vic genannte Schnüfflerin weniger mit geldeinbringenden Aufträgen als mit privaten Turbolenzen zu tun.
Felix Herschel, der Großneffe ihrer besten Freundin Lotty Herschel ist in Schwierigkeiten. Der junge Kanadier wurde zu einem Tatort in einem abgelegenen Waldstück zitiert, um eine männliche Leiche zu identifizieren. Felix bestreitet, das Opfer zu kennen und kann nicht erklären, wie sein Name und Telefonnummer in der Hosentasche des grausam Ermordeten landete. Er wird zum Hauptverdächtigen, selbst V.I. hat das Gefühl, er verschweigt etwas. Schnell findet sie heraus, dass der Student mit einer jungen Frau aus dem Nahen Osten befreundet ist, deren Vater sich illegal in den Vereinigten Staaten aufhält und deshalb automatisch als Terrorist gilt.
Überraschend bekommt V.I. Besuch von Harmony Seale, die sich um ihre Schwester Reno sorgt. Beide sind die Nichten ihres Ex-Mannes Richard Yarborough. Die Ehe mit dem Wirtschaftsanwalt ging schon vor Jahren in die Brüche und seither hatte Vic keinen Kontakt mehr zu den beiden Mädchen. Reno hatte in Chicago in einem Finanzunternehmen namens „Rundum sorglos“ gearbeitet. Nach einem Betriebsausflug in der Karibik wirkte sie sehr aufgewühlt und als ihre Schwester sie jetzt besuchen will, ist sie spurlos verschwunden. Bei „Rundum sorglos“ handelt es sich um eine Kredit-Hai-Firma, die mit Kreditgeschäften nicht finanzkräftigen Menschen hinterhältig ausplündert. Für Vic verhärtet sich der Verdacht, dass ihr Ex, der Reno den Job besorgt hatte, seine Finger mit im Spiel hat. Reno misstraut der Polizei, so macht sich unsere Heldin alleine auf die Suche nach Harmony. Ihre Ermittlungen ergeben, dass es nicht nur um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geht, anscheinend war die junge Frau auch noch auf diverse Machenschaften ihrer Firma gestoßen und hatte Unterlagen an sich gebracht, die mächtigen Leuten gefährlich werden können.
Ich raste die Stufen hinab. Etwas traf mich von hinten, schleuderte mich die zweite Treppe hinunter. Das Jaulen hörte ich eine Nanosekunde später. Kugel im Rücken. Lag auf dem Treppenabsatz, rang nach Luft. Noch ein Ruf von oben: Bundesagenten, stehen bleiben oder wir schießen. Auszug Seite 98
Beide Fälle bringen Vic mächtig auf Trab und ähnlich Superwoman flitzt sie gehetzt durch ihre Stadt Chicago, fast ohne Schlaf und Erholung sowie seitenlang mit einer Kugel im Rücken. Sie ist notorisch überarbeitet, aber unterbezahlt. Trotzdem danken es ihr die „Familienmitglieder“ nicht besonders, sondern halten mit der Wahrheit hinterm Berg und verschwinden tagelang (Felix) oder misstrauen ihr und überschütten sie mit Vorwürfen (Harmony). Vic hat aber nun mal ein Herz für die Schwachen der Gesellschaft und riskiert bei der Aufklärung oft Kopf und Kragen. Sie sieht in den beiden jungen Frauen, die sich als sehr anstrengend, fordernd und unverschämt zeigen, überforderte, misstrauische weil immer wieder betrogene Menschen.
Der Kriminalroman erfordert beim Lesen höchste Konzentration. In über 500 Seiten und vielen kleinen Kapiteln gibt es keinen Handlungsstillstand und der Plot schlägt immer neue Kapriolen. V.I. ist Sara Paretskys politisches Statement, das sollte man bei der Lektüre bedenken. Die Detektivin, selbst aus einer Immigrantenfamilie stammend, kämpft stets gegen die Reichen, im Besonderen gegen die Mächtigen und Gierigen, die meinen, über Gesetz und Moral zu stehen. Es geht um Menschen, die durch das kapitalistische System in Not und Gefahr geraten sind, um Geflüchtete, die verfolgt und schikaniert werden.
Die Superreichen sind nicht wie du und ich. Nicht, wie Hemingway angeblich zu Fitzgerald sagte, weil sie mehr Geld haben, sondern weil das Geld sie glauben macht, all ihre Wünsche, ganz gleich wie abartig, müssten unverzüglich befriedigt werden. Auszug Seite 405
In „Schiebung“ wird deutlich, wie tief der ICE, die Einwanderungsbehörde der US-Regierung den Rassismus und die Angst vor Terror mit Hilfe von Überwachungen und Drangsalierungen im Alltagsleben der USA verstärkt hat. Im Lauf der Geschichte gerät Warshawski in einen Strudel aus Gewalt und Handel mit begehrenswerten Artefakten aus Syrien und dem Irak sowie mit Kreditgeschäften. Mir war es manchmal ein Schlenker zu viel und aufgrund der zahlreichen Themen, die in der Geschichte einfließen, leidet der Spannungsbogen. Die beiden Fälle sind in eine gut recherchierte Hintergrundgeschichte eingebettet, entwickeln nach und nach Gemeinsamkeiten und finden sich zu einem Gesamtfall zusammen, was keineswegs aufgesetzt, aber an der ein oder anderen Stelle nicht ganz plausibel wirkt.
Sara Paretsky legendäre Schnüfflerin V. I. Warshawski ist schon lange eine Klassikerin und kaum wegzudenken in der feministischen Krimilandschaft. Sie ist immer noch eine Idealistin, selbstbewusst und taff, lebt seit zwanzig Jahren allein und hat mit ihrer besten Freundin, der Ärztin Lotty eine Klinik im Rücken. Und mit ihrem alten Nachbarn, Mr. Contreras einen Freund, der sich um die beiden Hunde kümmert und ihr immer Unterschlupf gewährt.
Beginnend nicht mit einer schnöden Inhaltsbeschreibung, sondern mir einer Hommage an meine Lieblingsdetektivin Victoria Iphigenia ‚Vic‘ „V.I.“ Warshawski. Sie ist Sara Paretskys politisches Statement-
Ihr Charakter ist gekennzeichnet von einem Überfluss an Empathie für alle Verfolgten, ungerecht behandelten und alle am Rande der Gesellschaft leidenden. Sie fürchtet weder Tod noch Teufel, taucht immer dort auf wo es weh tut, folgt ihrer inneren Überzeugung und besitzt ein ermittlungstechnisch hilfreiches und persönlich umfangreiches „Portfolio“: Sie lebt seit zwanzig Jahren allein, mit ihren zwei Hunden und dem nachbarschaftlichen „Guten Geist“ Mr. Contreras, einer Klinik mit Lotty und einem Frauenhaus im Rücken und dem besten Kunde ihrer Detektei, der ihr – wenn es sein muss – seinen Privatjet zur Verfügung stellt.
Im eiskalten Pigeon River an der kanadisch/amerikanischen Nordgrenze ist VIC ihren Verfolgern überlegen und hat selbst die Natur auf ihrer Seite.
Letztlich zerdrückt sie das heimtückische Ego ihres Ex wie einst R. Harmstorf in „Seewolf“ die rohe Kartoffel (naja am Set war sie weichgekocht).
Der deutsche Titel „Schiebung“ erschließt sich mir nicht restlos, vielleicht könnte die Übersetzerin Else Laudan aufklären oder der Ariane Verlag; eher trifft der englische Originaltitel „Shell Game“ – Hütchenspiel – bezeichnet einen Taschenspielertrick, bei dem ein Kügelchen schnell unter drei Schalen von einer zur anderen verschoben wird - den Plot besser.
Die legendäre „Schnüfflerin“ V.I. Warshawski zurück in ihrer home town Chicago, um dem Großneffen ihrer liebsten Freundin Lotty bei einem Mord-Tatort beizustehen. Unabhängig davon – möchte man meinen – bekommt VIC überraschend Besuch ihrer Nichte Harmony, die ihre Schwester Reno vermisst.
Eine komplexe, gefährliche Tour durch die ausbeuterischen Fassetten der typisch US-amerikanischen Zahltags-Kreditgeschäfte, mit russischen Auftragskillern, Spuren in den Nahen Osten mit begehrenswerten Artefakten aus archäologischen Ausgrabungen und einer bedenkenloser ICE, der Einwanderungsbehörde des US-Regierung.
Der Plot ist komplex und kompliziert, erforderlich ist konzentriertes und mitdenkendes Lesen. Trotz der über 500 Seiten lässt Paretsky mit 60 kleinteiligen Kapiteln wieder einen Pageturner entstehen.
Um es kurz zu sagen – Sara Paretszky on top again.
Gespräche aus der Community
Zusätzliche Informationen
Sara Paretsky wurde am 08. Juni 1947 in Ames (Vereinigte Staaten von Amerika) geboren.
Sara Paretsky im Netz:
Community-Statistik
in 167 Bibliotheken
auf 7 Merkzettel
von 3 Leser*innen aktuell gelesen
von 1 Leser*innen gefolgt