Rezension zu "Wochenbett - Überlebenshandbuch, Tagebuch und Anker für die ersten Wochen nach der Geburt" von Sarah Schmid
IvoryLucyIch habe bereits das Buch "Alleingeburt" von Sarah Schmid gelesen. Dieses Buch ähnelt vom Schreibstil her diesem und leider gefällt mir das nicht in Gänze. Aber es ist natürlich Geschmackssache. Ich nehme schnell Stimmungen anderer auf und fühle mich sehr schnell getriggert, wenn ich zwischen den Zeilen eine feste Meinung erkenne, die ich entweder nicht teile oder wenn ich die Dinge anders erlebt habe oder aus Überzeugung anders mache.
Für mich schwingt in diesem Buch leider viel zu stark die eigene Meinung der Autorinnen mit. Dadurch ist das Buch weniger informativ für mich. Den Anfang des Buches fand ich klasse und genau diese Zeilen hätte ich im ersten Wochenbett definitiv gebrauchen können! Dann allerdings Seite für Seite schimmert für mich zu sehr eine strikte Haltung durch und somit ist das Buch sehr einseitig. Es klingt stark durch, dass Krankenhäuser kein guter Ort sind, Stillen das einzig Wahre ist, (Wegwerf)Windeln überhaupt nicht gehen und nur das Abhalten des Baby der einzig korrekte Weg ist, Fremdbetreuung ist auch doof, gerade, wenn das Kind noch sehr jung ist etc. etc. Auch das Thema Impfen wird nicht ausgelassen. Man bemüht sich um eine möglichst neutrale Meinung, anders als bei den anderen Themen, aber liest man deutlich, wird die Meinung der Autorinnen klar. Medizinische Ratschläge finde ich generell schwierig und daher empfinde ich die Ratschläge zur Selbstmedikation, zum Abwarten und Aussitzen, nicht für alle Babys zutreffend. Bin ich eher vorsichtig oder gar verunsichert, bereitet es mir ein schlechtes Gefühl, wenn ich so etwas lese. Ich möchte eher das Gefühl haben, dass es okay und gut ist, wenn ich mir Sorgen mache. Die Sorgen sind vielleicht nicht immer berechtigt, aber es darf so sein und die Mama oder der Papa dürfen zusammen mit ihrem Baby daran wachsen, bis sie vollständig vertrauen und sich sicher sind. Nicht jeder kann das gleich von Anfang an, denn das liegt an seiner eigenen Geschichte. Eine Mutter, der das Stillen schwerfällt oder die sich selbstbestimmt dagegen entscheidet, könnte sich beispielsweise durch so ein Buch angegriffen und minderwertig fühlen.
Der zweite Teil des Buches versöhnt mich etwas und ist schon eher nach meinem Geschmack.
Leider ist dieses Buch dennoch weniger als Ratgeber geeignet. Manche Themen wie zum Beispiel "größere Geschwister" sind mir ein wenig zu kurz und auch zu positiv gehalten. Durch ein kleines Geschwisterchen kann eine regelrechte Geschwisterkrise ausgelöst werden. Die "Entthronung" des großen Kindes. Da würden mir die Ratschläge aus diesem Buch keinesfalls weiterhelfen. Es wäre schön, wenn die Entthronung des großen Kindes auch in Kurzform hier Platz gefunden hätte. Positiv finde ich die Rezepte, Checklisten, Übungen, Meditationen etc. Das ist meiner Meinung nach sehr hilfreich, sorgt für eine positive Beschäftigung im Wochenbett und mit unter für eine gesunde Reflektion.
Das Buch würde mir, alles in allem, im Wochenbett nur eingeschränkt weiterhelfen und in manchen Momenten sogar verunsichern oder mir ein schlechtes Gefühl machen (zum Beispiel, wenn ich nicht stillen kann oder möchte). Ich dachte, ich könnte es den Frauen weiterempfehlen, die ich in der Schwangerschaft und im Wochenbett begleite. Aber da sollte ich individuell abwägen, ob es wirklich uneingeschränkt für die entsprechende Frau empfehlenswert ist.
Das alles ist nur meine Auffassung. Jeder andere kann das Buch lesen und das alles nicht so bewerten, wie ich. Das was ich schildere, ist einfach bei mir so angekommen und meine Meinung. Ich denke aber, dass dieses Buch seine begeisterte Leserschaft finden wird, selbst wenn ich überwiegend kritisch daherkomme.