Cover des Buches Fremde Gäste (ISBN: 9783404176052)
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Rezension zu Fremde Gäste von Sarah Waters

Der Fluch der bösen Tat

von Sidny vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Eine stimmungsvolle Zeitreise in die Zwanziger Jahre.

Rezension

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Sidnyvor 6 Jahren
London, 1922: Frances Wrays Familie wurde durch den Krieg stark dezimiert, die beiden Brüder sind gefallen, der Vater ist noch während des Kriegs vor lauter Gram um die verlorenen Söhne gestorben. So sind nur Frances und ihre Mutter übrig, die finanzielle Situation ist mehr als angespannt, da der Vater das Vermögen durch einige Fehlinvestitionen verloren hat. An den Vorkriegslebensstandard ist nicht mehr zu denken, Luxus wie Hausangestellte und hübsche Kleider schon längst nicht mehr zu finanzieren.
Um zumindest das Haus am vornehmen Champions Hill halten zu können, entscheiden sich die beiden Frauen schweren Herzens, einige Zimmer ihres viel zu groß gewordenen Hauses an "zahlende Gäste" zu vermieten. So zieht ein junges Ehepaar, Len und Lil Barber, bei den beiden Damen ein. Mrs Wray kann sich nur schwer an die fremden Menschen in ihrem Zuhause gewöhnen, doch Frances und Lil freunden sich schnell miteinander an, sie kommen sich zu nahe und ihre verbotene Liaison verursacht einen Strudel düsterer Ereignisse...

Bisher kannte ich von Sarah Waters nur den Roman "Der Besucher", den ich vor einigen Jahren gelesen habe, und der mir stark in Erinnerung geblieben ist. Als ich nun ihr neues Buch "Fremde Gäste" entdeckt habe, war ich natürlich sofort interessiert.
Und auch in diesem Buch hat die Autorin mich sofort wieder mit fein gezeichneten Figuren, ihrem wunderbaren Erzählton und dem spannenden Plot für sich eingenommen.

Der Start in die Handlung verläuft über eine weite Strecke, im Grunde den kompletten "Ersten Teil", sehr ruhig, fast schon behäbig. Als Leser kann man sich in aller Ruhe in die damalige Zeit einleben und die Personen kennenlernen, die in dem alten Haus am Champions Hill Leben.
Mrs Wray ist eine ältere Dame, und lebt nach viktorianischen Idealen. Die modernen, geschminkten Frauen mit ihren Pagenköpfen und kurzen Kleidchen sind ihr ein Gräuel. Leider ist Lil Barber, Anfang 20, ein solches Exemplar Frau. Obwohl sie schon drei Jahre mit Len verheiratet ist, ist das Paar noch immer kinderlos und besucht gerne Tanzlokale. Frances dagegen ist mit Ende 20 für die damalige Zeit schon eher als alte Jungfer einzuordnen. Vor und während des Krieges hat sie mit der Suffragetten-Bewegung sympathisiert und ihr mangelndes Interesse an der Männerwelt bereitet Mrs Wray große Sorgen. Len ist dagegen selten zuhause, wenn er nicht seiner Arbeit bei einer Versicherung nachgeht, spielt er Tennis oder geht mit seiner Frau oder seinen Freunden aus.
Mit Beginn des zweiten Teils beginnen sich die Ereignisse dagegen zu überschlagen, das Erzähltempo wird deutlich rasanter und gipfelt in einem schrecklichen Vorfall.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Folgen, die sich daraus ergeben, und deren Auswirkungen auf die Beteiligten.

Ich denke, es wird viele Leser geben, die eher einen Krimi erwarten, und denen der Einstieg in das Buch zu lange dauert. Wenn man sich aber auf das Erzähltempo von Sarah Waters einlassen kann, kann man wunderbar in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts abtauchen und sich von dem anschließenden Sog aus Betrug, Gewalt und Lügen mitreißen lassen.
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