Rezension zu "Der Puppenwald" von Saskia Calden
Jessicas Geschichte ist spannend. Da ist Feuer drinnen, Leidenschaft, die ganze Seele der Autorin, die sich für jedes Wort förmlich opfert. Ich habe die Atmosphäre gespürt, ich war dort, ich war eine Gefangene, die verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit gesucht hat. Ich habe mitgelitten.
Sobald sich die Perspektive aber wechselt und man die Geschichte aus der Sicht der Ermittlerin verfolgt, verliert das Buch all seine Kraft und wird langweilig. Und das ist so ein Ping-Pong-Spiel der Autorin, die hin und her zwischen den beiden Figuren wechselt.
Jedes Kapitel mit Evelyn wird zu einer Qual, die sich nur dahinzieht. Sie ruiniert den Spannungsbogen. Ihre Bewunderung gegenüber Jessica wirkt gekünstelt. Die Autorin macht die Ermittlerin nicht glaubwürdig. Sie wirkt unbeholfen und wie eine Frau, die dermaßen überfordert von Jessicas Geschichte wird, dass sie sich fast schon wie ein kleines Mädchen benimmt. Wie soll ich ihr da die taffe Frau abkaufen, die fast ein Jahrzehnt als Polizist gearbeitet hat?
Aus irgendeinem Grund ist Evelyn steinreich, als wäre das für die Handlung wichtig. Natürlich ist ihr das ganze Geld egal und natürlich sind ihre Eltern gestorben und ja, sie hat einen Ehemann, der so lieb ist, dass ich gerne kotzen würde.
Die ganze Geschichte arbeitet in Richtung Jessicas Flucht. Das ist der Wendepunkt. Ich habe nicht gleich eine großartige Flucht erwartet, aber dennoch war ich mir sicher, es würde zu einem Kampf kommen, zu einer Konfrontation, die in einem Höhepunkt gipfeln würde. Tut es nicht. Die ganze Vorarbeit geht flöten, weil ihre Flucht so leicht glückt, als wäre es ein Kinderspiel gewesen und der Entführer ein riesiger Vollidiot.
Der finale Kampf ist so bescheuert, so billig, als hätte die Autorin keine Ahnung vom menschlichen Wesen. Ihr Antagonist gehört in einen Zeichentrickfilm.
Das Ende ist ein riesiger Haufen Kaka, mit der sich die Autorin über die ganze Handlung von Jessica lustig macht, die Glaubwürdigkeit der Figuren zerstört und das ganze Buch in den Dreck zieht. Sie saugt sich die Gründe aus den Fingern und macht aus dem Buch einen Witz, der damit endet, dass ich bereue, es gelesen zu haben.
Jessicas Geschichte war so gut, so authentisch, so spannend, ich hätte gesagt, wegen Jessica hätte sich das Lesen noch gelohnt, aber sogar das nimmt mir die Autorin weg und entblößt Jessica als Lügnerin, die mit einer billigen Geschichte einen bescheuerten Plan verfolgt hat. Was für eine Enttäuschung.