REVIEW ENTHÄLT SPOILER
Als eine Person, die sehr gerne Gothic/Folk Horror liest und Saskia seit Jahren auf Social Media folgt, wollte ich their Buch wirklich gern lesen. Wird es doch im Netz mit starken Buzzwords wie "intersektionaler Feminismus" und "Repräsentation" von z.B. Zwangsgedanken/Handlungen beworben und das alles eingebettet in einen spooky Plot.
Ich muss gleich sagen, dass mich dieses Buch sprachlos zurückgelassen hat. Denn es hat nicht nur massive Schwächen in Aufbau, Charakterentwicklung, Spannungsbogen und generell Plot, es hat auch eine Message, die dem entgegenläuft, was ich erwartet hatte.
Und nein, es macht mir keine Freude das hier zu schreiben, denn es gibt zu wenig Gothic Literatur auf dem deutschen Markt, und ich WILL, dass dieses Genre mehr verlegt wird und ein breiteres Publikum anspricht.
Beginnen wir von vorn. Schon der Einstieg und die "Backstory" zwischen Rosamund und dem Baron von Stein macht wenig bis keinen Sinn. Sie haben sich random auf dem Markt getroffen, er war einmal mit ihr und ihrer Schwester in "der Oper" und schon waren die zwei verheiratet. Bevor, wir diese Informationen verarbeiten können, ist Rosamund schon auf dem Weg mittels Zug zu ihrem Ehemann. Warum dieser ihr weder eine passende Grundausstattung für eine Baronin hat anfertigen lassen, noch mit ihr zusammen zurück in heimische Gefilde reist ... es wird nicht beantwortet. Historische Details aus dem späten 19. Jhd, die den Text lebendiger gestalten würden und auch das Salz in der Suppe historische Geschichten im Generellen sind, sucht man leider vergebens. Es fehlt auch ein Verständnis für die Zeit, für die sozialen Gefüge, die Mode ... einfach alles. Was wir bekommen, sind Oberbegriffe wie "Er ging mit uns in die Oper" welche Oper? Erfahren wir nicht. Sie hatte "ihr bestes Kleid an" was bedeutet das? Und so geht es immer so weiter. Alles ist nur "das Schloss" "das Bett" "das Abendkleid", alles bleibt absolut detailarm, dabei ist gerade in der Schauerliteratur eine atmosphärische Beschreibung wichtig, um Stimmung aufzubauen.
Stattdessen bekommen wir sehr seltsame Metaphern in Hülle und Fülle, die im ersten Moment schwülstig übertrieben wirken, aber wenn man sie kurz wirken lässt, meist keinen Sinn ergeben. Was ich leider auch anmerken muss, sind die vielen Schreib- und Interpunktionsfehler sowie Stilblüten, die den Lesefluss nicht gerade angenehmer gestalten. Es fand wohl ein Korrektorat statt, allerdings wurde da augenscheinlich einiges übersehen.
Zwar versucht Saskia Dreßler mit den gängigen Tropes des Genres zu spielen. Z.B. dem "ominöse Warnungen von Einheimischen" Trope, aber es zündet nicht, weil keine wirkliche Stimmung aufgebaut wird, und keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Gesagten stattfindet. Anstatt mit dem Kutscher, der murmelt "Oh zum Schluss, ich würde da nicht hinfahren, das ist gefährlich" murmelt, eine Konversation zu führen, tut Rosamund das gleich mit "ach was, ich hab mich verhört ab"
Kaum im Schloss angekommen, wird Rosamund von seltsamen Visionen von schreienden Nonnen heimgesucht. Und sie findet heraus, dass der Graf bereit 5x verheiratet war und alle ihre Vorgängerinnen an "einer Krankheit" verstorben sind. Allerdings bringt das Rosamund nicht dazu aktiv nachzuforschen. Sie ist in einem endlosen Loop gefangen, der daraus besteht, zu realisieren, dass etwas nicht stimmt, sich an sich die richtigen Fragen zu stellen, dann aber zu sagen "damit will ich mich jetzt nicht befassen" (ja, das steht so mehrmals im Text sic.) und dann aufzugeben, bis der Loop wieder von vorn startet. Die Hölle ist Wiederholung, so auch hier. Das macht Rosamund zu einer unsagbar passiven Protagonistin ohne eigene agency in einem Roman, der sich doch feministisches Empowerment auf die Fahne schreibt. Sie stolpert ziellos durch Ort und Schloss und vermittelt so das Gefühl, dass der Plot keinen echten roten Faden hat, sondern der vagen Idee eines Mash-Ups aus der Blaubart Geschichte und Frankenstein folgt, ohne wirklich kreative Ideen zu haben, wie man die Grundideen beider Geschichten neu interpretieren könnte.
Dann hat Rosamund die erste Vision von einer der toten Frauen des Baron und ich war nur noch geschockt.
CW Ermordung und Verstümmlung einer trans Frau
Wir lernen in dieser Vision eine namenlose trans Frau kennen, die zwar offen als Frau leben kann, trotzdem angefeindet und meist von der Gesellschaft ausgeschlossen wird, man akzeptiert ihre Anwesenheit, weil sie Geld hat. Dann hält der Baron um ihre Hand an und zwei Seiten später erleben wir, sehr plastisch, ihre Verstümmlung und Ermordung mit.
In den positiven Tags, die dem Text vorangehen wird "trans Person" aufgeführt. Ich bin selbst nicht trans, kann mir aber auch nicht vorstellen, was genau an dieser Figur (denn es ist die einzige trans Figur im Buch) positiv besetzte Repräsentation sein soll. Leben wir doch in einer Welt in der täglich (trans) Frauen von cis Männern ermordet werden und Personen der trans Community immer mehr Hass und Anfeindungen ausgesetzt sind. Fast bis zum Ende erfahren wir nicht einmal den Namen dieser Frau. Henriette. Ich persönlich sehe da auch nichts empowerndes in ihrer Figur, war ihre einzige Daseinsberechtigung in der Handlung, getötet und für Experimente missbraucht zu werden. Henriette ist tot und nichts, als ihre Augen leben in dem Wesen weiter, das der Baron zusammengebastelt hat.
Auch den anderen Frauen des Barons ergeht es nicht besser, so erfahren wir nur von zweien die Geschichte. Und den Namen von Nummer drei. Die anderen beiden Baronessen bleiben Geschichts- und namenlose Plotdevices, sind nur da, um zu zeigen, wie böse der Baron ist. Was daran feministisch sein soll, erschließt sich mir nicht.
Nach einigem hin und her stolpert Rosamund dann in das Frankensteinlabor ihres Ehemannes. Dieser informiert sie dann darüber, dass er sich aus all den anderen Frauen eine "perfekte Frau" ohne eigenen Willen erschaffen hat und Rosamund jetzt noch das letzte Teil beisteuern soll. Weder wird erklärt, wie genau der Baron dieses Wesen zum Leben erweckt hat, noch geht der Plot weiter, also bis zum Standard "Bösewichtmonolog" der hier sehr flach ausfällt, hatten der Baron und Rosamund höchstens 3 Szenen zusammen. Von einem Showdown kann also nicht die Rede sein.
Von Rosamund angeleitet tötet das Wesen den Baron. Vielleicht sollte das das angesprochene feministische empowerment sein, allerdings sind die Frauen tot, bleiben tot und das Wesen hat keinen eigenen Willen. Die einzige die gut aus der Sache herauskommt ist Rosamund (yeah) erfahren wir doch im Epilog, dass sie sich einen kleinen Hund gekauft hat und nach dem Tod des Baron, jetzt erst mal das Schloss putzen will.
Ich weiß wirklich nicht, was ich von dem Buch halten soll. Die Ermordung von Henriette hätte schwarz auf weiß in den CWs stehen müssen, stattdessen steht da nur "Transfeindlichkeit angedeutet". Natürlich könnte man jetzt in einer verqueren Logik argumentieren, dass der Baron Henriette ja nicht getötet hat, weil sie trans ist, sondern weil er ihre Augen wollte, allerdings Frage ich mich, ob der Verlag, der sich ja als ein Safe Space für marginalisierte Gruppen versteht, hier nicht in der Pflicht wäre trans Lesende vor evtl. triggernden Inhalten zu schützen, in dem die Ermordung einer trans Person schwarz auf weiß in den CW steht.
Kommen wir zum Thema Repräsentation von Zwangsgedanken/Handlungen, ein Thema das mir sehr wichtig ist, leide ich doch selbst seit langer Zeit darunter. Leider war auch hier die Umsetzung eher mager und die Zwangswäschen von Rosamund verkommen zu Szenenkitt, der 2-3 Mal kurz eingebaut wird, wenn ein Übergang zwischen zwei Szenen gebraucht wurde, und es ist nicht etwas, das Rosamund wirklich beschäftigt oder quält. Als jemand der damit zu kämpfen hat, finde ich diese Darstellung wirklich nicht gelungen.
Auch die "angedeutete sapphische Querness" ist für mich nicht klar zu benennen. Weil entweder sind es die Konversationen die Rosamund (27) mit ihrer minderjährigen Zofe (16) führt. Oder es sind ihre aufkeimenden Gefühle für das Wesen, das der Baron erschaffen hat. Ein Wesen, ohne eigenen Willen, das tut was man ihm sagt. Ich hab nix gegen Monsterf*cker, aber diese Monster müssen Consent geben können. Beide Möglichkeiten hier, rücken queere Menschen wieder in Ecken, die ich, als bisexuelle Frau, nicht mag. Ich will Repräsentation auf Augenhöhe, nicht was auch immer hier versucht wurde anzudeuten.
Unterm Strich kann ich das Buch aus vielen Gründen nicht empfehlen. Ich weiß, dass guten Grusel schreiben eine hohe Kunst ist, aber die "Geschichte" hier ist einfach zu unausgereift. Ich verstehe auch nicht warum hier nicht mehr Lektoratsarbeit in die offensichtlichen Schwächen bei Pacing, Plot und Umsetzung geflossen ist.
Unterm Strich ist es nicht gruselig oder spannend, und es vermittelt - für mich - auch nicht die Werte, mit denen es vermarktet wurde.
Keine Leseempfehlung.