Cover des Buches Yehoshua ben Josef (ISBN: 9789963520176)
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Rezension zu Yehoshua ben Josef von Scott Jenkins

SF-Roman vor historischer Kulisse mit theologischen Mißverständnissen

von Sonnenwind vor 10 Jahren

Rezension

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Sonnenwindvor 10 Jahren
Dieses Buch ist eine Science Fiction-Story der Art, die in der Vergangenheit spielt. Von uns aus gesehen in der Zukunft wird die Zeitreise entwickelt und drei junge Studenten reisen in die Zeit Jesu. Der Anfang bietet SF-typische wissenschaftliche Grundlagen wie die Physik der Zeitreise und deren Technik. Realistisch wird deutlich, wie groß der Aufwand für so ein Projekt ist und wie viele Faktoren zu berücksichtigen sind.

Sehr schön beschrieben werden die gesellschaftlichen Umstände, die Hygiene bzw. der Mangel daran. Diese Dinge sind nicht in allen Punkten sorgfältig recherchiert, aber recht gut zu lesen.

Ein knappes Drittel des Buches nimmt das Kapitel 9 ein, das die Zeitreise an sich beschreibt. Einen Roman in einen historischen Zusammenhang einzuordnen, ist das eine Problem, und je weniger Fakten dem Autor zur Verfügung stehen, desto schwieriger ist die Umsetzung. Wo die Fakten fehlen, muß die Phantasie einspringen; das ist soweit auch in Ordnung.

Schwierig wird es da, wo man Geschehnisse erfindet, die der einzigen verläßlichen Quelle widersprechen. Die Beweise für die Authentizität der Bibel sind überwältigend, und deshalb kann man dieses Zeitzeugnis nicht einfach übergehen. In diesem Punkt schwächelt die Recherche und gründet sich auf Daten, die nicht fundiert belegt werden können.

Eine Reihe von theologischen Aussagen sind kritisch zu bewerten. Der Gedanke, daß Jesus in Indien war und sich da von einem Guru die Weisheit hat erklären lassen, grenzt an Blasphemie. Der Sohn Gottes hat es nicht nötig, sich von Menschen in menschliche Weisheit einführen zu lassen.

Manches andere läßt auf simples Unverständnis schließen: "Waren sein Leben und seine Botschaft nicht wichtiger,(sic!) als das fantastische Ereignis der Auferstehung?" Die Auferstehung ist der zentrale Kern der Botschaft des Evangeliums, und ohne die Auferstehung fällt der gesamte christliche Glaube in sich zusammen. Wenn die Studenten eine solche Frage stellen, ist das entschuldbar und als rhetorisches Mittel erlaubt, jedoch sollten dem Fakten entgegengestellt werden.

Gegen Ende des Buchs wird ein Krankheitsbild ausgewertet, das die Bezeichnung "Messias-Syndrom" erhält. Es wird unterstellt, Jesu Ausstrahlung sei ein psychologischer Trick, eine Art Massenhysterie. Das ist blasphemisch. Jesus hatte eine natürliche Autorität, die aus seinem Auftrag, seiner Herkunft und seiner Persönlichkeit resultierte.

Die Theorie um den Verräter Judas ist zwar schon alt, aber dadurch nicht richtiger. Wenn Jesus ihm den Auftrag gegeben hätte, ihn zu verraten, wäre Judas nicht schuldig gewesen. Dem widerspricht die Bibel aber unmißverständlich.

Dann heißt es, die Auferstehung hätte am Montag stattgefunden. Das läßt sich nirgendwo belegen und widerspricht der eindeutigen Aussage des biblischen Textes. Ich gehe davon aus, der Autor wußte nicht, daß die jüdische Woche Sonntags beginnt - und kein Lektor hat genügend Aufmerksamkeit auf den Text verwendet.

Jesu Tod wird im Text bezweifelt, und als Beleg wird ausgerechnet das Turiner Grabtuch herangezogen. Aber gerade das bezeugt, daß der Mann, der in diesem Tuch bestattet wurde, tot war. Kein Mensch hätte es überlebt, wenn sämtliche Körperöffnungen - wie hier geschehen - mit Salbe zugekleistert und dann luftdicht umwickelt worden wären. Insbesondere nach den Folterungen, die er durchmachen mußte und die durch die Negativphotographie sichtbar werden. Ob das Turiner Grabtuch echt ist, ist noch nicht letztgültig erwiesen - erst recht nicht, ob Jesus Christus darin bestattet wurde.

Die Vermischung, wie sie hier im Buch stattfindet, wo teilweise reale Fakten, teilweise menschliche Deutungen und dann wieder reine unbelegbare Ideenkonstrukte kombiniert werden, ist außerordentlich heikel. Für einen gewöhnlichen Stoff wäre das nicht weiter von Belang, aber der Sohn Gottes hat eine unvergleichlich höhere Bedeutung und darf nicht durch fehlerhafte Arbeitsmethoden abgewertet werden. Jesus wird hier als Abkömmling einer zukünftigen "Menschenrasse" als Mensch gedeutet. Gott existiert hier im Buch nicht, das Evangelium wird verwässert und umgedeutet, bis es eine gefährliche Irrlehre bildet. SF und Roman ist in Ordnung, aber wenn eine Handlung so nah an der Realität liegt, muß man das deutlich kennzeichnen!

Man muß nicht an die Bibel glauben, um ihr nicht zu nahe zu treten. Ein wenig Zurückhaltung hätte bei diesem heiklen Stoff genügt. Es gibt viele Bücher aller Genres, die sich mit Jesus von Nazareth beschäftigen, ohne an seine Heiligkeit zu rühren - auch von Autoren, die selbst nicht an ihn glauben. Zumindest so viel sollte man erwarten können.

Die Bewertung ist schwierig. Der unproblematische Teil des Romans ist recht ansprechend - zwar mangelhaft recherchiert und lektoriert, aber angenehm zu lesen. Das Kapitel 9 ist gefährlich und wertet das Werk als Ganzes ab. Mit viel Wohlwollen zwei Rest-Sterne für den Romanteil. Ohne Kapitel 9 hätte ich mich für drei Sterne entschieden, mehr sind wegen der sprachlichen, orthographischen und Recherche-Mängel nicht drin.
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