Cover des Buches The Lies of Locke Lamora (Gentleman Bastards) by Lynch, Scott (2007) Mass Market Paperback (ISBN: B00M0CYTDA)
Rezension zu The Lies of Locke Lamora (Gentleman Bastards) by Lynch, Scott (2007) Mass Market Paperback von Scott Lynch

The Lies of Locke Lamora

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein buchstäblich todsicherer Ausweg aus der Leseflaute.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Jahren

Meine Meinung

Ich hatte schon sehr lange vor, diese Reihe endlich anzufangen, und rückblickend bereue ich es, so lange gewartet zu haben. „The Lies of Locke Lamora“ hat mich ein bisschen an die „Six of Crows“-Duologie von Leigh Bardugo erinnert, der Tonfall ist aber noch ein bisschen „erwachsener“.

Scott Lynch wirft den Leser zu Beginn ohne große Vorrede ins Geschehen, mitten hinein in eine rasante, fesselnde Story, die mehr Haken schlägt als ein Hase auf der Flucht vor Verfolgern. 700 Seiten klingen nach viel, haben sich aber selten so kurz angefühlt wie bei diesem Buch. Getreu Murphy’s Law geht bei diesem Abenteuer alles schief, was nur schiefgehen kann, bis Locke und seine Freunde mit dem Rücken zur Wand stehen. Dabei zieht sich der Autor nie auf einfache Deus Ex Machina-Lösungen zurück, sondern treibt seine Figuren an ihre Grenzen und darüber hinaus. Den ganzen Roman über wird immer wieder zwischen der gegenwärtigen Handlung und Episoden aus Lockes Ausbildung zum Meisterdieb gewechselt. Lynch verwebt meisterhaft die beiden Zeitebenen miteinander: Am Anfang sind die Erzählstränge unabhängig voneinander, gegen Ende gibt es jedoch immer mehr Verknüpfungen zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Ebenso viel handwerkliches Geschick beweist der Autor beim Worldbuilding. Er erschafft eine faszinierende, vielschichtige Welt – die Art von fiktivem Universum, die man eigentlich verlassen möchte, aber nicht kann, weil man viel zu gebannt von den Beschreibungen ist. Die Handlung spielt fast ausschließlich in der Stadt Camorr, man erfährt nach und nach jedoch auch eine Menge über die Reiche außenherum. Plumpes Infodumping sucht man hier vergebens, stattdessen werden Informationen geschickt gestreut. Besonders geschickt gemacht ist, dass scheinbar nebenbei erwähnte Details später in der Geschichte wichtig werden. Dieser Roman gehört übrigens nicht ins Jugendbuch-Regal, weil es sich nicht um eine friedliche, rosarote Fantasywelt handelt. Hier wird nicht nur gestohlen, sondern auch gedroht, gemordet und gefoltert, und das ziemlich detailreich.

Trotz Brutalität und vieler tragischer Ereignisse ist „The Lies of Locke Lamora“ jedoch kein deprimierendes Leseerlebnis, ganz im Gegenteil. Das ist vor allem dem Schreibstil des Autors zu verdanken, der selbst in den düstersten Momenten mit herrlich witzigen Dialogen aufwartet. Der ganze Text hat eine wunderbare Leichtigkeit, die die Geschichte vergnüglich, unterhaltsam und gegen Ende manchmal überhaupt erst erträglich macht. Das bedeutet nicht, dass Gewalt hier verharmlost wird, aber in den dunkelsten Stunden ist es eben nur noch mit etwas Ironie und Galgenhumor möglich, weiterzumachen.

Der Protagonist Locke ist kein edelmütiger Robin Hood, der Geld von den Reichen stiehlt und es an die Armen verteilt. Er und seine Band bestehlen tatsächlich nur Menschen, die jede Menge Geld entbehren können, aber nicht aus Gerechtigkeitssinn heraus. Als Kinder sind sie zu Dieben geworden, um zu überleben, als Erwachsene geht es ihnen im Grunde vor allem um den Spaß an der Freude, um die Herausforderung, sich immer waghalsigere Coups einfallen zu lassen. Als Leser mag man Locke nicht aus moralischen Überlegungen heraus, sondern weil man einfach nicht anders kann. Spitzbübisch, schlagfertig und immer auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn wandelnd, nimmt Locke den Leser, seine Freunde und sogar seine Opfer für sich ein. Eines der Dinge, die diesen Roman zu so einem erfrischenden Lesevergnügen machen, ist, dass die Hauptfigur weder ein durch und durch schlechter Mensch ist noch ein selbstloser Heiliger. Locke tut, was er tun muss, um durchs Leben zu kommen, und hat dabei auch noch jede Menge Spaß.

Auch bei anderen Figuren kommt die Vorliebe des Autors für „graue“ Charaktere zum Vorschein. Oder anders gesagt, dieser Roman ist bis zum Bersten gefüllt mit schillernden Persönlichkeiten. Da ist zum Beispiel der Unterwelt-Chef Capa Raza, der mit Gewalt einen blutigen Bandenkrieg beendet hat, mutmaßliche Verräter den Haien zum Fraß vorwirft, seine Tochter über alles liebt und von ihr geliebt wird. Lockes resoluter Mentor Chains, der tagsüber vorgibt ein blinder Mönch zu sein, seine Lehrlinge mit unkonventionellen Methoden zu Meisterdieben erzieht und Sinn für Luxus hat. Oder Doña Vorchenza, die den Frauen der Oberschicht Ratschläge erteilt und alt, aber alles andere als schwach und gebrechlich ist. Ich freue mich schon darauf, viele dieser Figuren im nächsten Band wiederzutreffen.

Fazit

Ein großartiger Start ins Lesejahr! „The Lies of Locke Lamora“ ist ein spannender, mitreißender Reihenauftakt mit einem im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtigen Protagonisten.

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