Es gibt Länder, die man bisher noch nie in seinem Leben bereist hat und welche trotzdem einen gewissen Platz im Herzen einnehmen, da sie unsere Faszination wecken, neugierig machen und etwas Heimatliches ausstrahlen. Für mich war dies stets Schottland. Die Lebensart, die Musik, die raue Landschaft und auch die kantige Sprache faszinieren mich, meine Lieblingsautoren Sir Arthur Conan Doyle und Ian Rankin sind Kinder der Hauptstadt Edinburgh. Wenn dann eine Autobiographie von Sean Connery angekündigt wird, stolzer Schotte, bester James-Bond-Darsteller und mit Abstand einer der einprägsamsten Schauspieler in der Geschichte des Kinos, kann ich gar nicht umhin, als mir dieses Werk zu kaufen. Und überhaupt ist „Being a Scot“ lang erwartet, hatte sich der inzwischen achtzigjährige Connery doch viele Jahre gesträubt, seine Memoiren niederzuschreiben und die Buchveröffentlichung immer wieder verschieben lassen. Nun ist es unter dem Titel „Mein Schottland, mein Leben“ endlich auch auf dem deutschen Büchermarkt gelandet. Nur kann es die hohen Erwartungen überhaupt erfüllen?
Es kommt darauf an, mit welche Erwartungen man genau an das Buch herangeht. Eins wird jedenfalls bereits nach knapp hundert Seiten deutlich: Das gemeinsam mit Murray Grigor niedergeschriebene Werk enthält wesentlich mehr „Mein Schottland“ als „Mein Leben“. Wer hier auf James-Bond-Anekdoten oder spektakuläre Enthüllungen des einstigen „Sexiest Man Alive“ gehofft, sich vielleicht gar nähere Einblicke in sein intimes Privatleben gewünscht hat, wird unweigerlich bitterlich enttäuscht werden. Connerys Memoiren lesen sich stattdessen eher wie ein umfangreicher Kulturreiseführer durch Schottland, der Wissenswertes über die Landesgeschichte, Berühmtheiten, keltische Mythen, Literatur, Architektur und Sport mit dem Lebensweg des Schauspielers verwebt, ohne dass dieser jemals wirklich in den Exkursen im Mittelpunkt steht. Connery gibt kaum Persönliches preis, schwelgt wenig in Erinnerungen. Nur am Anfang erfährt der Leser, wie er im Alter von neun Jahren um sechs Uhr früh aufgestanden ist, um vor der Schule Milch auszufahren. Er schildert, warum er mit 13 die Schule geschmissen hat, um eigenes Geld zu verdienen und wie er über den Umweg vom Sarg-Polierer, Bademeister, Aktmodell oder Türsteher letztendlich bei der Schauspielerei gelandet ist. Was Näheres mit ihm passiert ist, nachdem er diese Karriere angetreten hat, bleibt für den Leser im Dunkeln.
Vielmehr versucht uns Connery nach diesem Kapitel über seine Jugend sein Heimatland nahe zu bringen, das er aus ganzer Seele liebt und mit dessen Geschichte und Kultur er sich, trotz seines Wohnsitzes auf den Bahamas, immer noch stark verwachsen fühlt. In der Art und Weise des Handlungsaufbaus verfolgt das Buch somit einen ähnlichen Anlass wie seinerzeit der Dokumentarfilm „Sean Connery's Edinburgh“ von Murray Grigor. Durch die Erzählweise eröffnen sich dem Leser zahlreiche Perspektiven, die sowohl Schottlandkenner, wie auch Neulige und Interessierte an diesem Land begeistern dürften. Auszugsweise und in kurzen Absätzen, wrd man an die jeweilige Thematik der Kapitel herangeführt und stellt erstaunt fest, dass das Wirken der Schotten in der Vergangenheit auch den Rest der Welt maßgeblich beeinflusst hat. Ob in der Architektur, im Schiffsbau oder ganz besonders in der Literatur – Schottland hat der Welt seinen Stempel aufgedrückt, wenngleich die sich oftmals selbst kasteiende Nation, das immer wieder unter den Teppich zu kehren versucht.
Als deutscher Leser kommt einem das merkwürdig bekannt vor. Auch Schottland hadert mit Entscheidungen aus der Vergangenheit, was Connery, bei aller Liebe zu seiner Heimat, immer wieder mit kritischen Tönen kommentiert. Er legt an mancher Stelle den Finger in die nicht selten selbstverschuldeten Wunden der Nation, berichtet stets offen und ehrlich über die wichtigen Momente in der Geschichte von Schottland. Von Glorifizierung und Mystifizierung keine Spur. Connery bleibt sachlich, spart sich den Druck auf die oftmals in Biographien überstrapazierte Tränendrüse. Vielmehr beschreibt er nüchtern die Wendepunkte, wo sich die Schotten selbst manches Mal ein Bein gestellt und ihren englischen Unterdrückern und Besatzern leichtfertig in die Hände gespielt haben. Diese entwaffnende Ehrlichkeit Connerys durchzieht das komplette Buch und unterstreicht sowohl seinen als auch den Charme des Landes.
Connery und Grigor räumen mit manchem Klischee auf und zeigen an anderer Stelle äußerst humorvoll ihren Ursprung. Dabei wird Schottland selbst nie entzaubert, bleiben immer genug Dinge im Dunkeln, um selbst einen Trip in das Land von Kilts, Dudelsäcken und Whisky zu wagen. Ob nun deshalb „Mein Schottland, mein Leben“ weniger oder mehr als eine Autobiographie ist, muss jeder Leser für sich entscheiden. Fakt ist: Die ein oder andere Anekdote mehr hätte dem Buch sicherlich gut getan, das besonders im letzten Drittel ein wenig von Fakten und Daten überladen wird und sich nur noch mit zäher Verbissenheit durchkämpfen lässt. Einzige Auflockerung sind da dann die zahlreichen Bilder und Farbphotographien, die für mich zu den Highlights dieses Werks zählen und letztlich einen größeren Blick hinter die Kulissen erlauben, als der eigentliche Text selbst. Auch hätte ich mir noch ein wenig mehr zum Thema schottische Unabhängigkeit gewünscht, die der glühende Patriot Connery mit viel Engagement auf den Weg bringen will, die hier aber auch erstaunlich stiefmütterlich behandelt wird.
Auf viele Fragen bekommt man, und das ist schade, leider keine richtige Antwort. Warum hat Connery Hollywood den Rücken gekehrt? Was hat er selbst von anderen Schauspielerkollegen im Laufe seiner Karriere gelernt? Welchen seiner Filme schätzt er am höchsten ein? Hierzu sagt der sympathische Schotte nichts und der Mensch Connery bleibt weitestgehend im Schatten. Andersereits ist es wohl auch eben diese bescheidene Zurückhaltung, welche diesen letzten richtigen männlichen Charakterdarsteller so beliebt und einzigartig macht.
Insgesamt ist „Mein Schottland, mein Leben“ ein Buch mit Licht und Schatten. Licht, weil Schottland in seiner Gänze objektiv und doch unterhaltend zum Leben erweckt wird. Schatten, weil man sich, nach dieser langen Wartezeit, doch wesentlich mehr Informationen über Sean Connery erhofft hatte.