Cover des Buches Noah (ISBN: 9783838772905)
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Rezension zu Noah von Sebastian Fitzek

Die Angst des Autors vor der Katastrophe

von franzzi vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Dieser an die Bourne-Verschwörung erinnernde Roman fängt vielversprechend&brisant an, um in einer unverschämt simplen Auflösung zu versinken

Rezension

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franzzivor 10 Jahren
Um Sebastian Fitzek habe ich in meinem Leserleben bisher einen großen Bogen gemacht. Thriller sind für gewöhnlich nicht so meine Sache und der Hype und die überbordenden Auflagen seiner Bücher taten ihr Übriges. Meine natürliche Scheu vor diesen überlebensgroßen Bestsellern, die sich scheinbar jeder bemüßigt fühlt, zu kaufen, bewahrte mich bisher bereits vor der Lektüre von Charlotte Roches Romanen, vor Thilo Sarrazin, Dieter-Bohlen-Biographien oder den unendlichen Schattierungen von Grau. So wollte ich es auch mit Fitzek halten, bis, ja bis ich ihn auf der Leipziger Buchmesse erlebte.

Da saß dieser sympathische Mann mit einem ARD-Mikro in der Hand und erzählte von den Hintergründen seines neuen Romans "Noah". Von der Profitgier der Lebensmittelkonzerne und der Hybris der westlichen Welt, die den Welthunger duldeten, solange sich damit noch der ein oder andere Dollar abpressen ließ. Die nicht-regeneratives Saatgut an die armen Landwirte in Afrika verkaufen, nur damit sie sich ja kein eigenes Saatgut ziehen. Die ihre tiefgefrorenen Geflügelabfälle auf den Märkten der Armutsviertel verramschen und den dortigen Kleinbauern jegliche Existenzgrundlage nehmen. Nun gut, dachte ich, er hat also einen politischen Thriller geschrieben, und legte mir kurz darauf das Hörbuch zu.

Es ging vielversprechend los. Wenig störte mich die Tatsache, dass der gedächtnislose und schwer verletzte Mann in Berlin irgendwie an die Bourne-Verschwörungs-Filme erinnerte. Ich konnte auch über die oft bemüht und konstruiert wirkenden schiefen Sprachbilder und nur scheinbar lebendigen und kreativen Beschreibungen hinwegsehen.

Ich wollte wissen, wer dieser Noah war, den sein Helfer, der obdachlose wie schrullig-liebenswerte Oskar, da seit Wochen pflegte. Den Oskar Noah nennt, weil er diesen Schriftzug in seinen Handrücken tätowiert hat. Ich wollte wissen, warum Noah sich an nichts mehr erinnern konnte und welche Verbindung es gibt zwischen seiner Geschichte und der des gutmütigen Pharmakonzern-Chefs, der auf dem Podium einer Wohltätigkeitsveranstaltung angeschossen wird, als er gerade über die Profitgier und die Einfalt der westlichen Welt herzieht. Und was hat es mit dieser teuflischen Manila-Grippe auf sich, die sich gerade wie ein tödlicher Feuerball über die Erde zieht und gegen die es nur einen knappen Schutz in Pillenform gibt?

Von Berlin über New York, Amsterdam, Kapstadt und Rom ziehen sich die Fäden, die diese Geschichten schließlich verbinden sollen. Und die Fäden sind blutig. Denn gleich mehrere Killer sind Noah auf den Fersen und es ist ein unerklärlicher wie brutaler Instinkt in Noah, der sein Überleben auf der Suche nach seiner Identität sichert. Viele seiner Protagonisten opfert Fitzek in dieser Geschichte über Verschwörungstheorien, über das Problem der Überbevölkerung und Ressourcenverschwendung, über die Machtinteressen der Weltpolizei und ihrer Geheimdienste sowie - und hier wird es krude - die Pläne einer radikalen Geheimorganisation.

Bis etwa zur Hälfte des Hörbuchs war ich gebannt und gespannt. Erst recht, weil die wunderbare Synchronstimme von Heath Ledger (im echten Leben gehört sie Simon Jäger) dem liebenswerten Oskar, dem unsympathisch-blass-charakterisierten Noah und all ihren Begleitern bemerkenswert variantenreiche Stimmen lieh. Doch dann das maue Gefühl: Die Story ist nicht halb so politisch brisant wie sie verspricht und obwohl sie so offenkundig gegen Verschwörungstheoretiker wettert, verfängt sie sich selbst im Netz einer wenig glaubwürdigen Verschwörung.

Die Auflösung ist nach all der Hatz um die halbe Welt, nach all den apokalyptischen Drohungen vor dem Hintergrund der Ausbreitung der Manila-Grippe und der Lösung von Noahs Gedächtnisverlust mehr als halbherzig. Wer solange die Katastrophe beschwört, wer so scheinbar kongeniale Widersacher in die Welt schickt und dann aus Harmonie- und Happy-End-Sucht einen völlig unwahrscheinlichen Fehler in die akribischen jahrelangen Planungen der Verschwörer einbaut, der kann seinen Leser nur ernüchtert und enttäuscht zurücklassen.

Der Roman versprach mir am Anfang eine Brisanz und Relevanz, die er leider am Ende nicht einmal ansatzweise halten kann. Das ist schade, denn den Stoff dazu hatte er.
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