Die vielen Variationen einer traurigen Melodie
von jenvo82
Kurzmeinung: Viel Weisheit, viel Philosophie, der Glaube an Gott und Vertrauen ins Leben. Eine emotionale Familiengeschichte mit Tiefgang. Wunderschön.
Rezension
„Es wird nicht leicht werden, doch die Wege am Horizont sehen immer steinig aus. Wenn man erst mal dort ist, findet sich immer etwas, das einem hilft, einen Fuß vor den anderen zu setzen.“
Inhalt
Die Türkin Gül ist ihrem Mann erneut nach Deutschland gefolgt, nachdem sie bereits einmal dort war und wieder in die Türkei zurückkehrte. Eine Tochter lebt in der Heimat, die andere im ach so modernen Deutschland und versucht dort ihr Glück. Fuat, Güls Mann identifiziert sich nicht mit dem Land, für ihn geht es in erster Linie um die Möglichkeit Geld zu verdienen und seinen Lebensstandard zu erhöhen. Doch in Deutschland ist es für Türken nicht so leicht, dass Geld wird ihnen nicht hinterhergeworfen und sie müssen entweder schwer arbeiten oder sich ins kleinkriminelle Milieu flüchten. Die Ehe der beiden hat schon so manchen Sturm überlebt, auch wenn immer Gül diejenige ist, die zurücksteckt und ihrem Mann den Rücken stärkt, selbst wenn dieser es ihr nicht dankt. Erst als der Ruhestand naht, wird sich Gül bewusst, dass Deutschland keine wirkliche Alternative für ein zufriedenstellendes Leben im Alter ist und sie macht sich wieder auf die Reise in die Türkei, selbst wenn ihre Heimat nicht mehr das bietet, was sie ihr vor Jahren versprochen hat. In der Erinnerung sind es die Menschen, die ihr etwas bedeuten und denen sie nun gern wieder nahe sein möchte …
Meinung
Dieser Familienroman lässt das Herz seiner Leser höherschlagen, weil er so intensiv und eindringlich die Gefühlswelt seiner Protagonisten aufleben lässt. Stimmungen, Gedankengänge und Emotionen werden eingefangen, betrachtet und wieder losgelassen. Das Leben selbst scheint der Schreiber zu sein und man hat den Eindruck, sich in sämtliche Belange und Schicksalsschläge hineinversetzen zu können und ähnlich wie die Erzählerin aus dem tiefen Tal der Verzweiflung immer wieder nach oben an die Oberfläche gelangen zu können. Selim Özdogan schafft hier ein Band zwischen den Personen, welches mit Liebe geknüpft, mit Tränen beweint und mit Hoffnung erfüllt ist. Dabei schlägt er die leisen Töne an, die sich immer mit den Überlegungen seiner Protagonisten kreuzen und doch eine universelle Wucht haben.
Das Besondere an diesem Buch sind die vielen philosophischen Betrachtungen, ein tief verankertes Glaubensbekenntnis und ein unerschütterliches Vertrauen in das Leben und die unermesslichen Prüfungen, die sich über alle Jahrzehnte erstrecken. Das vorherrschende Gefühl der Melancholie und Traurigkeit, lässt den Leser nicht los, es zieht ihn hinein in die unveränderlichen Ereignisse und Verfehlungen, die den Weg der handelnden Personen immer wieder kreuzen. Doch man möchte kein Mitleid empfinden, weil eine andere Botschaft im Raum steht. Gerade die Aussage, dass Leben so anzunehmen, wie es ist, nicht mit den Gegebenheiten zu hadern und auch im Angesicht der größten Prüfung aufrecht zu stehen, drängen sich dem Leser regelrecht auf.
Fazit