Beeindruckende Analyse
„Glaubt denn irgendjemand wirklich, dass es auf einem begrenzten Planeten grenzenloses Wachstum geben kann?“.
Diese Frage stellt Latouche (nicht als erster und längst nicht zum ersten Mal) in den Raum des Buches und natürlich ist klar, dass bei näherem Nachdenken wohl eher niemand dieses Paradox glauben würde.
Dennoch aber handelt „die Welt“ in weiten (und wirtschaftlich wie politisch entscheidenden) Teilen so, „als ob“ ständiges Wachstum möglich wäre.
Vielleicht aber ist es auch gar nicht so, dass die eine Seite ein „Stopp!“ zu rufen hat und die andere „grenzenlos“ denkt. Vielleicht sind nur die Grenzen, die gezogen werden, zwischen beiden Polen verschieden. Während die eine Seite ein „Jetzt notwendig proklamiert, sieht die andere Seite ein „noch lange nicht“ eher am Horizont.
Sei es, wie es sei, luzide und mit klarem Blick, auch mit spürbarer Emotion legt Latouche vielfache Betrachtungen, Analysen und damit auch Gründe vor, die „Reißleine“ zu ziehen. Nicht nur den „ächzenden Planeten“, sondern auch den „ächzenden Menschen“ in den Blick zu nehmen und die Grundfrage energisch zu stellen, ob denn der Lebensraum und der Mensch allein für die Wirtschaft und das wirtschaftliche Wachstum sich herzugeben hat, oder ob eine Balance des Lebensraumes, in dem die Wirtschaft und die Politik nachhaltig das ökologische System (mitsamt dem Menschen) zu ihrem zentralen Anliegen zu gestalten hat.
Auf die antike Weisheit der „Einbindung in eine vernünftig genutzt Umwelt“ rekurriert Latouche dabei stark und für den Leser durchaus überzeugend.
Nicht „Quantität“ sondern eine umfassende „Qualität“ setzt er als Priorität, wider den „Terror des Zinseszins“ mit seinen Folgen der „Nichtnachhaltigkeit“.
Wie er nun diese globalen Zusammenhänge in das „Theorem der Grünalge“ einbettet, ist dabei ebenso nachvollziehbar wie die vielfachen anderen, ganz praktischen Beispiele, die Latoouche im Buch illustrierend anführt.
Ein „untragbarer ökologischer Fußabdruck“ der das Biotop umkippen lassen wird und zum „Erstickungstod“ des Lebens führen wird. Wenn nicht gegengesteuert wird. Energisch und schnell.
„Degrowth“ ist, natürlich, das Mittel der Wahl für Serge Latouche, ws er zum Ende des Buches hin ausführlich im möglichen Vollzug darlegt (wobei er mit der Häme demgegenüber und mit den Kritikern hart ins Gericht geht).
In Teilen spürbar emotional, immer aber auf dem Boden belegbarer Fakten bietet das Buch weniger eine trockene Analyse, sondern eher ein Fanal, einen Aufruf für den Leser, auch sich selbst endlich den ein oder anderen Ruck zu geben. Flüssig und gut zu lesen, verständlich, aber, natürlich, mit klarer und einseitiger Position, lohnt die Lektüre gerade ob der knappen und kurzen „Klarheit“ ungemein.
Serge Latouche
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Es reicht!
Neue Rezensionen zu Serge Latouche
Serge Latouche ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paris-Sud (Orsay). Der Ökonom und Philosoph gilt als einer der wichtigsten Vordenker des französischen Konzepts der Wachstumsrücknahme, 'Décroissance'. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, seine Dossiers erscheinen regelmäßig in der renommierten Monatszeitung 'Le Monde diplomatique'.
In „Es reicht!“ präsentiert er ein Politikprogramm jenseits des Wachstums. Das Buch ist ein engagiertes aber auch provokantes Plädoyer für Suffizienz, Einfachheit und eine bescheidene Fülle.
Er fordert, völlig unapokalyptisch, eine Absage an die, wie er es nennt, „Religion der Ökonomie“. „Degrowth oder Barbarei“ – das ist seine Parole und sie beinhaktet mehr als nur eine wachstumskritische Reinterpretation des Nachhaltigkeitsbegriffs. Wachstumskritik bedeutet für Latouche immer auch, sich gegen ein wirtschaftliches Gesamtsystem aufzulehnen, das auf nicht gerechtfertigter Bereicherung beruht.
Er plädiert nachdrücklich für einen politischen und wirtschaftlichen Mix aus Schrumpfung und Regionalisierung sowie die Übertragung aller echten Kosten auf die Verursacher "ökologischer und sozialer Funktionsstörungen", die Unternehmen.
Niko Paech, Autor des Buches „Befreiung vom Überfluss“ schreibt in seinem Vorwort:
"Wissenschaftlich analytischer Scharfsinn trifft auf eine politische Kritik, die sich nicht vor einer aufrührerischen Attitüde scheut. Theoretische und empirische, weit über den Tellerrand einzelner Disziplinen hinausreichende Beschlagenheit verbindet sich mit einer verständlichen, nicht selten sogar humorvollen Sprache. Diese Publikation ist nicht nur angesichts ihrer inhaltlichen Substanz von immenser Bedeutung, sondern weil sie die hiesige Wachstumsdebatte um erhellende Einblicke in die französische Behandlung desselben Themas bereichert".
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