Rezension zu "Das Jahrhundert der Hexen" von Sergej Dyachenko
Diese literarisch anspruchsvolle Hexenerzählung, ein Gemeinschaftswerk von Marina und Sergej Dyachenko, beeindruckte mich durch gewaltige Bilder und große Emotionen.
Zwei Handlungsstränge führen zum großen Finale, wobei mich zunächst vor allem der in der Vergangenheit des späteren Großinquisitors Klawdi spielende Handlungsstrang faszinierte – eine Geschichte von großer Liebe, Verlust, Schuldgefühlen, Trauer, dem Nicht-akzeptieren-können und seinen schrecklichen Folgen ...
Aber auch die Haupthandlung, die von Klawdis Tätigkeit als Großinquisitor während einer Zeit unheilvoller Entwicklungen unter den Hexen erzählt und nach und nach immer mehr Raum einnimmt, fesselte mich. Dabei brachte sie mich auch zum Nachdenken über die entsetzlichen Motive, die in der Geschichte der Menschheit oft hinter Hexenlegenden stecken – Angst vor starken Frauen, sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen, die sich in den Methoden der Inquisition offenbart ... Auch vergreift sich Klawdi gegenüber Frauen oft im Ton und die Geschlechtertrennung ist geradezu unerträglich deutlich. Gäbe es Hexen, würde es wohl genau so ablaufen – den menschlichen Nicht-Hexen würde nichts anderes einfallen, als der Gewalt der Hexen mit Gewalt zu begegnen und sie mit aller Macht zu unterdrücken.
Die Darstellung der Hexen fand ich einfach grandios. Die Dyachenko-Hexen stiften Chaos und Panik, sorgen für alptraumhafte Zustände und Verwirrung, ihre Motive sind für die anderen Menschen kaum zu fassen, sie leben mitten in der Welt und nehmen sie doch auf eine ganz andere Weise wahr ... Genauso faszinierend fand ich die sogenannten Tschugeister, die in der Lage sind, durch einen Tanz zu töten, und die gruseligen Njawken (Untote, im Singular: Njawka) ...
Dieser Roman wird sicher nicht jedem gefallen, dazu ist er trotz all der Geschehnisse zu wenig actionbasiert, wer aber wie ich den opulenten Stil der großen russischen Klassiker und dazu noch Fantasyliteratur mag, wird begeistert sein!