Für mich war die Welt, wie sie ist, schon immer ein sehr seltsamer Ort, und mich verblüfft die Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen sie annehmen und sich in ihr heimisch fühlen. - Sätze wie dieser gehören zu den sehr wenigen, nunja, Glanzstücken die Severin Winzenburgs Roman zu bieten hat. Sprachlich ist Stille Tage in L.A. weder besonders anspruchsvoll noch unvergleichlich schön zu lesen. Man merkt dem Buch ungemein an, dass Winzenburg als Drehbuchautor arbeitet und dies sein erster Roman ist. Streckenweise kam ich mir bei der Lektüre vor wie in einem Hollywood-Film: abgehackte Sätze, Situationen, die sich im Sande verlaufen, häufige und verwirrende Ortswechsel sowie dialoglastige Kapitel (und noch dazu, da der Schauplatz ja Los Angeles ist, ein großer Anteil davon auf Englisch, wobei ich einräumen muss, dass die Aussagen in Englisch gut verständlich sind, einzig der Lesefluss wird dadurch etwas gestört).
Hauptprotagonist Tim könnte unsympathischer nicht sein. Für mich ist er ein arroganter, selbstverliebter und -herrlicher, gedankenloser, scheinheiliger, unvernünftiger junger Mann, der einfach nicht erwachsenwerden geschweige denn sein Leben auch nur ansatzweise in den Griff bekommen möchte und sich die Wahrheit und Realität stets so zurechtbiegt, wie sie ihm passen. Ständig auf der Suche nach der 'großen Liebe' trifft er unzählige Frauen, hat meistens bedeutungslosen und nur manchmal bedeutungsvollen Sex, kifft, säuft, fährt dann alkoholisiert Auto und ist sowieso jede Nacht auf Tour in der Stadt der Engel. Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem er mal ernsthaft sein Leben reflektiert geschweige denn über Änderungsmöglichkeiten nachdenkt. Im Laufe des Buches vollzieht er keine gewichtige Entwicklung und das Ende passt wie die Faust aufs Auge: Es ist abrupt und unerwartet, lässt Fragen offen und beschert Tim noch einmal einen Anlass, lethargisch und depressiv sein Leben weiterzuleben.
Severin Winzenburg, der mir als Drehbuchautor nicht wirklich ein Begriff ist und dessen Genialität ich deshalb bei weitem nicht einschätzen kann, sollte bei Drehbüchern bleiben und nicht noch einmal den Versuch unternehmen, einen Roman zu schreiben.