Seweryna Szmaglewska

 4,3 Sterne bei 8 Bewertungen

Lebenslauf

Seweryna Szmaglewska (1916–1992) studierte Soziologie in Warschau, von 1942 bis 1945 war sie im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau inhaftiert. Nach dem Krieg wurde sie erfolgreiche Schriftstellerin.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Seweryna Szmaglewska

Cover des Buches Die Frauen von Birkenau (ISBN: 9783423148399)

Die Frauen von Birkenau

(7)
Erschienen am 19.10.2022
Cover des Buches Die Unschuldigen in Nürnberg (ISBN: 9783895615375)

Die Unschuldigen in Nürnberg

(1)
Erschienen am 01.02.2022

Neue Rezensionen zu Seweryna Szmaglewska

Cover des Buches Die Frauen von Birkenau (ISBN: 9783895615368)
culejules avatar

Rezension zu "Die Frauen von Birkenau" von Seweryna Szmaglewska

culejule
Gegen das Vergessen

Dieses Buch hat mich die letzten Monate begleitet. Jeder Satz und jedes Wort auf den 450 Seiten haben mich so erschüttert, dass ich nach jedem Kapitel innehalten, pausieren und über das Geschriebene nachdenken musste. 

Seweryna Szmaglewska war Inhaftierte von 1942 - 1945 in Birkenau. Kapitel für Kapitel beschreibt sie die Abläufe, Beobachtungen und Erlebnisse über das System Birkenau. Ihre Schilderungen über die Grausamkeiten sind dabei sachlich und ohne Wertung, jedoch so detailliert niedergeschrieben, dass während dem Lesen die Bilder im Kopf entstehen. Bilder, die aufwühlen und sprachlos machen.

Ein Buch gegen das Vergessen.


Cover des Buches Die Frauen von Birkenau (ISBN: 9783895615368)
Tommywiens avatar

Rezension zu "Die Frauen von Birkenau" von Seweryna Szmaglewska

Tommywien
Bei diesem Buch verschwimmen die Grenzen

Inhalt

In Die Frauen von Birkenau schildert Seweryna Szmaglewska ihre verstörenden Erlebnisse als politische Gefangene im Frauenlager von Auschwitz-Birkenau. Noch 1945, fast sofort nach ihrer Flucht im Januar, schrieb sie fieberhaft ihre Erinnerungen nieder, die ein wichtiges Zeugnis bei den Nürnberger Prozessen wurden.

Eindruck

„Die Novemberwindstürme sind vorbei, die Schneestürme und Frostschübe von Dezember und Januar bedrohen uns nicht mehr. Vor uns liegen März und April, vor uns liegt der Sommer.“

In Zeiten wie diesen hört man oft, dass wir uns in der schlimmsten Krise seit dem zweiten Weltkrieg befinden. Keine Frage,  es ist auch jetzt herausfordernd, aber im Vergleich zu dem, was die Menschen in den verschiedenen Lagern durchmachen mussten, in keiner Weise verhältnismäßig. Auch wenn es mir als selbständiger Unternehmer wirtschaftlich auch nicht gut geht, ärgern mich solche Vergleiche, wenn ich sie höre. Ja, wir befinden uns in einer Krise, aber jeder einzelne von uns, wird noch als Individuum, als Mensch, wahrgenommen. Davon konnten die Frauen in Birkenau oder die anderen Häftlinge in Lagern nur träumen.

Bei diesem Buch verschwimmen die Grenzen. Es handelt sich, aus meiner Sicht, um einen Roman im Kleid eines Sachbuches, oder umgekehrt, schwer zu sagen. Es ist auch egal, denn ich werde mir unter keinen Umständen eine Bewertung dieses Buches anmaßen. Es wäre undenkbar für mich über Handlungsstränge, Grammatik oder Ähnliches zu diskutieren, oder auch nur ein geschriebenes Wort in diesem Buch in Frage zu stellen. Keine Bewertungsskala dieser Welt, kann die Wichtigkeit solcher Bücher erfassen.

Dieses Werk, dieses Mahnmal, wurde vor 75 Jahren bei den Nürnberger Prozessen als Beweismittel zugelassen. Warum hat man sich solange Zeit gelassenes ins Deutsche zu übersetzen? Da das Buch bereits im Jahr 1945 von der Autorin Seweryna Smaglewska verfasst wurde, die selbst das Lager zwischen 1942 und 1945 überlebte, handelt es sich um eine umfassend detaillierte Wiedergabe der Geschehnisse. Hinsichtlich der darin enthaltenen Beschreibungen ist es für mich überhaupt ein Wunder, dass ein Mensch solche Qualen überleben konnte. Gerade die nüchterne, emotionslose Sprache verstärkt die beinahe unerträgliche Atmosphäre für den Leser.

Was bei mir nach Beendigung dieses Buches bleibt ist Wut, unfassbare Wut, dass die Menschheit solche Gräueltaten zulassen konnte. Außerdem empfinde ich Scham darüber, dass ich in einem Land mit solche einer Vergangenheit lebe. Diese Zeit darf niemals in Vergessenheit geraten.

Wer sich nicht vor der Vergangenheit verschließen, wer Wissenslücken füllen möchte, wer an der schlimmsten Zeit des letzten Jahrhunderts interessiert ist, muss zu diesem Buch greifen.

Autor

Seweryna Szmaglewska wurde 1916 im polnischen Przyglów geboren. Sie besuchte ein Lehrerseminar im nahegelegenen Piotrków Trybunalski und studierte bis zum Kriegsausbruch Soziologie in Warschau. Von 1942 bis 1945 war sie im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau inhaftiert, 1946 sagte sie als eine von zwei Zeugen aus Polen bei den Nürnberger Prozessen aus. Nach dem Krieg lebte sie einige Jahre in Lodz, später in Warschau, wo sie eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde und 1992 starb.

Cover des Buches Die Frauen von Birkenau (ISBN: 9783895615368)
Buecherschmauss avatar

Rezension zu "Die Frauen von Birkenau" von Seweryna Szmaglewska

Buecherschmaus
Rauch über Birkenau

Seweryna Szmaglewska war 26 Jahre alt, als sie am 18. Juli 1942 in ihrer Heimatstadt Piotrków Trybunalski verhaftet wurde. Grund dafür war nicht die Untergrundarbeit, die die junge Warschauer Soziologiestudentin für den polnischen Widerstand leistete, sondern die tragische Fehleinschätzung eines deutschen SS-Mannes, der das Geraderücken ihrer Brille in der Öffentlichkeit als ein geheimes Signal interpretierte. Zur Zeit der deutschen Besatzung Anlass genug für eine Internierung. Seweryna Szmaglewska wurde im Oktober nach Auschwitz-Birkenau deportiert und verbrachte dort, bis sie im Januar 1945 bei der Liquidierung des Lagers fliehen konnte, unglaubliche 30 Monate als politische Gefangene. Sie begann sogleich mit der Niederschrift ihrer Erinnerungen, die sie in Polen zu einer bekannten Autorin machten und zu einer der Zeuginnen bei den Nürnberger Prozessen. Übersetzungen in zehn Sprachen folgten, Deutsch war nicht darunter. Erst jetzt, 75 Jahre später, erscheinen die Aufzeichnungen von Seweryna Szmaglewska im Schöffling Verlag unter dem Titel Die Frauen von Birkenau.

Nichts vom Leben der Autorin vor Auschwitz erfahren wir durch ihren Bericht, nicht vom frühen Tod der Eltern, nichts von der Lehrerin, die zu ihrer geliebten Pflegemutter wird, nichts von ihren schriftstellerischen Ambitionen, der Arbeit für den Polnischen Rundfunk. Als Lagerhäftling Nummer 22090 taucht sie völlig unter in der Menge der Internierten. Lediglich im Vorwort gebraucht sie hin und wieder „ich“, „mein“, „wir“. Der Rest des Buches ist in einem merkwürdig allgemeingültigen, distanzierten Ton verfasst. Nur andeutungsweise ist zu erfahren, dass Seweryna Szmaglewska nicht nur zu den besonders gesunden, widerstandsfähigen Frauen gehört haben muss, die mehrmals Typhus und andere Krankheiten überstand, sondern dass sie sowohl im Lagerteil „Kanada“, der die den Häftlingen bei Einlieferung abgenommenen Besitztümer verwaltete, als auch auf den Feldern gearbeitet haben muss. Auch ihre Bekanntschaft mit dem beim Bautrupp arbeitenden Häftling Witold Wiśnewski, mit dem sie nach dem Krieg eine Familie gründen wird, bleibt unerwähnt.

Dieser distanzierte, sachliche Stil, in dem sie wie in einer Art Selbsttherapie und als Verpflichtung den Opfern gegenüber ihre Zeit in Auschwitz-Birkenau aufgeschrieben hat, und die große zeitliche Nähe zum Erlebten – bereits im Juli 1945 war das Buch abgeschlossen und im Dezember in den Buchhandlungen erhältlich – führten wahrscheinlich dazu, dass es als Beweismittel im Prozess gegen die Hauptverbrecher der Nationalsozialistischen Diktatur vor dem Internationalen Militärgericht in Nürnberg diente. Seweryna Szmaglewska benannte die Täter mit Klarnamen und sagte auch persönlich vor dem Gericht aus.

Der lakonische, kühle Stil der Aufzeichnungen ist aber vielleicht auch mit ein Grund, weshalb es das Buch in Deutschland bisher so schwer hatte. Ein solch nüchterner Stil, gerade auch von einer weiblichen Zeitzeugin! Dabei ist das Buch von großer stilistischer Brillanz und einem stringenten Aufbau, also auch literarisch herausragend. Und trotz oder gerade wegen seiner betont um Allgemeingültigkeit bemühten, distanzierten Erzählweise absolut eindringlich, beispielsweise bei den kleinen Porträts einzelner Frauen. Besonders intensiv wird es durch die vielen Details, mit denen der Lageralltag und die Verrohung unter den Bewachern, aber auch unter den Internierten, geschildert werden. Besonders die strengen Hierarchien, die gebildet wurden. SS-Männer, Kapos, Funktionsgefangene, Lager-, Blog- und Stubenälteste – es gab eine genaue Rangordnung, der sich auch die Gefangenen mehr oder weniger skrupellos bedienten.

Seweryna Szmaglewska schreckt dabei auch nicht zurück, diese Gruppenbildung in Die Frauen von Birkenau genau zu beleuchten. Netzwerke waren dabei manchmal die einzige Möglichkeit, zu überleben. Eine besonders unrühmliche Rolle spielten dabei oft die „Kriminellen“. Auf sie wirft die Autorin einen strengen Blick, ebenso auf die meisten der im Lageralltag bevorzugten deutschen (nichtjüdischen) Insassen, wobei es noch die Unterscheidung Reichdeutsche, Volksdeutsche und die Unterzeichner einer Erklärung zum Deutschtum gab. Am untersten Rand der Rangordnung standen die jüdischen Gefangenen.

Bei aller Objektivität, um die Seweryna Szmaglewska bemüht ist, fällt sie aber auch oft harte Urteile gegenüber ihren Mitgefangenen. Ein gewisser Hochmut, etwa gegenüber den inhaftierten „Zigeunern“, schimmert auch durch. Dies ist gewiss der Zeit verhaftet, genau wie manche sachliche Fehlerhaftigkeit, etwa bei der Angabe im Vorwort, dass in Auschwitz ca. 5 Millionen Menschen verbrannt worden seien (in Wirklichkeit um die 1,3 Millionen).

Die Frauen von Birkenau von Seweryna Szmaglewska ist eines der unmittelbarsten Zeugnisse der grauenvollen Zustände im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und eines der eindringlichsten zum Lageralltag. Im Original Dymy nad Birkenau (Rauch über Birkenau) betitelt, musste es nicht nur 75 Jahre auf die deutsche Übersetzung warten, sondern auch noch seinen Titel an die 1997 im Kunstmann Verlag erschienene Erzählungssammlung von Liana Millu abtreten. Dass der Schöffling Verlag diese Versäumnisse nun behebt ist der Anerkennung mehr als wert. Im November erscheint dort dann auch das Buch „Bei uns in Auschwitz“ des polnischen Landmannes Tadeusz Borowski neu.

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 25 Bibliotheken

auf 11 Merkzettel

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks