Cover des Buches Eine Vorhaut klagt an (ISBN: 9783827007728)
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Rezension zu Eine Vorhaut klagt an von Shalom Auslander

Rezension zu "Eine Vorhaut klagt an" von Shalom Auslander

von Leserrezension_2009 vor 15 Jahren

Rezension

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Eingereicht von savanna Einsteins legendärer Ausspruch „Gott würfelt nicht!“ müsste Shalom Auslander eigentlich gut gefallen – immerhin versucht er mit Gott zu pokern. „Eine Vorhaut klagt an“ ist eine autobiographische Zusammenstellung überwiegend jugendlicher Rebellion und trägt daher den passenden Untertitel „Erinnerungen“. Auslander erinnert sich über knapp 300 Seiten daran, wie er mit aller Kraft versuchte, Gott aus der Reserve zu locken. Die eine, alles entscheidende Frage raubte ihm dabei wieder und wieder den Schlaf: Wie viele Gebote jüdischen Lebens muss er wohl ignorieren, bis Gott ihn richten wird? Aufgewachsen in einem streng jüdischen Umfeld im Staat New York, bricht der Ich-Erzähler bereits als Achtjähriger mit diversen religiösen Konventionen: Er gönnt sich im Freibad einen unkoscheren Snack. Er fasst sich selbst an. Und er beschimpft Gott als einen ‚Dreckskerl’. Selbst ein Auslandsaufenthalt im Heiligen Land bringt ihn seinem Gott nur bedingt näher. Es sind weniger Gebete und Wunder, denn Drogen und Mädchen, die sein Leben in Israel bestimmen. Der US-amerikanische Autor jüdischen Glaubens erhielt ausgerechnet von seinem Therapeuten die Empfehlung zu schreiben – sich seine Ängste vor Gott von der Seele zu schreiben. Auslanders erste Veröffentlichung „Vorsicht, bissiger Gott“ wurde in den USA ähnlich begeistert aufgenommen wie nun seine Autobiografie. Er schreibt zudem regelmäßig für „The New Yorker“ und die „New York Times“. Auslander hat – vorsichtig formuliert – eine sehr ambivalente Beziehung zu Gott. Während sein Verhältnis zur Religion über Jahrzehnte hinweg allein seine Person betrifft, wandelt sich das Blatt durch seine Heirat und die Geburt seines Sohnes. Als verantwortungsvoller Familienvater will er seinen Erstgebohrenen im rechtem Glauben erziehen, verlangt dafür aber auch im Gegenzug etwas mehr Kooperationsbereitschaft von Gott. So ringt er wochenlang mit sich, ob er seinen Sohn entsprechend der rigiden jüdischen Traditionen beschneiden lassen soll. Spätestens mit dieser zentralen Entscheidung wird dem Leser die hervorragende Wahl des durchaus ungewöhnlichen Titels deutlich. „Eine Vorhaut klagt an“ lebt durch die Zeitsprünge von Auslanders Erwachsenenleben zurück in seine Jugend und Kindheit, die nach und nach eine Fülle skurriler religiöser Fehltritte zu Tage bringen. Kapitelweise liest sich das Buch wie ein Inhaltverzeichnis jüdisch-orthodoxer Sünden. Begonnen bei dem gleichzeitigen Verzehr von Fleisch und Milch, dem Stehlen, dem Fluchen, bis hin zum Blättern in Pornoheften ist eine breite Palette an Sünden bereits in der sechsten Klasse abgedeckt. Herzerfrischend liest sich die Mischung aus Auslanders Selbstkritik und Selbstironie. Der Autor ist gläubig und doch wankelmütig, selbstbestimmt und doch wieder nur ein verlorenes Schaf. Für alle Leser, die kein Problem mit Blasphemie haben, ist dieses Buch ein absoluter Hochgenuss.
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