Napoleon Hills Klassiker "Denk nach und werde reich" zählt zu den meistverkauften Büchern dieser Welt. Millionen Menschen meinten nach dem Lesen, dass sie nun den Schlüsseln für das große Glück in den Händen halten würden. Und bei einigen von ihnen wird das wohl auch so gewesen sein. Manchmal braucht es nur einen Anstoß, damit es endlich zu Klarheit im Kopf, zur Entwicklung einer Strategie für bestimmte Lebenssituationen oder wenigstens zu einer Änderung im Verhalten kommt. Hills Buch gilt Bibel des sogenannten positiven Denkens.
Doch das positive Denken besitzt auch seine Tücken, über die selten in solchen Büchern geschrieben wird. Manch ein Leser solcher Bücher wird sich vielleicht denken, dass sich sein Leben grundlegend ändern wird, wenn er sich ein klares Ziel setzt und dann positiv denkend darauf zusteuert. Dummerweise klappt das oft nicht. Und dann dreht sich das positive Denken in sein Gegenteil. Man hat es wieder nicht geschafft, obwohl es doch so einfach sein soll. Man ist eben doch ein Versager.
Bevor Napoleon Hill sein Millionenbuch veröffentlichte, kannte er die angeblichen Geheimnisse erfolgreicher (hier: reicher) Menschen bereits seit langem. Nur er selbst konnte diese angeblichen Geheimnisse nicht bei sich anwenden. Jedenfalls kann man dies nun hier nachlesen, in einem Buch das nach seinem Bestseller erschien. Es ist keineswegs selten, dass Menschen, die vermeintlich Erfolgsgeheimnisse verbreiten, selbst keine wirklichen Erfolge vorzuweisen haben, sondern erst mit solchen Büchern reich werden. Auch viele selbsternannte Gurus, die angeben, in höheren Sphären zu Hause zu sein, waren in Wirklichkeit noch nie dort.
Reiche Menschen wurden in der Regel nicht durch das Lesen solcher Ratgeber reich, sondern durch bestimmte Fähigkeiten, sicher auch durch positives Denken, gelegentliche glückliche Umstände oder anderes. Hill beging in seinem Buch den klassischen Fehler, eine einzige Eigenschaft, die er in all seinen Interviews mit den sogenannten Erfolgreichen immer wieder fand, aus dem Gesamtkontext herauszufiltern und zu glauben, man müsse nur diese Eigenschaft imitieren, um genauso erfolgreich zu werden, wie seine Interviewpartner zu seinem Erfolgsbuch. Schlimmer noch: Er übersteigerte das dann leicht hysterisch zum Motto "Du kannst alles erreichen, was du nur willst". Gewöhnlich folgen auf solche völlig überzogenen Behauptungen dann Beispiele, die genau das zeigen. Selbstverständlich völlig losgelöst von den äußeren Umständen und dem Charakter des betreffenden Erfolgsmenschen.
Nur bei Hill selbst wollte diese vermeintliche Erfolgsstrategie nicht funktionieren. Schuld war "der Teufel in ihm", wie es nun im Untertitel seines Nachfolgebuches heißt, das angeblich als Manuskript viele Jahrzehnte unbeachtet blieb und nun endlich in deutscher Übersetzung vorliegt. Um es kurz zu machen: Hier geht Hill tatsächlich mehr in die Tiefe und beschreibt die inneren Widerstände, die sich in Menschen aufbauen und die Strategie des sogenannten positiven Denkens torpedieren. Man kann sich nicht zwingen, positiv zu denken. Der Teufel in uns spricht nämlich: "Ich habe es reizvoll für Euch gemacht, die Macht der Unendlichen Intelligenz zu nutzen, um negative Ziele zu erreichen – und zwar durch Gier, Geiz, Wollust, Neid und Hass." Seltsamerweise soll es ja reiche ("erfolgreiche") Menschen geben, die wenigstens durch einige dieser negativen Ziele zu ihrem Erfolg getrieben wurden. Aber davon ist natürlich bei Hill keine Rede. Auch nicht davon, wie man diese negativen Ziele loswird.
Hill glaubt ähnlich wie in seinem Erfolgsbuch nämlich, dass man die Strategien des Teufels einfach nur erkennen muss, um sie dann einfach abstellen zu können. Auch das ist ein fataler Irrtum, den er allerdings selbst in seinem Buch beschreibt. Das ständige Wiederholen von schlechten Angewohnheiten, wie zum Beispiel gierig oder neidisch zu sein, verfestigt sie. Hill bzw. sein Teufel nennt das "hypnotischen Rhythmus". Und weil dieser hypnotische Rhythmus nicht nur in eine Richtung funktioniert, kommt es eben darauf an, ob man die Kraft und den Willen hat, lang genug Angewohnheiten nachzugehen, bis sie sich verfestigt haben. Wer zum Beispiel mit dem Rauchen aufhören oder zu joggen anfangen wollte und erfolgreich war, der wird auch wissen, dass es darauf ankommt, diese Dinge kompromisslos eine gewisse Zeit durchzuhalten, bis sie sich so verfestigt haben, dass man sie selbst will. Das ist das ganze Geheimnis. Und mache haben die Kraft, lange genug durchzuhalten, und manche eben nicht.
Das Buch beginnt mit Hills Geschichte und seinem temporären Versagen, das ihn schließlich dahin bringt, auf seine innere Stimme zu hören. Das ist nämlich ein weiterer Aspekt, der in der ganzen Hysterie des positiven Denkens völlig vergessen wird. Wenn man seinem "Anderen Ich" (wie Hill es nennt) nämlich eine klar formulierte Aufgabe stellt, dann wird dieses andere Ich sie versuchen zu lösen. Und zwar zunächst unmerklich im Unterbewusstsein. Wer das nicht glaubt, sollte sich mit Wissenschaftlern unterhalten. Viele werden sich dann daran erinnern, wie sie plötzlich eine Eingebung hatten, die ihnen die Lösung für ein lange bestehendes Problem lieferte. Das funktioniert auch mit Lebensproblemen. Man muss dies allerdings wissen und zulassen.
Nachdem Hill mit seiner Geschichte fertig ist, beginnt er sich mit dem Teufel zu unterhalten, der angeblich in uns allen steckt und unseren Erfolg verhindert. Hill bringt den Unhold in langatmigen Interviews schließlich immer dazu, dass er seine ganze miesen Spielchen zugibt und enthüllt. Das ist im Kern zwar sehr interessant, aber viel zu weitschweifig. Wenn Hill klares, selbständiges Denken anmahnt, dann wäre sein Buch schließlich der Platz gewesen, um genau das vorzumachen. Leider gelingt ihm das nicht durchgängig. Vielleicht ist dieser Stil auch der Zeit geschuldet, in der das Buch entstand. Und wie schon oben angemerkt, glaubt Hill, dass das Durchschauen des Teufels, das Entlarven der teuflischen Mechanismen, sofort dazu führen würde, sie zu unterbinden. Doch so einfach ist es eben nicht.
Immerhin jedoch weiß man nach dem Lesen über solche Mechanismen Bescheid. Und das ist doch mal ein Anfang. Was man daraus macht, hängt von den eigenen Fähigkeiten ab und davon, ob man die innere Kraft zum Umsteuern findet.
An diesem Buch hat übrigens Bestseller-Autorin Sharon Lechner "mitgewirkt", die sich einbildet, Hill immer wieder kommentieren zu müssen. Der Lesefluß wird dadurch völlig unnötig unterbrochen. Mir gingen diese meistens überflüssigen Kommentare, die den Leser wie einen Minderbemittelten behandeln, sehr schnell ziemlich auf die Nerven.