Inhalt:
Melody hat ein fotografisches Gedächtnis und ist die cleverste Schülerin auf der ganzen Schule. Doch niemand weiß es. Durch eine zerebrale Kinderlähmung ist sie schwerstbehindert und kann weder sprechen noch laufen noch schreiben. Als sie eines Tages doch einen Weg findet, sich auszudrücken, ändert sich ihr gesamtes Leben. Endlich erkennen alle, wer sie wirklich ist – doch kann sie auch jeder so annehmen?
Textausschnitt:
Worte sind schon immer um mich herumgewirbelt wie Schneeflocken – ein jedes zerbrechlich und einzigartig, ein jedes schmilzt unberührt in meinen Händen. Tief in meinem Inneren häufen sich die Worte in riesigen Verwehungen. Berge von Satzteilen und Sätzen und zusammenhängenden Begriffen. Clevere Redewendungen. Witze. Liebeslieder. Aber nur in meinem Kopf. Ich habe noch nie ein einziges Wort gesprochen.
Meine Meinung:
Das Cover gefällt mir sehr gut. Auch wenn es nicht besonders auffällig oder aufregend gestaltet wurde, passt es wunderbar zur Geschichte, die sich dahinter verbirgt.
Die Protagonistin Melody ist zehn Jahre alt, geht in die fünfte Klasse und kann nichts tun ohne Hilfe. Gleich von Anfang an habe ich sie ins Herz geschlossen, habe mit ihr richtig mitgefühlt, war zuweilen auch zu Tränen gerührt. Spürte ihre Verzweiflung und Wut, wenn sie nicht verstanden wurde. Es scheint so, als wäre Melody eine reale Person, die hier ihre Geschichte erzählt.
Das Buch ist sehr lebendig geschrieben, leicht und flüssig, gefühlvoll. Der Leser lernt ihre Hoffnungen, Ängste, Wünsche; ihren Charakter kennen, den außer sie wahrscheinlich niemand sonst kennt – wie auch, ohne die Möglichkeit, sich irgendwie auszudrücken?
In der ersten Hälfte wird Melodys Alltag beschrieben und auch ihre Familie ist einem sofort sympathisch. Es ist echt bewundernswert, wie die Eltern für ihre Tochter einstehen und kämpfen. In der zweiten Hälfte des Buches ändert sich alles: Melody bekommt einen Sprachcomputer, eine Möglichkeit, endlich ihre Meinung zu sagen! Doch sie muss auch Ausgrenzung erfahren – sowohl von ihren Mitschülern als auch von ihren Lehrern.
Als Leser empfindet man alles hautnah: Wie fühlt es sich an, nichts sagen, nichts tun zu können und dass deshalb alle so über einen tuscheln? Wie fühlt es sich an, auf seine bloße Behinderung minimiert zu werden, wenn nicht seine wahre Persönlichkeit erkannt wird?
Es ist eine emotional aufgeladene Geschichte voller Tiefe, die den Leser sehr nachdenklich gestimmt zurück lässt. Denn mit diesem Schubladendenken, das man bei vielen Nebencharakteren erkennt, kann man sich auch selbst identifizieren. Das Buch ist ein Aufruf, jedem eine Chance zu geben und nicht immer gleich nach den äußeren Umständen zu urteilen. Absolut empfehlenswert!