Rezension zu "Der Baum, der sich nicht lumpen liess" von Shel Silverstein
Man kann darüber streiten, ob die Übersetzung des Originaltitels "The Giving Tree" optimal erfasst ist mit "Der Baum, der sich nicht lumpen ließ". Doch der Geschichte tut dies keinen Abbruch. Zusätzlich ist diese mit Zeichnungen versehen, die an sich schon für sich sprechen. Es geht um einen Jungen und einen Baum. Oder anders: "Es war einmal ein Baum … und der liebte einen kleinen Jungen." Und der Junge liebte den Baum. Jeden Tag verbrachte der Junge Zeit bei dem Baum. Er spielte mit den Blättern, aß seine Äpfel, schlief in seinem Schatten und schaukelte in dessen Ästen. Das war das größte Glück für den Baum. Und er erfüllte dem Jungen jeden Wunsch. Der Junge wollte jedoch immer mehr von dem Baum. Und der Baum gab alles, was er hatte und war glücklich dabei. Doch eines Tages, als der Junge schon ein Greis geworden war, hatte der Baum nichts mehr, das er noch geben konnte, denn es war nur noch ein Stumpf übrig.
Sanft-traurige Parabel auf das Leben
Diese bewegende und schöne Erzählung enthält sehr viel Traurigkeit und Sanftmut. Sie ist eine Geschichte der Geduld, des Trostes, aber auch der Ausbeutung der Natur durch den Menschen. Es geht um extreme Großzügigkeit und das Glück des Liebens, um bedingungsloses Geben. "Der Baum, der sich nicht lumpen ließ" ist eine zeitlose Parabel auf das Leben und eines der schönsten Kinderbücher der Welt, das Raum für Interpretation lässt. Shel Silverstein verwendet eine einfache Sprache und wenige Worte, die vortrefflich von Harry Rowohlt übersetzt wurden. Silversteins Zeichnungen sind knapp und treffend gewählt.
Ein Buch, das bleibt
"Die Zeit" schrieb einst: "Silversteins Bücher gehören zu jenen, die bereits am Tag ihres Erscheinens zu Klassikern werden." Fakt ist: "Der Baum, der sich nicht lumpen ließ" setzt sich im Gehirn fest und arbeitet darin weiter. Jeder Mensch auf dieser Welt, egal ob jung oder alt, sollte diese Erzählung einmal lesen. Es dauert nur drei Minuten, doch die Geschichte bleibt.
Der Autor Shel Silverstein
Shel Silverstein wurde 1930 als Sheldon Allan Silverstein in Chicago geboren. Er schrieb nicht nur Kinderbücher, die sich weltweit millionenfach verkauften und in mehrere Dutzend Sprachen übersetzt wurden. Wichtig für den Autor war, dass seine Texte stets auf Papier gelesen werden können, die zu seinen Worten passen. Deshalb bestand er darauf, die Art, Größe, Farbe sowie die Form des Papiers selbst festzulegen, anderenfalls verzichtete er auf Veröffentlichung. Silverstein war auch Songwriter für Größen wie Johnny Cash, Marianne Faithful und Emmylou Harris, war Cartoonist, Lyriker, Drehbuchautor und Filmkomponist. Aus dem Buch "The Giving Tree" machte er zusätzlich ein gleichnamiges Lied, das Nanci Griffith interpretiert hat. Silverstein, der auch unter dem Namen Onkel Shelby bekannt ist, starb im Jahre 1999 in Key West, Florida.