Sherko Fatah

 3,6 Sterne bei 60 Bewertungen
Autor von Das dunkle Schiff, Der große Wunsch und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Ein Zeuge seiner Zeit: Der 1964 in Berlin geborene und in der DDR aufgewachsene Fatah gilt als einer der bedeutendsten Beobachter der Vorgänge des Nahen Ostens. Bevor er und seine Familie 1975 nach Wien und später West-Berlin übersiedelten, hielt er sich oft in der Heimat seines Vaters, der Autonomen Region Kurdistan im Nord-Irak auf und pendelte während seines Philosophiestudiums immer wieder zwischen Wien und Irak. Seine faktenreichen und atmosphärisch dichten Geschichten brachten ihm 2001 den Aspekte-Literaturpreis für den Roman „Grenzland“ ein. Er erhielt außerdem den Ehrenpreis des Deutschen Kritikerpreises, den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil und war Finalist für den Deutschen Buchpreis 2008 mit dem Werk „Das dunkle Schiff“.

Alle Bücher von Sherko Fatah

Cover des Buches Das dunkle Schiff (ISBN: 9783641187309)

Das dunkle Schiff

 (20)
Erschienen am 26.10.2015
Cover des Buches Der große Wunsch (ISBN: 9783630877372)

Der große Wunsch

 (14)
Erschienen am 30.08.2023
Cover des Buches Der letzte Ort (ISBN: 9783442713875)

Der letzte Ort

 (8)
Erschienen am 11.04.2016
Cover des Buches Ein weißes Land (ISBN: 9783442745821)

Ein weißes Land

 (6)
Erschienen am 08.07.2013
Cover des Buches Schwarzer September (ISBN: 9783630874753)

Schwarzer September

 (6)
Erschienen am 09.09.2019
Cover des Buches Im Grenzland (ISBN: 9783641187262)

Im Grenzland

 (3)
Erschienen am 26.10.2015
Cover des Buches Donnie (ISBN: 9783641187279)

Donnie

 (2)
Erschienen am 26.10.2015
Cover des Buches Onkelchen (ISBN: 9783641187293)

Onkelchen

 (1)
Erschienen am 26.10.2015

Neue Rezensionen zu Sherko Fatah

Cover des Buches Der große Wunsch (ISBN: 9783630877372)
B

Rezension zu "Der große Wunsch" von Sherko Fatah

Eine Spurensuche in doppelter Hinsicht
buchlesenliebevor 2 Monaten

„Dein Name, Murad […]. Hast du uns nicht einmal erzählt, dass er so viel bedeutet wie: der große Wunsch?“ (S.272).

Murads tiefster Wunsch ist es, seine Tochter Naima zu finden und sie dazu zu bewegen, nach Deutschland zurückzukehren. Denn seine Tochter hat sich im Zuge ihrer Beziehung zu Faruk, den sie über das Internet kennengelernt hat, dem IS angeschlossen und ist mit ihm nach Syrien geflohen. Und so reist Murad, der in Berlin als Sozialarbeiter tätig ist, ebenfalls recht überstürzt und leicht blauäugig in die kurdisch türkisch-syrisch-irakische Grenzregion.

In einem verschlafenen Ort, geprägt von karger Landschaft, verbringt er zähe Tage, die nur von sporadischen Nachrichten seiner zweifelhaften Mittelsmänner durchbrochen werden; gelegentlich erreichen ihn weitergeleitete Fotos einer verschleierten Frau und tagebuchähnliche Audioaufnahmen. Für Murad gestaltet sich der Aufenthalt als ein repetitiver Alltag des Hoffens, Wartens sowie einer intensiven Innenschau. Doch die entscheidenden Fragen sind: Handelt es sich wirklich um seine Tochter? Und welche Beweggründe führten die gebildete und liberal erzogene Naima zu diesem radikalen Schritt? Hat Murad möglicherweise Anteil an Naimas Entscheidung?

Der Wartemodus, die Leerstellen und ein allumfassender Schwebezustand prägen nicht nur Murads Schicksal, sondern auch das der Leser*innen und darauf muss Mensch sich wohl einlassen können. Denn mit Ausnahme des Endes darf man als Leser*in keine spannungsgeladene oder plotgetriebene Geschichte erwarten und sollte sich außerdem darauf einstellen, dass der Fokus weitaus mehr auf Murad als auf Naima liegt.

Hat mich dies zunächst etwas enttäuscht und entsprach es aufgrund der Inhaltsangabe nicht ganz meiner Erwartungshaltung, muss ich anerkennen, dass es Sherko Fatah letztendlich gelungen ist, mich trotz der eher subtil aufgebauten Spannung, der atmosphärischen und entschleunigenden Schlichtheit zum Weiterlesen zu bewegen. Denn im Kern entwickelt sich eine lesenswerte tiefgehende Spurensuche in doppelter Hinsicht, bei der die Metaphern der Grenzen und des Dazwischen von zentraler Bedeutung sind. Einerseits steht dabei u.a. die Reflexion über die eigene Herkunftsgeschichte und die der Eltern, über das Leben zwischen zwei "kulturellen Stühlen" sowie die Erfahrungen von sozialer Deklassierung und Fremdheit im Fokus. Andererseits wagt Murad auch einen zunehmend ehrlichen Blick auf seine eigene Rolle als Vater und ergründet die Ursachen, die zu einer zunehmenden Entfremdung von seiner Tochter und ihrer radikalen Entscheidung führten. Somit kann „Der große Wunsch“ nicht nur als literarische Charakterstudie, sondern auch als Art alternativer „Bildungsroman“ gelesen werden und das lohnt sich schon. In seiner Gesamtkomposition demnach im Endeffekt stimmig - auch, wenn ich in diesem Kontext das Ende dagegen wiederum als regelrechten Bruch empfand und es mich etwas unbefriedigt sowie ratlos zurückgelassen hat. Ich vermute, dass der Roman nicht jede*n gleichermaßen ansprechen wird und ich kann das gut nachvollziehen. Für mich hat sich die Kraft des Romans, der auf der Shortlist von @buchpreis stand erst im Nachhinein entfaltet und ich konnte im Nachhinein definitiv etwas für mich daraus mitnehmen. Daher keine absoluten Jubelschreie, aber auch keine Nicht-Empfehlung😏!

Cover des Buches Der große Wunsch (ISBN: 9783630877372)
E

Rezension zu "Der große Wunsch" von Sherko Fatah

Warten im Niemandsland
evaczykvor 4 Monaten

Murad ist kein Abenteurer, kein risk taker und auch kein junger Backpacker. Und doch ist der eher nachdenklich-reflektierte Intellektuelle und Sozialarbeiter aufgebrochen in eine Region, vor deren Besuch das Auswärtige Amt auf seiner Seite warnen dürfte. Im Niemandsland an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien wartet er nach einer beschwerlichen Anreise in die kurdische Region. Die karge und doch dramatische Landschaft mit ihren steilen Bergstraßen und Dörfern, in denen die Zeit stehen geblieben scheint, müsste ihm eigentlich etwas sagen: Murads Familie stammt aus diesen Bergen, die er aus den Erzählungen des Großvaters kennt.

Doch Murad fühlt sich als Fremder und es ist keine sentimental journey, sondern die verzweifelte Mission eines Vaters, die Sherko Fatah in seinem eindringlichen Roman "Der große Wunsch" beschreibt. Murad ist auf der Suche nach einem Lebenszeichen seiner Tochter, einer Tochter, die ihm nicht nur nach der Scheidung von seiner deutschen Ex-Frau fremd geworden ist. Denn die junge Frau, die nach westlichen Werten erzogen worden ist, die sich als Jugendliche nie für den Islam zu interessieren schien, hat einen französischen Glaubenskrieger geheiratet und ist mit ihm in das IS-Kalifat gezogen.

Murad bezahlt Vermittler, die seine Tochter ausfindig machen und ihn letztlich zu ihr bringen sollen. Er will sie heimholen. Doch will sie das? Und ist die tiefverschleierte Frau, deren Bilder man ihm zeigt, seine Tochter? Selbst das Audio-Tagebuch, das man ihm zuspielt, kann seine Zweifel nicht beenden. Ist das ihre Stimme? Ist sie überzeugt von ihrem neuen Leben, zweifelt sie? Hat sie sich mitschuldig gemacht, billigt sie die Versklavung der Jesiden, die grausamen Enthauptungen, mit deren Videos der IS um Nachwuchs wirbt und seine Glaubenskrieger rühmt?

Die Ausflüge in die Region, die er in den Wochen des Wartens unternimmt, verstärken nur Murads Gefühl der Fremdheit und Isolation. Er spricht die Sprache der Menschen in den Bergtälern, zu einigen baut er nachbarschaftliche Beziehungen auf, und doch fühlt er sich wie auf dem falschen Planeten. 

Fatah schildert die inneren Nöte Murads, die spröde Schönheit der Landschaft, das ruhige isolierte Leben in den Dörfern, in denen manche Geheimnisse gehütet werden, in einer ruhigen und eindringlichen Erzählweise und lüftet manche offene Frage erst ganz zum Schluss. Trotz der dramatischen Situation, in der Murad sich sieht, vermeidet er plakative Darstellungen und  überzeugt dadurch nur noch mehr. "Der große Wunsch" ist ein Buch, auf das man sich einlassen und für das man sich Zeit nehmen sollte.

Cover des Buches Der große Wunsch (ISBN: 9783630877372)
LeenChavettes avatar

Rezension zu "Der große Wunsch" von Sherko Fatah

"Der große Wunsch" oder eher "Das lange Warten"
LeenChavettevor 4 Monaten

Murad reist von Berlin aus in die Türkei in ein kleines Dorf in der Nähe von Mardin. Die Grenze zu Syrien liegt nicht weit entfernt. Murad sucht seine Tochter Naima, welche sich mit einem Glaubenskrieger eingelassen hat. Diesen will sie nun in Syrien heiraten. Murad hat einen Informanten, den er "den Boten" nennt. Dieser benachrichtigt ihn in unregelmäßigen Abständen über von ihm entdeckte Audiodateien einer Deutsch sprechenden Frau. Diese soll sich, wie Naima, in Syrien aufhalten. Die Audiodateien werden für Murad zum ständigen Begleiter und einzigen Hoffnungsträger. Er taucht dabei in den privaten Alltag und den persönlichen Gedanken der Frau ein. Ob es sich überhaupt um Naima handelt, weiß Murad jedoch nicht. Als sein Freund Aziz aus Deutschland zu ihm kommt, erhofft sich Murad von ihm Unterstützung und ein Vorankommen in seiner Suche. Jedoch tun sich mit Aziz´ Ankunft immer mehr Fragen auf.


Ich habe lange überlegt, was ich über dieses Buch sagen soll. Ich wollte es so gerne mögen. Aber Fakt ist, wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich es nach 150 Seiten abgebrochen. Die groß angekündigte Suche Murad´s nach seiner Tochter, entpuppt sich als ein langes elendes Warten auf irgendwelche Informationen über ihren Verbleib. Nach 100 Seiten gibt es dann den ersten Anhaltspunkt, wo sie sich aufhalten könnte. Vorher und auch im weiteren Verlauf des Buches, wandert Murad (gefühlt) ziellos in der Gegend umher, später wird er von Adnan, seinem Fahrer, chauffiert. Erst viel später im Buch, klären sich einige essentielle Fragen. Für mich war das leider viel zu spät. Im Klappentext steht "[...] Feinfühlig und scharfsinnig erzählt Sherko Fatah eine bewegende Vater-Tochter-Geschichte [...]". Bei mir ist leider nur der Ego-Trip eines Vaters hängen geblieben, der mit gestohlenem Geld seiner Tochter nachreist, die er eigentlich gar nicht kennt, um dann in einer kleinen Hütte in der Türkei als Eremit zu enden.

Mich konnte das Buch leider nicht überzeugen.

Gespräche aus der Community

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Zusätzliche Informationen

Sherko Fatah wurde am 28. November 1964 in Ost-Berlin (Deutschland) geboren.

Sherko Fatah im Netz:

Community-Statistik

in 103 Bibliotheken

auf 18 Merkzettel

von 2 Leser*innen aktuell gelesen

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