Cover des Buches Der Tag, als meine Frau einen Mann fand (ISBN: 9783446247604)
wandablues avatar
Rezension zu Der Tag, als meine Frau einen Mann fand von Sibylle Berg

Von Sex, Mittelmäßigkeit und Lethargie

von wandablue vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Die Protagonisten legen ihre Karten auf den Tisch. Insofern erfrischend.

Rezension

wandablues avatar
wandabluevor 9 Jahren
Von Sex, Mittelmäßigkeit und Lethargie.
Mann und Frau, ein gelangweiltes Ehepaar der gehobenen Mittelklasse, betreten einen „Massagesalon“ in der Karibik. Sie haben es nicht direkt auf sexuelle Dienste abgesehen, sind aber vor lauter Langeweile offen. Was sie bekommen ist Sex und Opium.

Wider Erwarten ist die Ehefrau, bis dato zufrieden mit ihrem Leben, von dem sexuellen Flash so mitgerissen, dass sie sich kurzfristig von ihrem Ehemann trennt, um mit dem Animateur Zeit zu verbringen und als der Rückflug nicht aufzuschieben ist, wünscht sie sich vom Universum, dass „Benny“ zu ihr kommt. Was auch passiert. Eine kuriose Menage à trois beginnt ...

Sibylle Berg läßt Mann und Frau erzählen, die Autorin selbst tritt völlig in den Hintergrund. Dabei gelingt ihr in der Darstellung eine grandiose Unmittelbarkeit. Viel Handlung gibt es nicht, der Roman lebt von der Gedankenwelt. Mann und Frau haben Probleme mit dem Älterwerden, mit ihrer Rolle in der Gesellschaft und eine Scheißangst vor dem Tod. Dieser Angst vermögen sie nur eine einzige, ihnen bekannte Kraft entgegen zu setzen: Sex.

Nachdem sie sich, wie vorauszusehen ist, in eine ausweglose Lage manövriert haben, entdecken sie, dass der Sinn des Lebens das Leben selber ist: Vielen Dank für das Leben! Vorhang fällt.

Einige Zitate.
„...einen Beruf als das zu sehen, was er ist: ein Zeitvertreib im Warten auf den Tod.“

„Es war mir komplett unverständlich, was Rasmus (Regisseur und Ehemann) auf den Proben tat. Es hatte viel mit Gebrüll zu tun. Rasmus schrie. Die Schauspieler schrien. Im Stück waren die Frauen oft nackt. Es wurde Rockmusik gesungen und dann waren auch die Männer nackt. Nacktheit war das Ding. Dann schrien alle.“

„Vielleicht kann man sich an jeden gewöhnen und ihn dafür lieben, dass er einen erträgt.“

„Ich will neu beginnen, alles anders machen. Ich will leben. Das war mir vorher, beim ständigen Kokettieren mit dem Ende, nicht so klar gewesen.“


Was ich an dem Roman mag, ist das Philosophische, ja, eigentlich das scheinphilosophische Denken der Protagonisten, das lapidar und unverschnörkelt, sogar deftig rüberkommt: Auf den Punkt! Die Protagonisten legen ihre Karten auf den Tisch. Das, was man nicht ausspricht, sie sprechen es aus. Und logisch: wer keinen höheren Sinn im Leben erkennen kann, muß sich der Verzweiflung ergeben.

Radikal neue Erkenntnisse über das Leben gibt es aber nicht. Wie auch? Es gibt nichts Neues unter der Sonne!

Was mir nicht passt, ist der Schluss. Im Schlussakt kommt auch Benny zu Wort. Ohne diesen Schlenker wäre das Büchlein fast perfekt, denn, obwohl ich seine (vermeintlichen) „Erkenntnisse“ nicht teile, konnte ich die Angst vor dem Tod riechen.

Fazit: Klare Worte bei unklarer Gefühlslage.

Kategorie: Moderne Literatur
Verlag: Carl Hanser Verlag, 2015

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks