Rezension
Tru1307vor 12 Jahren
Thematisch hat mich _Fremdling_ sehr interessiert. Einen Neandertaler in die heutige Zeit zu versetzen und zu beobachten, wie er sich einfügt und welches Verhalten er zeigt, ist wohl ein Traum für viele Forscher. In _Fremdling_ werden die Genforschung und ihre möglichen Folgen eines solchen experiments aufgezeigt und konsequent berichtet. Auch Maria und ihr Forschungsteam hat sich dazu entschlossen, ein Gen-Experiment durchzuführen, indem sie Maria die DNA eines Neandertalers, der vor 30000 Jahren bereits einmal gelebt hat, einsetzen. Allerdings bringt sie es nicht über sich, den kleinen Jo im 5. Monat abzutreiben, sondern verschwindet mit ihm fort aus der Zivilisation. Insgesamt ist die Geschichte durchaus realistisch und die Handlungen der Figuren sind nachvollziehbar. Man kann bei jedem Charakter seinen Standpunkt erkennen. Die Wissenschaftler wollen den Jungen untersuchen, Maria will ihn beschützen. Auch Jo als Charakter wird so dargestellt, wie ich ihn mir vorgestellt hätte. Allerdings frage ich mich, ob das Verhalten wirklich so komplett in den Genen steckt. Ich hatte immer vermutet, dass auch die Umwelt und die Erziehung der Eltern eine entscheidende Rolle spielt. Jo handelt die meiste Zeit komplett als Neandertaler, der von "Anderen" Besuch bekommt, die ihm viel über seine Art berichten. An diesen Stellen wird das sonst realitätsnahe Buch unrealistisch. Langweilig ist das Buch auf keinen Fall. Es regt zum Nachdenken an und man weiß bis zum Schluss nicht, wohin die Geschichte führt. Schwierig war _Fremdling_ für mich, weil es zum einen komplett auf eine Markierung der direkten Rede verzichtet und dadurch oft Rätselraten angesagt war, wer wann etwas sagt. Man konnte nie so wirklich unterscheiden, ob etwas jetzt eine Beschreibung, ein Gedanke oder ein laut ausgesprochener Satz war. Zum anderen wird fast komplett auf die Namen der Protagonisten verzichtet. Die meiste Zeit heißt es "sie" oder "er", was dafür sorgte, dass die Figuren alle sehr distanziert und unnahbar blieben und man meistens als Leser ein Beobachter blieb und sich nicht komplett hineinversetzen konnte. Ich hätte mir hier mehr Nähe zu den Charakteren und Emotionen gewünscht, die zwischen den Charakteren leider viel zu selten auftauchen. *Bewertung* Anhand des Klappentextes hatte ich ein Buch erwartet, dass mehr Emotionen und Abenteuer enthält. Beides wurde leider nur ab und an rübergebracht. Dennoch ist es lesenswert, wenn man Interesse daran hat, wie sich ein Lebewesen in einer für es fremden Welt zurechtfindet.