Rezension zu "Der Holzweg" von Hans Dieter Knapp
In den letzten Jahren häufen sich Bücher, in denen auch unter Berücksichtigung der sich nahezu überschlagenden Meldungen von „Katastrophen“ im deutschen Wald, mehr oder weniger schonungslos versucht wird, mit der deutschen Forstwirtschaft „abzurechnen“. Es sind überwiegend Forstwissenschaftler und sogar ehemals leitende Mitarbeiter von Landesforstverwaltungen, die sicher auch aus den Erfahrungen der eigenen Arbeit ernsthaft die Tradition der Forstwirtschaft in Deutschland in den letzten 200 Jahren und vor allem auch jüngerer Entwicklungen hinterfragen und versuchen, einem möglichst breiten Publikum die zahlreichen Missstände und Probleme unseres „Waldes“ nahezubringen. Dies ist enorm wichtig, denn ein extrem hoher Prozentsatz der deutschen Bevölkerung ist nach wie vor der Meinung, dass der Kiefernforst vorwiegend im östlichen Deutschland der typische deutsche Wald sei und die dunklen grünen Fichtenforste das Pendant überwiegend im Bergland. Und die meisten stimmen in das Bejammern ein, was uns denn da so Tolles an „Heimat“ verloren geht durch Stürme, Schädlingskalamitäten und verheerende Flächenbrände und finden es toll, dass endlich richtig viel Geld in Aufforstungen neuer, angeblich „klimaplastischer“ Wälder gesteckt wird.
Dieses Buch der 3 renommierten Herausgeber ist das wohl bisher umfangreichste zu diesem Thema und insgesamt 36 Autoren - Forstwissenschaftler wie namhafte Naturschützer -versuchen, das Thema sehr sachlich und fachlich fundiert in allen Facetten zu beleuchten. Die lange Geschichte der Forstwirtschaft in Deutschland, die nach jahrhundertelangen Rodungen und Verwüstungen des Waldes mit einem gnadenlosen Raubbau bis in die industrielle Zeit zunächst eine Erfolgsgeschichte war, wird anfangs von mehreren Autoren dargestellt, die Forstwirtschaft dabei allerdings ausschließlich schonungslos kritisiert.
Praktisch durch das ganze Buch zieht sich die Argumentation und Beweisführung, dass Forstwirtschaft und Holzindustrie am heutigen Dilemma schuld seien und nur Naturwald – also Wildnis – und bestenfalls noch Dauerwald die Zukunft des deutschen Waldes sein müssten. Es wird an vielen Stellen immer wieder hervorgehoben, dass ein gesunder, sich natürlich entwickelnder Wald den Menschen nicht braucht, aber umgekehrt der Mensch den Wald, aus zahlreichen Gründen.
Und genau deswegen hagelt es von der Forstseite ebenso schonungslose Kritik an diesem Buch wie an anderen zu diesem Thema auch, denn „Aufklärung“ des Volkes ist natürlich auch zur Sicherung der eigenen fachlichen wie wirtschaftlichen und vor allem auch jagdlichen Interessen in keiner Weise gewünscht. Kommt uns das aus anderen Themen des Alltäglichen Lebens nicht irgendwie bekannt vor?
Es steht völlig außer Frage, dass die umfangreichen Darstellungen zum ökologischen Wert natürlicher, nicht genutzter Wälder richtig und wichtig sind. Dass es ein so reiches Land wie Deutschland nicht auf die Reihe bekommt, wenigstens einen Teil unserer Wälder zu richtigen, alten und vielfältigen, ungenutzten Wäldern entwickeln zu lassen, ist zweifelsfrei ein Armutszeugnis. Fast 100 Jahre Naturschutzgesetzgebung haben praktisch festgeschrieben, dass Wald auch in Schutzgebieten wie auch NATURA 2000-Gebieten nutzbar bleiben muss.
Und sehr treffend wird auch dargestellt, dass zwar für den „Normalbürger“ in geschützten Waldgebieten nahezu alles verboten ist, vom Verlassen der Wege über Pilzesammeln bis hin zum Campieren im Wald, während die forstliche Nutzung in aller Regel nicht oder kaum eingeschränkt wird. Und verhält sich ein Waldbesitzer oder auch ein Landesförster mal nicht entsprechend des Verordnungstextes, passiert ihm in aller Regel wenig oder gar nichts, während Verstöße gegen Regelungen, die in erster Linie den normalen Bürger treffen, gern von den Ordnungsbehörden mit kräftigen Bußgeldern belangt werden. Auch das kennen wir aus anderen Bereichen, ist doch auch außerhalb der Wälder v. a. in Schutzgebieten für die „Normalbürger“ ziemlich viel verboten, während zum Beispiel nahezu alle Praktiken der intensiven Landwirtschaft nahezu uneingeschränkt zulässig sind.
Themen wie der Einsatz von Giften (man sagt auch „Pflanzenschutzmittel“ dazu!) zur Eindämmung von Insektenkalamitäten, die Baumartenwahl bei der Bewirtschaftung von Wäldern unter Berücksichtigung des Klimawandels und des angespannten Landschaftswasserhaushaltes und Ausführungen zu naturnahen Waldnutzungskonzepten bereichern dieses Buch ebenso wie Themen zum Naturschutz im Wald. Es wird klar herausgestellt, dass unsere Wälder deutlich mehr für Klimaschutz, Wasserhaushalt, Erholung etc. leisten könnten und müssten, als sie dies nach über 200jähriger Forstwirtschaftstradition auf ausreichend großer Fläche derzeit tun können.
Ein glühendes Plädoyer für viel mehr Natur im Wald und der Wille nach Aufklärung über die zahlreichen Missstände in unseren „Baum-Äckern“, die weit über die Hälfte unserer „Wald“flächen einnehmen und die derzeit in einem atemberaubendem Tempo „dahinsiechen“, diese Themen ziehen sich durch das ganze Buch und hätten deutlicher kaum aufgeschrieben werden können. Logisch, dass dies den Widerstand aus Forstkreisen hervorrufen muss, wie erste Rezensionen zeigen, die nur ein „Gnadensternchen“ von 5 möglichen für dieses Buch zulassen. Von mir gibt’s für das Buch die volle Punktzahl und ich bin froh, dass die Succow-Stiftung dieses Buch mit unterstützt hat. Ich wünsche dem Buch einen breiten Leserkreis mit der Hoffnung verbunden, dass mehr Leute verstehen, was mit unserem „Wald“ in Deutschland wirklich im Argen ist und was zu tun ist.