Rezension zu "Der Wortjongleur" von Sigrun Casper
Ich habe mal gelesen, dass man seinen Protagonist möglichst stark benachteiligt auf seine Geschichte starten soll. Das trifft auf jeden Fall auf Kilian zu. Er kennt seinen Vater nicht, ist ein uneheliches Kind, was in den 50ern, in denen dieses Buch spielt, noch eine Schande war. Der Mann seiner Mutter ist im Krieg gefallen. Auch seine Großmutter stirbt bald und sie müssen in ein Arbeiterviertel umziehen. Außerdem entdeckt er früh, dass er schwul ist - auch das war früher noch eine Schande. (Bin ich froh, dass unsere Gesellschaft sich weiterentwickelt hat!)
Doch obwohl Kilian allen Grund hätte frustriert zu werden und die Freude am Leben zu verlieren, entwickelt er sich genau gegenteilig. Permanent stellt er seiner Mutter Fragen über die Welt, die diese stets so gut sie kann beantwortet. Kilian hat mir gezeigt, dass man neugierig sein muss. Er hat Dinge hinterfragt, die ich stets als gegeben hingenommen habe. Er ist den Dingen auf den Grund gegangen, vor allem der Sprache. Denn allem voran liebt Kilian Wörter und er beginnt mit ihnen zu spielen, wie kein anderer.
Trotz des düsteren Settings der katholischen Provinz und den engstirinigen Nachbarn sind sowohl Kilian als auch seine Mutter ausgesprochen positive Figuren, die den Leser ermutigen, bei allen Problemen und Hindernissen nie den Spaß am Entdecken zu verlieren. Wunderschönes Buch!