Cover des Buches Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman (ISBN: B00DQNRXP8)
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Rezension zu Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman von Silke Heichel

Die perfekte erste Liebe

von Ariela vor 11 Jahren

Rezension

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Arielavor 11 Jahren

Man könnte diesen Roman mit Nicole Schröters “Oliver – Peace of mind” zusammen lesen und eine sehr fruchtbare vergleichende Lektüre vornehmen. Sie würde etwas über das Jungsein in diesen Tagen und seine literarische Darstellung aussagen. In beiden Romanen geht es um Liebe, um Verlust, um Schmerz, um das Bedürfnis nach Freiheit, um Irrtümer, falsche Entscheidungen, um das Zujungsein, um das Leben, den Tod und alles ist miteinander verschränkt, nichts wird ausgespart von den jugendlichen Protagonisten der Romane.

Wie Nicole Schröters Roman strahlt auch Leif – Hungrig nach Leben die Kraft der Echtheit aus. Silke Heichel erzählt nicht kunstvoll raffiniert, sie erzählt einfach. Sie erzählt klar und schnörkellos, wählt deutliche Worte, redet nicht drum herum und darin liegt eine Authentizität, die besticht, die fesselt, die hineinzieht, in die Lektüre, aber auch in die Erinnerung der eigenen Jugend, die mit diesem Text heraufbeschworen wird, selbst wenn man nicht gerade jemanden wie Leif kannte oder jemand wie Nina war.

Die Erzählinstanz ist Nina Schultheiß, als erzählendes Ich erwachsen, als erzähltes Ich 16 Jahre jung und zum ersten Mal verliebt. Gerade die gewählte Erzählsituation dieses Romans, in der das Auseinanderfallen von Fokalisierungsinstanz und Erzählinstanz gelungen ist, birgt eine ganz eigene Spannung. Die Einstiegssituation erscheint völlig rätselhaft und das Bewusstsein für diese Rätselhaftigkeit begleitet den Leser die gesamte Lektüre hindurch. Man fragt sich immer wieder, was passieren mag, dass es zu diesem Eingangsgespräch kommen kann. Nina ist also verliebt, die erste Liebe, und sie trifft ausgerechnet auf Leif Teichert, Lehrersohn (womit er es nicht leicht hat), 17 Jahre jung, voller Lebenslust, Kraft, Leichtigkeit, Leichtsinn. Leif ist besonders. Von ihm geküsst zu werden ist es auch: besonders aufregend. Von ihm verlassen zu werden allerdings scheint normal. Dem jungen Mann eilt ein Ruf voraus, der ihn in keinem guten Licht erscheinen lässt, nicht mal bei seinen eigenen Eltern. Aber Leif ist nicht oberflächlich, nicht egoistisch. Seine Popularität im weiblichen Fanclub ist ihm lästig. Er sucht nach mehr, nach tieferer Bindung, die er mit Nina findet. Allerdings sucht er die Bindung nicht um der Bindung, sondern um der Tiefe willen. Für Leif muss das Leben intensiv sein, es muss gelebt werden mit allem, was sich bietet und wenn sich nicht genug bietet, dann schafft Leif sich die Situationen, die noch intensiveres Erleben versprechen.

Bei Nina könnte er Halt finden, aber das ist den Jugendlichen nicht klar, dazu sind sie zu jung. Den Halt, den Nina anbietet, Verlässlichkeit und Treue, Attribute, die sie selbst auch einfordert, empfindet Leif als einengend. Die Gegensätzlichkeit der jugendlichen Positionen wird nicht bewertet, sie wird nur dargestellt, selbst wenn hier ausschließlich Ninas Sicht geschildert wird. Als Leser fühlt man sich nicht gezwungen, einer Sicht zu folgen und die andere abzulehnen. In den Gedanken, die die Jugendlichen in ihren Dialogen entwickeln, kann man beide Sichtweisen sehr entspannt auf sich wirken lassen und erkennt zwangsläufig, dass beide ihre Berechtigung haben. So fordert Leif dazu auf, sich treiben zu lassen, abzuwarten, wie die Dinge sich entwickeln während Nina Sicherheit sucht und sich vor Enttäuschungen schützen will. Wenn Nina das vorläufige Scheitern der Beziehung kommentiert: “Du bist nur nicht bereit, deinen Teil beizutragen”, kommt man als erwachsener Leser dennoch ins Grübeln, wenn man bereit ist, wirklich beiden Positionen gleiches Gewicht zu geben. Muss Liebe denn mit Besitz verwechselt werden?, wäre ungefähr Leifs Einwand.

Wunderbar liest sich die Entwicklung der Jugendlichen (und der beteiligten Erwachsenen!), selbst wenn die erzählte Zeit nur etwas mehr als ein halbes Jahr ausmacht. Und doch empfindet man besonders Nina zum Ende der Kerngeschichte als wesentlich selbstbewusster, stärker und erwachsener als zu Beginn der Geschichte. Der Leser konnte dem Sturm der Emotionen folgen, der von der Unsicherheit aus mangelnder Erfahrung über den Mut zu Vertrauen, Leidenschaft und wachsender Liebe bis zur Fähigkeit, Grenzen zu setzen, für sich selbst zu sorgen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen geht. Die Entwicklung bei Leif verläuft zu einem Teil parallel. Hier geht es in der Erzählung allerdings mehr um das Verstehen dieser Persönlichkeit, dieser unbedingten Suche nach dem Absoluten.

Glücklicherweise wird hier auf jedes Rollenklischee verzichtet. Jede der Figuren macht Fehler, von den Eltern bis zu den Jugendlichen, aber jede Figur hat ihre Stärken. Verhalten, Denken und Handeln liegt in der jeweiligen Individualität begründet. Dinge wie “Frauengespräche”, wie sie uns von diversen Fernsehserien als normal suggeriert werden, werden hier im inneren Monolog der 16-Jährigen als nicht normal, sogar als klare Grenzüberschreitung, abgelehnt. “Unbedarft und furchtlos” sind die Vertreter beider Geschlechter und beide genießen ihr “Leben in vollen Zügen” auf der Suche nach “Abenteuer”. Selbst wenn Nina sich wegen eines Pickels in der Wohnung vergräbt und Leif seine Abenteuersuche völlig übertreibt und es geschlechtertypisches Verhalten gibt, werden dennoch keine Rollenklischees zementiert. Leif und Nina stehen abwechselnd füreinander ein, machen sich Sorgen umeinander, ohne Ungleichgewicht. Dass Nina zuweilen opferbereiter scheint, um die Beziehung zu halten, liegt daran, dass einer wie Leif Maßstäbe setzt, selbst wenn er die Widersprüche in seinem Denken, Fühlen und Handeln nicht auflösen kann. Einen wie Leif gibt man nicht so schnell auf, was Leif mit einer wie Nina eigentlich auch nicht tun will. Bei allem Auf und Ab in dieser Liebesgeschichte, bei der man Glück und Schmerz wirklich mitfühlt, denkt man immer wieder: So perfekt muss die erste Liebe einfach sein!

Die Originalrezension wurde für den Blog Autorenfreiheit. Die Seite für unabhängige Literatur erstellt www.autorenfreiheit.de

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