Nachdem ich vor gut einem Jahr einmal wieder „Fahrenheit 451“ gelesen habe, reizte mich die Adaption als Graphic Novel von Víctor Santos sofort.
Hier findet ihr meine Rezension zum Buch: https://www.lovelybooks.de/autor/Ray-Bradbury/Fahrenheit-451-145434110-w/rezension/13846721929/
Schon die ersten Seiten ziehen total in den Bann, sie kommen ohne Worte aus. Die allererste Doppelseite schildert in gleich großen Panels, schlaglichtartig, wie die Bücher aus den Regal gerissen, aufgeschichtet und schließlich mit der Pistolen gleichen Kerosindüse in Brand gesteckt werden. Eigentlich nur verkappt, der Lauf ein Punkt: Drei Bilder, die sehr schlicht den Funkenflug und das Feuer zeigen. Ja, es hat mich gleich gepackt. Auch Montags Rest des Arbeitstags ist stumm. Wir sehen ihn mit den Kollegen bei der Bücherverbrennung, die Rückkehr in die Feuerwache, das Umziehen und die ersten Schritte nach Hause.
Worte halten erst Einzug, wenn Clarisse auftaucht. Das beschreibt Montags ganzes Haltung so treffend. Clarisse, die junge Frau, die mit ihrer Familie neu neben Montags Haus wohnt, ist so anders, als Montag es gewohnt ist. Diese Begegnung stößt nach und nach eine Wandlung an, die vielleicht schon viel früher begonnen hat, wie wir erfahren. Aber nun erst bricht sie sich eine Bahn.
Ray Bradburys Klassiker zeigt die Wirkweisen von Diktatur und Unterdrückung ebenso wie die Angst vor Nonkonformität, Wissenschaft und Bildung. Santos findet hier stimmige Bilder. Der klare Stil und die monochromen Kolorierungen erzählen die Geschichte eindringlich. Leider ist diese Dystopie weder Geschichte noch Science Fiction, sondern viel realer, als es unserer Welt guttut. Gestern schickte Donald Trump die Nationalgarde und Marines nach Kalifornien, die Bilder und die Rhetorik erinnern auch an diese Dystopie. Gerade darum müssen wir diese Klassiker lesen, weil sie unsere Vorstellung schulen, was generell an Unterdrückung und Überwachung möglich ist.
Mein 13jähriger Sohn kannte bislang die Geschichte noch nicht. Daher fand ich besonders interessant, ob und wie er diesen Klassiker durch die Graphic Novel verstehen würde. Ihm ging es wie mir und bereits die ersten Seiten zogen ihn seinen Bann. Sowohl gefiel ihm der Stil, als auch die düstere Geschichten. Durch Clarisse' Einstellung fand er sie die wichtigste Figur. Besonders schockierte ihn, dass Montag gezwungen wird, sein eigenes Haus zu verbrennen. Spannend fand ich unsere anschließende Diskussion, über die Lüge des Regimes, dass sie Montag verhaftet hätten. Für meinen Sohn waren die Videobilder als vorgeblicher Beweis klar KI-generiert und ihn schockierte die Option, dass sie einen völlig Unschuldigen dafür getötet haben könnten.
Diese Graphic Novel bietet sich sowohl als Neueinstieg in „Fahrenheit 451“ an, funktioniert aber auch hervorragend als Ergänzung zum Roman. 5 von 5 Sternen.