Cover des Buches Klausjäger (ISBN: 9783954519880)
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Rezension zu Klausjäger von Silvia Götschi

Rächt sich Frauenfeindlichkeit mörderisch?

von Gwhynwhyfar vor 7 Jahren

Rezension

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Gwhynwhyfarvor 7 Jahren
»Es gibt aber Männer, die jeglichen Respekt verlieren, wenn sie betrunken sind.«

Am 6. Dezember startet bei eisiger Kälte das Klausjagen im dunklen Küssnacht, wie jedes Jahr in jahrhundertalter Tradition. Die Lichter in der Stadt sind ausgestellt, nur die mit Kerzen beleuchteten Iffelen leuchten den Weg des Nikolausumzugs. Der Umzug, angeführt von St. Nikolaus, begleitet von Schmutzlis und seinem weißgekleideten Ge-folge, die die beleuchteten Iffelen über dem Kopf halten, erreicht die Bahnhofsstraße. Der Nikolaus bricht zusammen, er wurde erschossen.

»Bei den Frauen klingt es anders, als Richter war er nicht sehr beliebt … zu männerlastig. Es kursieren Gerüchte, dass er sich vor allem in Trennungs- und Scheidungsfällen gern auf die Seite der Männer gestellt habe.«

Kommissarin Valérie Lehman ermittelt mit ihrem Team. Wer hat den Nikolaus er-schossen? Einer seiner Freunde aus der Sankt Niklausengegesellschaft? Nach dem Umzug ziehen die Männer von Kneipe zu Kneipe und lassen sich vollaufen bis zum Morgengrauen. Nicht einmal der Tod ihres Vorsitzenden hält sie davon ab. So zeigt sich die Vernehmung etwas schwierig. Oder stammt der Täter aus dem privaten Um-feld, denn die Ehefrau macht nicht gerade einen trauernden Eindruck, als sie vom Tod des Mannes erfährt. Ebenso steht das berufliche Feld von Richter Gross im Focus. Schnell stellt sich heraus, dass einige Frauen genügend Grund hätten ihn zu töten, denn er stellte sich in Scheidungsprozessen immer auf die Seite der Männer, sprach ihnen die Kinder zu, wenn sie das forderten. Valérie kann den Zorn und die Frustrati-on der Mütter verstehen, sie selbst steckt in einer ähnlichen Situation, sie versucht gerade ihren Sohn zu überzeugen, zu ihr zu ziehen, nun, da er fünfzehn ist. Mitten in der Ermittlung holt sie ihn vom Bahnhof ab. Kann sie ihn überzeugen?

Valérie stößt auf eine von Männern dominierte Gesellschaft der Innerschweiz, stock-konservativ. Die Nikolausgesellschaft besteht nur aus Männern. Im Umzug dürfen nur Männer und Jungen laufen, die Frauen und Mädchen dürfen zuschauen, die Frau-en hernach die Kinder einsammeln und nach Hause gehen, während die Männer sich volllaufen lassen, Kellnerinnen begrabschen. Allerdings sind die Frauen gut genug, die Gewänder für den Umzug zu nähen und zu helfen, die Iffelen herzustellen.
»Sie kannte das Phänomen. Frauen opferten ihren Körper, um verbalen Attacken, Demütigungen und womöglich Schlägen vorzubeugen, um ihre Männer zu be-schwichtigen, wenn sie außer Rand und Band gerieten.«

Silvia Götschi hat hier nicht nur einen spannenden Krimi abgeliefert, sie beschreibt Landschaften, Bräuche und die moderne Gesellschaft der ländlichen Innerschweiz. Das juristische Festsetzen von Gleichheit und Reden über Gleichberechtigung und Respekt ist eine Seite, die Umsetzung eine andere. Zu diesem ernüchternden Schluss muss kommen, wer die derzeitigen Debatten über die Gleichstellung der Geschlechter und über alltäglichen Sexismus verfolgt. Über Jahrzehnte haben Frauen sich für gleiches Recht und Freiheit eingesetzt, haben die Gleichstellung erkämpft. Ob in der Arbeitswelt oder im privaten Bereich, die Frauen in der Schweiz sind bis heute schlechter gestellt, sei es nur bei der Aufteilung von Haus- und Familienarbeit. Die Autorin benennt hier kleine Punkte mit gewaltiger Wirkung. Amüsiert habe ich verfolgt, mit welcher Tatkraft manche Frau sich wehrt, und mit welchen Tricksereien man die Entscheidungen von Kantonsgerichten aussetzen kann. Ein kluger Krimi, der einen guten Einblick in das Schweizer Leben gibt. Silvia Götschi hält die Spannung stets oben, bis zum Ende tappt die Polizei auf mehreren Spuren im Dunkeln. Ein Krimi passend in die Vorweihnachtszeit, den ich absolut empfehlen kann.
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