Joe Prohaska ist gerade in seinem Fotoladen angekommen, den er mit Ivo zusammen betreibt als sein Telefon klingelt. Tante Olga ist tot, sagt Marija. In dem Alter nicht verwunderlich, trotzdem traurig. Ob er denn zur Beerdigung kommen könne und wolle, fragt Marija. Und schiebt gleich hinterher, Lydia komme auch. Wahrscheinlich. Für den Fall, dass Joe tatsächlich überlegen wollte, ob er der Tante, die er seit Jahren nicht gesehen hat, deren Verwandtschaftsverhältnis nicht ganz eindeutig ist, die letzte Ehre zu erweisen, ist mit der möglichen Ankunft Lydias jeder Zweifel hinfortgewischt. Lydia. Damals. Als er und sie Teenager waren. Ja, er und sie… das hätte was werden können. Hätte. Wurde aber nichts daraus. Denn sie und ihre Mutter wanderten ziemlich abrupt von einem Tag auf den anderen nach Kanada aus. Der versprochene Briefwechsel blieb einseitig. Von Joes Seite aus.
Und tatsächlich. Lydia ist zur Beerdigung gekommen. Das Wummern im Herzen ist immer noch da. Auf beiden Seiten. Die alte Verbindung, die vor Jahrzehnten durch ihre Schüchternheit unterbunden wurde, ist wie aus dem Nichts wieder da. Lydia vertraut Joe an, dass Tante Olga wahrscheinlich nicht eines natürlichen Todes gestorben sei. Und er – als ehemaliger Polizist – könnte doch … weil er es kann … na ja, sich ein bisschen umhören. Ermitteln. Und nur Lydia und Joe wissen Bescheid, dass das Ableben der Tante eine andere Ursache als die des Alters haben könnte. Konjunktiv und vage Vermutungen, viel- und nichtssagende Andeutungen beherrschen den fünften Roman über den Ex-Kommissar Joe Prohaska, der seinen Lebensabend in Istrien doch nicht so verbringen kann wie man es erwartet. Er war, ist und bleibt immer der Bulle mit der Spürnase fürs Geschäft.
Das Dorf, in dem Tante Olga wohnte ist auf dem Fundament des Schweigens gebaut. Falschheit und Missgunst sind der Kitt der hier alles zusammenhält. Sobald die Fassade Risse bekommt – und das wissen alle Bewohner, und selbst Joe und Lydia – wird es ein Inferno geben, dem man nicht entkommen kann. Soll man die Vergangenheit ruhen lassen? Lydia hat nur eine Ahnung davon, was damals dazu führte, dass sie und ihre Mutter überstürzt nach Kanada auswanderten. Dass sie allein daran die Schuld trägt, ist möglich. Denn sie hat selbige auf sich geladen. Das vorsichtige Herantasten an die Verwandtschaft wird zu einem Geduldsspiel, für das weder Joe noch Lydia die Zeit haben. Doch die Neugier nach den wahren Ursachen für Tante Olgas Tod ist stärker als die Vernunft…