Rezension zu "Die Brontës in Hawoth" von Ann Dinsdale
Die Kraft der Literatur
Großbritannien im 19. Jahrhundert: Victoria wird Königin des Vereinigten Königreiches, Industrielle Revolution, Aufstände, Aufstieg zur Weltmacht. Für viele gilt die Viktorianische Ära als die Blütezeit Großbritanniens, oft träumerisch verklärt und beliebtes Thema in Filmen und Fernsehserien. Es ist die Zeit der englischen Romantik, Blüte der englischen Literatur, die eine Vielzahl interessanter Bücher und Schriftsteller hervorbrachte: William Makepeace Thackery, Jane Austen und die Schwestern Brontë.
Deren Romane: Emilys Wuthering Heights (Sturmhöhe) und Charlottes Jane Eyre zählen zu den wichtigsten Werken der englischen Literatur, gehören zur Pflichtlektüre aller englischen Schüler und nehmen einen wichtigen Platz in der vordersten Reihe der Weltliteratur ein. Dies veranlasste die Engländer - die das Extreme, Herausragende lieben - die Brontës, als "die einzige Schriftstellerfamilie der Welt, die drei bereits zu Lebzeiten berühmte Autorinnen hervorbrachte", bekannt zu machen.
Der Heimatort der berühmten Schwestern - Haworth in West-Yorkshie - avanciert nach Shakespeares Stratford-upon-Avon zur beliebtesten Pilgerstätte für Literaturbegeisterte in England.
Aber nicht nur ihre Bücher machen den "Brontë-Kult" aus, sondern auch ihr Leben: ihre einsamen Welten weit weg von der Realität, ihr mystisch erscheinender Alltag. Damals, im Hochmoor von Yorkshire, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der verklemmten Viktorianischen Epoche, galten die Schwestern nach Veröffentlichung ihrer Romane als "anstößig", rebellisch und ihre Lektüre für sittsame junge Mädchen und brave Hausfrauen als völlig ungeeignet. "Ratlosigkeit" war noch der harmloseste Ausdruck für das, was sich bei Literaturkritikern der damaligen Zeit breit machte, als Emilys Sturmhöhe - in der Hass, Gewalt, Sexualität und Leidenschaft eine tragende Rollen spielen - veröffentlicht wird.
Das Gesamtwerk der Brontës ist in seiner Form wahrhaft einzigartig.
"Sie lebten in einer von ihnen erschaffenen, unabhängigen Welt, in die wir eintreten dürfen", schrieb Virginia Woolf. Diese Tür hat Ann Dinsdale gemeinsam mit dem Fotografen Simon Warner für den Leser geöffnet. In einer hochwertigen Bildbiografie macht die in Haworth lebende und als Bibliothekarin am dortigen "Brontë Parsonage Museum" arbeitende Autorin das Phänomen Brontë verständlich. Der ebenfalls in der Nähe von Haworth beheimatete Simon Warner hat sich bereits als Fotograf der Landschaften Großbritanniens einen Namen gemacht.
Dinsdale und Warner haben eine harmonische Komposition aus Text und Bild geschaffen, in der nicht nur die achtköpfige Familie ausführlich vorgestellt, sondern in der auch hinreichend auf ihr Schaffen und vor allem ihr Umfeld eingegangen wird.
Gerade die detaillierte Darstellung ihrer Lebensperipherie, aus dem die Geschwister so gut wie nie herauskamen und wo sie viel zu jung starben, fördert viel Interessantes zu Tage. Die zum Teil großartigen Landschaftsaufnahmen geben ein stimmungsvolles Bild der damaligen Zeit wieder und harmonieren mit dem geschriebenen Wort hervorragend.
Fazit:
Ohne den Anspruch auf eine wissenschaftliche Biografie zu erheben, haben Ann Dinsdale und Simon Warner die Leidenschaft, welche aus allen Brontë-Romanen spricht, mit der herben Schönheit des Hochmoores, in dem sie zu Hause waren, verbunden.
Herausgekommen ist eine wirkungsvolle Mischung von beidem: eine wunderschöne Biografie in Text und Bild.