Inhalt
Marie lebt in relativer Sicherheit in einem kleinen Bauerndorf und denkt, die Vergangenheit mit ihrem grausamen Ziehvater Fips hinter sich gelassen zu haben. Doch dann taucht er plötzlich wieder auf und die junge Frau flieht mit einer Gruppe junger Menschen ins Altvatergebirge, wo ein Spielmann ihnen ein angenehmes Leben verspricht. Doch sie weiß nicht, dass eben jener Spielmann von Fips angeheuert wurde. Auf der Reise plagen sie jedoch ganz andere Sorgen und Ängste, denn die Pest hat ihren Weg nach Europa gefunden und ist ihnen dicht auf den Fersen. Ist der geheimnisvolle Kreuzritter Konrad, der sich ihnen schließlich anschließt, der Überträger der tödlichen Krankheit?
Meine Meinung
Mir stand der Sinn nach einem Mittelalterroman und ich durchstreifte die Gänge der hiesigen Stadtbibliothek auf der Suche nach ansprechenden Titeln und Covern. So stieß ich auf "Die Flucht der Gauklerin". Obwohl ich früher fast ausschließlich historische Romane gelesen habe, bin ich mittlerweile sehr wählerisch in dieser Hinsicht und habe hohe Ansprüche an die Lektüre. Dieser Roman hat mir jedoch sehr gut gefallen, denn es ist spannend, dabei jedoch nicht effektheischerisch, und vereint auf angenehme Weise Geschichte mit Unterhaltung.
Die Geschichte beginnt mit den Anfängen der Pest und deren langsamer Ausbreitung Richtung Norden im Oktober 1347, wobei der Leser den Ritter Konrad und seine Kameraden begleitet. Ein zweiter Handlungsstrang erzählt zeitgleich von Marie und dem neuen Leben, das die ehemalige Gauklerin sich mit einem älteren Bauer aufgebaut hat. Als die Zustände im Dorf immer schlimmer werden versammelt sich eine kleine Truppe Pioniere um den Spielmann Regino und zieht mit ihm ins Altvatergebirge, wo er ihnen Reichtümer verspricht. Auch Marie schließt sich ihnen an, als sie Hals über Kopf vor der Vergangenheit fliehen muss. Doch weder sie noch die anderen ahnen, dass die Reise ein abgekartetes Spiel ist, das sie alle das Leben kosten könnte.
Neben dem Haupthandlungsstrang gibt es noch viele weitere, die alle langsam ineinander verflochten werden, was mir sehr gut gefallen hat. Zum Beispiel die von Adelheid, der Schwester eines Freundes von Konrad, die dieser nach dessen Tod aus dem Kloster holen und in Sicherheit bringen soll. Nur, dass Adelheid ihre Rettung längst selbst in die Hand genommen hat und sich dem Zug um Regino angeschlossen hat. Auch, dass Konrad wegen angeblichen Mordes gesucht wird, steigert die Spannung und wirft ständig einen Schatten auf die Geschehnisse. Doch die Geschichte um Marie und ihren Verfolger, ihren Ziehvater Fips, bleibt im Vordergrund und ist durch ein ständiges Auf und Ab der Gefühle der Sicherheit und der Angst geprägt.
Neumann ist es gut gelungen, die Quelle der Gefahr - oder besser der Gefahren - zu verschleihern. Vor wem muss sich die Reisetruppe denn nun in Acht nehmen? Ist wirklich Konrad der Überbringer der Pest? Oder ist der zwielichtige Fips noch gefährlicher als die Krankheit? Und was hat es mit den Ratten auf sich? Doch wie die Truppe so tappt auch der Leser im Dunkeln und muss mit ansehen, wie die Gruppe langsam auseinander bricht.
Es gibt recht viele Hauptcharaktere, wobei natürlich das Hauptaugenmerk auf Marie gerichtet ist. Doch gerade zu Marie konnte ich nur schwer Zugang finden, und obwohl sich vor allem gegen Ende viele Monologe von ihr finden, blieb sie mir fremd. Anders war es bei dem alten Ulrich, der Kräuterhexe Maja oder dem Mädchen Adelheid. Selbst Regino war mir näher als die eigentliche Hauptperson. Alles in allem hat Neumann aber bei der Charakterentwicklung meiner Meinung nach gute Arbeit geleistet. Selbst den vielen Nebencharakteren hat sie ein Gesicht verliehen, was den Roman besonders lebendig werden lässt.
Das Ende, das gebe ich zu, ist sicherlich nicht für jeden etwas. Es kommt etwas unglaubwürdig daher, aber entgegen meiner üblichen Haltung zu solchen Romanen war ich damit zufrieden, denn es bleibt wirklich bis zum Schluss spannend. Ob so etwas in der damaligen Zeit tatsächlich möglich war, da bin ich überfragt. Es ist auf jeden Fall eine schöne Vorstellung und ich legte das Buch mit einem Lächeln im Gesicht weg. Ich vergebe
4 von 5 Wolken.