Sizilien, Anfang des 20. Jahrhunderts:
Ignazio Marra, Anwalt und Anhänger der Sozialisten, war befreundet mit dem Vater von Giosuè, der bei einem Aufstand und hinterhältigen brutalen Niederschlag der Regierung sein Leben verlor und Giosuè hinterließ: Ignazio kümmerte sich nach dem Tod des Freundes um den Jungen und so wuchsen Maria, die Tochter des Anwalts und Giosuè zusammen auf. Sie verband eine enge Freundschaft, die ein Leben lang halten sollte...
Pietro Sala, der aus einer mächtigen Familie Siziliens stammt, ein Lebemann mit Sinn für alles Schöne, verliebt sich in die noch sehr junge Maria, hält um ihre Hand an - und heiratet sie schließlich.
Der Kontakt zu Giosuè, der Maria helfen möchte, sich für die Lehrerinnenprüfung vorzubereiten, reißt jedoch nicht ab und Giosuè ist fortan ein enger Freund der Familie....
So beginnt dieser Roman, der ein Gesellschaftsporträt der sizilianischen Gesellschaft ist, deren normale Bürger von Armut geprägt war und es ein großes Gefälle zwischen Aristokraten, Minenbesitzern wie den Salas und der armen Bevölkerung gab, die ob der schlechten Arbeitsbedingungen in jungen Jahren nicht selten auswanderten. Frauen wie Maria, die "nach oben" heirateten, waren dennoch oftmals schlecht gestellt und ohne Absicherung durch den Ehemann. In diesem Falle jedoch war der Schwiegervater Vito Sala gut beraten, die tatkräftige und kluge Maria trotz ihres jungen Alters in die Geschäfte einzuweihen und sie ob der Glücksspielsucht Pietros in die Verwaltung einzuführen: Sie sollte später diese leiten, um das Vermögen ihrer Kinder Anna, Vito und - viel später Rita - zu sichern, während Pietro eine Leibrente zustand.
"Der Jasmingarten" liest sich wie ein Einblick in die Welt einer wohlhabenden sizilianischen Familie, die ihr Erbe sichern will und trotz unruhiger Zeiten (der erste wie auch der zweite Weltkrieg stehen noch bevor) ein relativ gutes Leben führt; in Palazzi wohnt und durch den Besitz der Schwefelminen reich wurde. Allerdings zahlen die "Carusi", halbwüchsige Kinder, die den Hauern unterstehen und meist keine 30 Jahre alt werden, da sie unter erbärmlichsten Bedingungen unter Tage arbeiten, einen hohen Preis für diese Art von Reichtum und Wohlstand.
Der Autorin gelingt es anhand von gut recherchierten politischen Fakten, das Sizilien - und Italien von etwa 1900 bis 1950 vor den Augen des Lesers wiederauferstehen zu lassen, indem sie ein facettenreiches und farbiges wie auch politisches Bild Italiens malt, das sowohl das Erstarken der Mafia, das Elend des Südens und der Reichtum des Nordens wie auch die Zeit Mussolinis beschreibt.
In all diese Beschreibungen und politischen Umbrüche spielt die Beziehung und die große Liebe zwischen Maria und Giosuè jedoch die bedeutendste Rolle - sie besteht selbst in Kriegswirren und ist unbezwingbar, teils auch sehr sinnlich beschrieben. Maria war durch ihre Klugheit, ihr soziales Engagement und ihre starke Empathie eine Sympathieträgerin für mich, Giosuè empfand ich als widersprüchlich - da er anfangs, in einem sozialistischen Haushalt aufgewachsen, ebenfalls sozialistische Meinungen vertrat, später jedoch "mit dem Faschismus (Mussolinis) zufrieden war" (Zitat), dieser Gesinnungswandel passte nicht, zumal er jüdischer Herkunft war und es in Italien niemanden entgehen konnte, was sich in Deutschland in diesen Jahren ereignete. So wird der aufkeimende Antisemitismus, der auch in Italien jüdische Familien zur Emigration bewegt, nicht ausgespart. Auch mit innerfamiliären Streitigkeiten seitens der Schwägerinnen, die Maria ihr Erbe des Schwiegervaters nicht gönnen, fließen immer wieder thematisch mit ein, ein sicher sehr realer Hintergrund.
Wer diesen Gesellschafts- und Liebesroman interessiert liest, kann eine ganze Menge über die italienische Geschichte lernen: Die Expansionspolitik Mussolinis, die dem Faschismus in Deutschland nicht nachstand, z..B. In den Kriegswirren wird es jedoch für die Liebenden zunehmend schwieriger, sich zu sehen, wenn Maria auch inzwischen Witwe ist. Der Roman endet in den späten 1940er Jahren und die Liebe zwischen Maria und Giosuè, wie auch zu den inzwischen erwachsenen Kindern besteht fort...
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, atmosphärisch und gut zu lesen; die 49 Romankapitel sind angenehm kurz gehalten und die Sinnlichkeit und Farbenpracht, der Ausdruck von Freude und Schmerz haben ihren angestammten Platz, der den Leser in die Palazzi des beginnenden 20. Jahrhunderts zu entführen vermag, leider fiel es mir dennoch etwas schwer, eine Beziehung zu den Hauptprotagonisten aufzubauen: Ich nahm sie recht distanziert wahr, mit Ausnahme von Maria.
Fazit:
Ich schließe mich gerne der Aussage an, dass dieser Roman der in Italien sehr bekannten Autorin "ein farbiges Gesellschaftsepos und (gleichzeitig) die Geschichte einer unbezwingbaren Liebe" zwischen Maria und Giosuè ist, die in all' ihren Facetten, sinnlich, voller Freude und auch Schmerzen beschrieben wird. Jedoch steht diese große Liebe für mich zu sehr im Vordergrund und ich hätte mir mehr historische und auch soziologische Einblicke in andere Gesellschaftsschichten Italiens gewünscht; hier liegt der Blickwinkel sehr in der Perspektive der "Palazzi", dem Hause Sala u.a., deren Reichtum auf den Besitz und der Unterhaltung der Schwefelminen zurückzuführen ist. Meine Wertung: 3,5 * und 87° auf der "Histo-Couch"