Cover des Buches The Blazing World (ISBN: 9781476769981)
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Rezension zu The Blazing World von Siri Hustvedt

Mehr als nur kunstvoller schöner Schein

von bookscout vor 9 Jahren

Rezension

B
bookscoutvor 9 Jahren
Mit "The Blazing World" ist Siri Hustvedt ein weiterer ganz großer Wurf gelungen. Gewohnt virtuos verwebt die Autorin Fakt mit Fiktion und erfreut sich daran, ihre LeserInnen intellektuell herauszufordern und immer wieder charmant in die Irre zu führen.

"The Blazing World" ist aufgebaut wie ein realer Nekrolog, ein Nachruf auf die kürzlich verstorbene New Yorker Künstlerin Harriet Burden, die erst nach dem Tod ihres Mannes, des bekannten Kunstsammlers Felix Lord, aus dessen übermächtigem Schatten treten konnte. Wie alle Protagonistinnen Hustvedts ist Harriet außerordentlich belesen und eigenwillig, sie beschäftigt sich nachhaltig mit Philosophie, Neurowissenschaften und Wahrnehmungstheorien, wobei sie gängige Strömungen mit Genuss in Frage stellt und sich auch nicht scheut, ihre kontroversielle Meinung zu äußern.

Besonders fest hält Harriet an ihrer Hypothese, dass Oeuvres männlicher Künstler anders rezipiert werden als jene ihrer weiblichen Pendants. Aus diesen Überlegungen entsteht ein trotziges und zugleich mutiges Spiel, eine gewagte Kunst-Trilogie genannt "Maskings".

Harriet – die stets mit ihrer Weiblichkeit zu hadern scheint, sie als Bürde ("burden" im Englischen) empfindet, was sich in ihrem Spitznamen "Harry" einerseits, in ihrem amazonenhaften Habitus andererseits widerspiegelt – beschließt, eine Auswahl ihrer Kunstobjekte und Installationen über mehrere Jahre hinweg im Namen dreier männlicher Künstlerkollegen auszustellen: Anton Tish, Phineas Q. Eldridge und zuletzt Rune.

Nach der letzten Ausstellung will sie ihre Identität als wahre Schöpferin enthüllen und somit die gesamte hypokritische, ihr nie sonderlich wohl gesonnene Kunstszene vorführen. Während der zuvor unbekannte Anton Tish seine Rolle als Maske nur schwer verkraftet, verbindet Harry und Phinny, einen Homosexuellen gemischter Abstammung, bald eine tiefe Freundschaft. Erst der exzentrische und narzisstische Rune bringt das Projekt ernsthaft ins Wanken, nicht zuletzt durch seine grausamen Andeutungen, ihn hätte mehr als nur eine lose Bekanntschaft mit Felix Lord verbunden.

Entstehung, Verlauf und dramatisches Ende der "Maskings"-Trilogie sowie die schöpferische, intellektuelle und persönliche Entwicklung Burdens werden auf multiple Art und Weise beleuchtet: Als Quelle dienen zum einen Burdens umfangreiche Tagebücher, zum anderen Aufzeichnungen ihrer Freunde und Bekannten - Bruno Kleinmann, Harriets Lebensgefährte in den Jahren nach Felix' Tod, Harriets engste Freundin Rachel Briefmann, die Kinder Maisie und Ethan – aber auch Reviews der drei maskierten Ausstellungen sowie Interviews mit unabhängigen Kunstsachverständigen.

Neben der kunstvollen Sprache, die Siri Hustvedt so auszeichnet, ist "The Blazing World" ein intellektuelles Vergnügen, besonders wenn man sich die Zeit nimmt, den zahlreichen Verweisen und philosophischen Verästelungen gedanklich zu folgen und Raum zu geben. Besondere Spannung wird dem Text durch den gekonnten Mix aus Realität und Fiktion verliehen, der mich mehr als einmal zu Recherchen verleitet hat, ob dieser oder jener Künstler nun wirklich existiert hat oder rein Hustvedts brillanter Fantasie entsprungen ist.

Kurz: "The Blazing World" ist ein Lesevergnügen auf höchster Ebene, das dazu anregt, hinter den Spiegel zu schauen und die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen.
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